Augsburger Allgemeine (Land West)
Auf dem Absprung
Skispringen Bundestrainer Andreas Bauer erklärt seinen Rücktritt – ausgerechnet bei der WM in seinem Heimatort Oberstdorf. Die Frage nach dem Nachfolger ist noch ungeklärt
Oberstdorf Das schwarze Klemmbrett mit der Deutschland-Flagge ist deutlich gezeichnet. Gezeichnet von vielen packenden Wettkämpfen und großen Erfolgen in den vergangenen zehn Jahren. Immer wieder, sagt Andreas Bauer, habe er mit Klebeband nachhelfen müssen. Mit dem Klemmbrett gibt der Bundestrainer seinen Skispringerinnen oben auf der Schanze das Zeichen zum Start. Wenn der Wind stimmt. Startlisten, Körperdaten der Springerinnen, die wichtigsten Regeln für den Wettkampf. All das befindet sich in Bauers Klemmbrett. „Und 100 Schweizer Franken für den Fall, dass man oben direkt Protest einlegen muss“, erzählt der 57-Jährige lachend. Jetzt hat das Klemmbrett ausgedient. Nach zehn Jahren im Amt erklärte Bauer am Donnerstagvormittag bei der Nordischen SkiWM in seinem Heimatort Oberstdorf seinen Rücktritt. Aus persönlichen Gründen. Näher wollte Bauer darauf nicht eingehen, sprach nur von einem „privaten Projekt“, das in den kommenden Monaten anstehe. Der zeitintensive Trainerjob sei damit künftig nicht mehr vereinbar.
„Ich bin schon seit längerer Zeit zum Entschluss gekommen, dass die Heim-WM noch mal das Highlight für mich wäre. Dass ich bis dahin gerne bereit bin weiterzumachen. Zum Saisonende werde ich mein Amt niederlegen“, sagt Bauer. Für den Deutschen Ski-Verband (DSV) endet damit eine Trainer-Ära. Für den Verband ist Bauer bereits seit 1996 tätig. Nachdem er seine aktive Laufbahn als Skispringer, in deren
Verlauf er unter anderem 1987 beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen seinen einzigen Weltcup-Sieg feierte, stieg er zunächst als Co-Trainer von Reinhard Heß bei den Skisprung-Männern ein. Zu Zeiten von Martin Schmitt und Sven Hannawald. Von 2003 bis 2011 arbeitete Bauer als Sprung-Trainer bei den Nordischen Kombinierern. In seine Amtszeit fällt zum Beispiel der Doppel-Triumph von Ronny Ackermann bei der Nordischen SkiWM 2005 in Oberstdorf.
2011 begann dann nicht nur das letzte Kapitel seiner Trainer-Laufbahn, sondern auch das wohl aufregendste. Von der ersten WeltcupStunde an war er für die Springerinnen verantwortlich. Viele Siege, WM-Titel und zwei Olympia-Medaillen (Gold von Carina Vogt 2014, Silber von Katharina Althaus 2018) holten seine Athletinnen. Disziplinenübergreifend kommt Bauer mit seinen Schützlingen sogar auf 51 Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften, darunter drei Olympiasiege und 17 WM-Titel, sowie 108 Triumphe bei Weltcup-Wettbewerben. Für seine akribische Arbeit wurde er vor zwei Jahren vom Deutschen Olympischen Sportbund als „Trainer des Jahres“ausgezeichnet.
Nach einem Jahrzehnt bei den Frauen habe sich nun „ein Kreis für ihn geschlossen“, schildert der langjährige Chefcoach. Bauer schwelgt in Erinnerungen. Er erzählt, wie er als Sechsjähriger an der Schanze am Schattenberg stand und schon damals davon träumte, „irgendwann einmal da runterzuspringen“. Nun, meint er weiter, habe sich bei der WM der Kreis geschlossen. „Der
Abschluss hier mit der Goldmedaille im Mixed war wunderschön“, sagt Bauer über den überraschenden Titel von Katharina Althaus, Anna Rupprecht, Karl Geiger und Markus Eisenbichler. Wie einst Franz Beckenbauer nach dem WM-Triumph der deutschen Fußball-Nationalmannschaft 1990 genoss Bauer diesen Moment alleine. Zurückgezogen und gedankenversunken. „Es war sehr emotional“, erzählt der 57-Jährige.
Seine Entscheidung, einen Schlussstrich zu ziehen, habe er schon länger getroffen, bisher aber nur im engsten Kreis kommuniziert. Bauer: „Das hat mit der aktuellen sportlichen Situation nichts zu tun. Wir mussten in den vergangenen Jahren immer wieder Täler durchschreiten. So etwas gehört zu unserem Job.“Bereits am Mittwochabend teilte er seinen Entschluss im Kreis des Sprungteams mit. Katharina Althaus, die bereits als 15-Jährige von Bauer ins Nationalteam geholt wurde, erzählt: „Wir Mädels haben sofort zu weinen angefangen. Wir konnten vielleicht sogar damit rechnen, aber wir haben nicht erwartet, dass es jetzt kommt.“
Wer zur kommenden OlympiaSaison auf Bauer folgt, ließ Teammanager Horst Hüttel zunächst offen: „Das wird eine schwierige Aufgabe, hier jemanden zu platzieren. Wir haben Olympia vor der Brust.“Bauer habe nicht nur den Verband, sondern auch die Sportlerinnen geprägt. „Er hinterlässt definitiv eine große Lücke“, sagte Hüttel. Spätestens bis zum Start der neuen Saison Ende April muss er einen neuen Chefcoach gefunden haben.