Augsburger Allgemeine (Land West)
Große Resonanz und starke Premieren
Die New York Times schreibt über das Augsburger Festival, die Leiter spüren schon Erschöpfung, die neuen Beiträge überzeugen
Leichte Erschöpfung macht sich breit, auch wenn das Brechtfestival in diesem Jahr im digitalen Raum stattfindet. Die beiden Leiter des Festivals, Tom Kühnel und Jürgen Kuttner, verwandeln am Donnerstagabend das Babylon-Kino in Berlin zum siebten Mal zur Brechtfestival-Zentrale und sprechen dort live mit Künstlern – wie immer mit klarerer Rollenverteilung: Kuttner redet, Kühnel sitzt tiefentspannt daneben und meldet sich nur so knapp wie nötig, ein Moderatoren-Paar mit Kabarettpotenzial.
Am Donnerstagabend bewegt sich der Talk mit Girisha Fernando, dem Langzeit-Kurator musikalischer Festivalbeiträge, sowie mit den Schauspielern Charly Hübner und Winnie Böwe eher an den Oberflächen des Arbeitens, wie schwierig das und jenes gewesen sei. Aber das darf auch sein. Denn das digitale Brechtfestival hat es trotzdem geschafft, medial richtig zu zünden. Wahrscheinlich auch dadurch, dass eine Anreise nicht mehr nötig war, hat die New York Times ausführlich über das Brechtfestival berichtet, eine Premiere.
Diese haben am Donnerstagabend auch drei musikalische Beiträge. Die Schauspielerin Winnie Böwe und der Musiker Felix Kroll haben sich Elisabeth Hauptmanns „Happy End“vorgenommen. „Happy End für Eilige“heißt das bei ihnen. Böwe fasst die Handlung zwischen den Songs kurz zusammen. Es geht um die Lieder, die Brecht und Weill geschrieben haben. Neben den oft gehörten wie „Bilbao-Song“und „SurabayaJohnny“bekommt man auch mal die anderen Stücke von „Happy End“zu hören – von Böwe und Kroll reduziert, aber intensiv präsentiert.
Anders geht Hanna Hilsdorf, Schauspielerin am Wiener Burgtheater, vor, die vergangenes Brechtfestival kurzerhand als Sängerin für eine erkrankte Kollegin eingesprungen ist. Jetzt tritt Hilsdorf mit der Punk-Band Goshawk vor die Kamera. Die Brecht-Songs singt sie wie ein unschuldiges Mädchen, das musikalisch vom bösen Wolf, sprich Goshawk, umgarnt wird. Jederzeit könnte es laut werden und kippen. Man hätte davon gerne mehr gehört.
Was ebenso für die letzte Premiere des Abends gilt: Die Sängerin Balbina und die Pianistin Yoonji Kim haben im Textilmuseum zwei Songs aufgenommen. Kim spielt mit kantigem Anschlag die SeeräuberJenny, für Balbinas Stimme das gefundene Fressen, erst dann kommt die Moral – diese mit dem BalbinaSong „Nichtstun“, vor fünf Jahren veröffentlicht und jetzt in Pandemieund Lockdown-Zeiten schmerzlich aktuell. „Ich muss was gegen das Nichtstun tun, denn das Nichtstun tut mir gar nicht gut.“