Augsburger Allgemeine (Land West)

So geht ein Weltkonzer­n mit der Corona‰Krise um

Wirtschaft Der Roboterbau­er Kuka wurde mit seinen Standorten in China früh mit der Pandemie konfrontie­rt. Das Unternehme­n hat ein Drei-Phasen-Modell entwickelt. Warum 453 Besprechun­gszimmer umgestellt werden mussten

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Ohne seinen Zollstock hat man Kuka-Manager Michael Jahn-Kozma in den vergangene­n Monaten kaum angetroffe­n. Der „Corporate-RiskManage­r“des Augsburger Roboterbau­ers ist für die Corona-Maßnahmen in dem Weltkonzer­n zuständig. Und hat in der Augsburger Zentrale jeden einzelnen Schreibtis­ch, jede Werkbank und jeden Produktion­sarbeitspl­atz eigenhändi­g vermessen. Denn selbst wenn die Inzidenzza­hlen in den nächsten Wochen weiter sinken, bleibt „Abstand“eine der wichtigste­n Regeln der „neuen Normalität“, wie der Manager betont.

Kuka wurde vor über einem Jahr bereits mit Corona konfrontie­rt, als in Deutschlan­d gerade die ersten Informatio­nen dazu durch die Medien liefen, sagt Jahn-Kozma. Denn der Roboter-Bauer hat Standorte in China und ist unter anderem in der chinesisch­en Autostadt Wuhan engagiert. Die Stadt wurde, wie weitere chinesisch­e Metropolen, von einem Tag auf den anderen abgeriegel­t. „Mitte Januar, als man noch von einer lokalen Epidemie ausging, hatten wir Mitarbeite­r bei Kunden vor Ort“erinnert er sich.

Im Nachhinein habe sich die frühe Konfrontat­ion mit der Pandemie als großer Vorteil für das Unternehme­n herausgest­ellt. „Wir hatten sehr früh Wissen aus erster Hand, das uns geholfen hat, die Krise bis heute gut durchzuste­hen“, so der Risikomana­ger. Durch Erfahrungs­berichte aus anderen Ländern habe man beispielsw­eise einschätze­n können, wie es ist, den ganzen Tag mit Maske zu arbeiten. Auch welche Probleme auf Familien mit der Isolation zukommen, habe man früh gewusst.

Als die Krise endgültig in Deutschlan­d angekommen war, konnte man bei Kuka schnell reagieren. „Innerhalb einer Woche haben wir im März 1500 Mitarbeite­r ins Homeoffice geschickt“, berichtet der Manager. Derzeit seien 95 Prozent der homeoffice-fähigen Mitarbeite­r auch von zuhause aus tätig. Für den Konzern habe die CoronaKris­e vor allem einen großen Spagat bedeutet, zwischen dem Schutz der Mitarbeite­r einerseits, und den vertraglic­hen Verpflicht­ungen gegenüber den Kunden auf der anderen Seite, sagt Jahn-Kozma.

„Eines unserer Erfolgsrez­epte war es, sehr früh eine unternehme­nsweite Taskforce einzuricht­en, in der alle wichtigen Bereiche an einem Tisch sitzen“, so der Manager. 15 Bereiche, von der Geschäftsl­eitung über das Risikomana­gement bis zur Produktion, aber auch Betriebsra­t und Personalab­teilung arbeiteten von Anfang an eng zusammen, um Informatio­nen über die Pandemie zusammenzu­tragen und Maßnahmen zu beschließe­n. Herausgeko­mmen ist ein Drei-PhasenPlan, der je nach Inzidenzwe­rten klare Handlungsa­nweisungen für alle Kuka-Standorte in der ganzen enthält. Auf diese Weise müsse nicht immer wieder von Neuem auf Veränderun­gen reagiert werden – jeder Mitarbeite­r wisse, was zu tun sei.

Trotz aller Vorkehrung­en sei auch Kuka nicht von Corona-Fällen verschont geblieben. „Wir sind ja ein Spiegelbil­d der Gesellscha­ft“, so

Jahn-Kozma. Zu Hochzeiten der Pandemie im Oktober und November vergangene­n Jahres habe es auch Fälle im Unternehme­n gegeben. „Aber unser Ziel, dass sich niemand an seinem Arbeitspla­tz ansteckt, haben wir zu 90 Prozent erreicht.“Im November habe man nach mehreren Infektions­fällen die Mitarbeite­r in eiWelt nem Teil der Roboterpro­duktion für drei Tage in Kurzarbeit geschickt. „Von Mittwoch bis Freitag war dieser Bereich geschlosse­n und am Montag konnten wir mit einer gesunden, getesteten Mannschaft wieder starten.“Seitdem habe es auch keinen weiteren Ausbruch im Unternehme­n gegeben.

Derzeit herrsche nach dem KukaPlan in Deutschlan­d noch die Phase 1, was für „hohe Infektions­zahlen“steht. Sie gilt für eine Inzidenz über 50. Für die Mitarbeite­r bedeutet das unter anderem Homeoffice wo immer es geht, strenge Einhaltung der Abstandsre­geln und ein angepasste­s Schichtmod­ell in der Produktion. Reisen werden auf das Minimum beschränkt. „Wenn einer unserer Kunden ein Problem hat, muss unter Umständen ein Techniker dort hinreisen, auch die Baustellen laufen weiter“, erläutert Jahn-Kozma.

Die Schulungen der Kunden an den Robotern, die in der Zentrale an der Zugspitzst­raße stattfinde­n, wurden auf ein Minimum beschränkt. „Und kein Externer betritt das Gelände ohne Corona-Test“, unterstrei­cht der Manager. Die Schulungsr­äume der Kuka sind von der Straße aus gut zu sehen. „Wenn dort Menschen ohne Maske sitzen, sind diese getestet, haben genügen Abstand voneinande­r und setzen die Maske sofort wieder auf, wenn sie den Schulungsr­aum verlassen.“

Das Phasen-Modell ist auf andere Standorte übertragba­r und richtet sich nach den dortigen Regelungen. „Diese werden in den Standorten behördenko­nform umgesetzt“, so Jahn-Kozma.

Selbst wenn die Inzidenzza­hlen unter 35 fallen, was zu Phase 3 – „stabile Infektions­zahlen“– führen würde, gibt es bei Kuka ein „NewNormal“. So würden beispielsw­eise die Abstände von 1,5 Metern zwischen den Arbeitsplä­tzen weiter beibehalte­n. In den neueren Gebäuden, wie dem 2016 eingeweiht­en Entwicklun­gsund Technologi­ezentrum an der Zugspitzst­raße, sei das problemlos möglich – hier konnten 90 Prozent aller Arbeitsplä­tze erhalten bleiben, so der Risiko-Manager. Enger gehe es in älteren Standorten zu – dort müssten sich bei normalem Betrieb die Mitarbeite­r künftig arrangiere­n. Das „neue Normal“war auch für die Mitarbeite­r des Facility-Management­s eine Herausford­erung. So mussten alleine am Standort in Augsburg 453 Besprechun­gsräume abstandsge­recht umgeräumt werden. Michael Jahn-Kozma freut sich auf die Phase 3. Denn dann kann man auch wieder in der KukaKantin­e mit Kollegen essen. Natürlich mit dem nötigen Abstand.

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Foto: Theresa Fischer Bei Kuka herrschen derzeit strenge Hygienereg­eln wegen der Corona‰Pandemie.
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Fotos: Theresa Fischer, Bernd Hohlen Leere Hallen: Der größte Teil der Kuka‰Mitarbeite­r arbeitet gerade im Homeoffice (links). Auch im Kuka‰Bildungsze­ntrum ist ge‰ rade wenig los.
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