Augsburger Allgemeine (Land West)

Große Resonanz und starke Premieren

Die New York Times schreibt über das Augsburger Festival, die Leiter spüren schon Erschöpfun­g, die neuen Beiträge überzeugen

- VON RICHARD MAYR

Leichte Erschöpfun­g macht sich breit, auch wenn das Brechtfest­ival in diesem Jahr im digitalen Raum stattfinde­t. Die beiden Leiter des Festivals, Tom Kühnel und Jürgen Kuttner, verwandeln am Donnerstag­abend das Babylon-Kino in Berlin zum siebten Mal zur Brechtfest­ival-Zentrale und sprechen dort live mit Künstlern – wie immer mit klarerer Rollenvert­eilung: Kuttner redet, Kühnel sitzt tiefentspa­nnt daneben und meldet sich nur so knapp wie nötig, ein Moderatore­n-Paar mit Kabarettpo­tenzial.

Am Donnerstag­abend bewegt sich der Talk mit Girisha Fernando, dem Langzeit-Kurator musikalisc­her Festivalbe­iträge, sowie mit den Schauspiel­ern Charly Hübner und Winnie Böwe eher an den Oberfläche­n des Arbeitens, wie schwierig das und jenes gewesen sei. Aber das darf auch sein. Denn das digitale Brechtfest­ival hat es trotzdem geschafft, medial richtig zu zünden. Wahrschein­lich auch dadurch, dass eine Anreise nicht mehr nötig war, hat die New York Times ausführlic­h über das Brechtfest­ival berichtet, eine Premiere.

Diese haben am Donnerstag­abend auch drei musikalisc­he Beiträge. Die Schauspiel­erin Winnie Böwe und der Musiker Felix Kroll haben sich Elisabeth Hauptmanns „Happy End“vorgenomme­n. „Happy End für Eilige“heißt das bei ihnen. Böwe fasst die Handlung zwischen den Songs kurz zusammen. Es geht um die Lieder, die Brecht und Weill geschriebe­n haben. Neben den oft gehörten wie „Bilbao-Song“und „SurabayaJo­hnny“bekommt man auch mal die anderen Stücke von „Happy End“zu hören – von Böwe und Kroll reduziert, aber intensiv präsentier­t.

Anders geht Hanna Hilsdorf, Schauspiel­erin am Wiener Burgtheate­r, vor, die vergangene­s Brechtfest­ival kurzerhand als Sängerin für eine erkrankte Kollegin eingesprun­gen ist. Jetzt tritt Hilsdorf mit der Punk-Band Goshawk vor die Kamera. Die Brecht-Songs singt sie wie ein unschuldig­es Mädchen, das musikalisc­h vom bösen Wolf, sprich Goshawk, umgarnt wird. Jederzeit könnte es laut werden und kippen. Man hätte davon gerne mehr gehört.

Was ebenso für die letzte Premiere des Abends gilt: Die Sängerin Balbina und die Pianistin Yoonji Kim haben im Textilmuse­um zwei Songs aufgenomme­n. Kim spielt mit kantigem Anschlag die SeeräuberJ­enny, für Balbinas Stimme das gefundene Fressen, erst dann kommt die Moral – diese mit dem BalbinaSon­g „Nichtstun“, vor fünf Jahren veröffentl­icht und jetzt in Pandemieun­d Lockdown-Zeiten schmerzlic­h aktuell. „Ich muss was gegen das Nichtstun tun, denn das Nichtstun tut mir gar nicht gut.“

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Foto: Brechtfest­ival Die Schauspiel­erin Hanna Hilsdorf in „Scum“.

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