Augsburger Allgemeine (Land West)
Gewerkschaft sieht Luft für mehr Lohn
Pandemie Rund 200 Beschäftigte von MAN Energy Solutions haben trotz Krise bei einem Warnstreik mehr Geld sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen gefordert
Mit einem Megafon versuchte Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek am Donnerstagmittag gegen den Autolärm in der Sebastianstraße anzukommen und forderte die Belegschaft von MAN Energy Solutions zum Warnstreik auf. Auf sein Kommando traten rund 200 Männer und Frauen hinter den Mauern der Betriebsgebäude hervor, formierten sich zum Zug und marschierten zum MAN-Hochhaus an der Ecke Sebastianund Stadtbachstraße.
Der Warnstreik der MAN-Belegschaft war der Start mehrerer Streikaktionen, die die IG Metall in dieser Woche in Augsburg durchführen wird. Am Freitag sind unter anderem die Mitarbeiter des Getriebeherstellers Renk aufgefordert, auf die Straße zu gehen. Hintergrund sind die bislang gescheiterten Gespräche mit den Arbeitgebervertretern in der aktuellen Tarifrunde.
Die IG Metall fordert im Volumen vier Prozent mehr Lohn sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen und Ausbildung. Die Arbeitgeber sind diesen Forderungen bislang nicht nachgekommen, sondern haben ihrerseits Forderungen vorgelegt. Unter anderem ging es um die Anpassung beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die Flexibilisierung der Tarifverträge. „Wir werden aber nicht zulassen, dass das Rad der Geschichte zurückgedreht und an Weihnachts- und Urlaubsgeld geschraubt wird“, so Leppek am Donnerstag. Die geforderte Flexibilisierung der Tarifverträge würde unter anderem dazu führen, dass diese das Papier nicht wert seien, auf denen sie geschrieben stehen.
Dass die Wirtschaft derzeit unter Corona leidet und Unternehmen wie MAN schon zuvor mit Problemen zu kämpfen hatten und daher 800 Stellen abgebaut werden müssen, lassen Gewerkschaft und Beschäftigte dabei nicht als Grund gelten, auf Tarifgespräche zu verzichten. Man habe schon 2020 aus Solidarität keine Verhandlungen geführt. Jetzt sei es an der Zeit, diese wieder aufzunehmen. Doch die Gespräche verliefen aus Sicht der Arbeitnehmer bislang wenig erfolgreich. „Der Arbeitgeberverband macht keine Angebote, sondern will nur wegnehmen. Dazu geht es bei diesen Verhandlungen nicht um uns als MAN allein, sondern um den Flächentarif“, begründet Uwe Johann, stellvertretender Betriebsrat, warum Warnstreiks nötig geworden seien. Seit 2018 warte man auf Lohnanpassungen, jetzt müsse etwas passieren. Die Kosten der Belegschaft für Miete und Lebenshaltung stiegen schließlich auch stetig.
Ein Argument, hinter dem auch
Xiaoling Shen-Türk steht: „Es kann nicht sein, dass die Arbeitgeber jetzt Corona vorschieben, um an uns zu sparen“, sagt die Frau, die bei MAN in der Entwicklung tätig ist, und erntet dafür Beifall von Kollegen. Einer ruft später über den Platz: „Die Bosse sollen nicht am falschen Ende sparen. Das Geld steht uns zu!“IG Metall-Chef Michael Leppek meint: „Die Beschäftigten sind während Corona trotz gesundheitlicher Risiken in die Betriebe gekommen und haben auch alle anderen Maßnahmen mitgetragen. Da wollen wir jetzt mehr als nur ein Danke-Schreiben.“
Trotz schwieriger Lage bei MAN sei aus seiner Sicht Luft für die Forderungen. „Trotz Corona geht die Welt morgen nicht unter und die Branche ist weitestgehend gut durch die Krise gekommen, dazu bescheinigen viele Experten eine schnelle
Erholung“, sagt der Gewerkschafter. Zudem hätten die MAN-Mitarbeiter in den letzten Monaten bereits deutliches Entgegenkommen gezeigt, um den Abbau der Arbeitsplätze von geplant 1800 Stellen auf rund 800 zu reduzieren. Unter anderem wurde auf Teile des Weihnachts- und Urlaubsgelds verzichtet. „Aber wir wollen jetzt nicht auch noch beim Lohn Abstriche hinnehmen“, so Leppek.
Doch der Gewerkschaftsvertreter schlägt auch sanftere Töne an. Es gehe nicht in jedem Betrieb nur um Lohnerhöhungen. Das geforderte Geld könnte auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen oder der Ausbildung eingesetzt werden. Das unterstützen auch Beschäftigte wie Sven Lassen. „Die vier Prozent können meinetwegen auch in andere Maßnahmen fließen. Nur eine Nullrunde darf es auf keinen Fall geben.“