Augsburger Allgemeine (Land West)
Bis der Geduldsfaden zu reißen droht
Internet Kein Anschluss, kein Techniker, kein Service in der Hotline: Immer wieder beklagen Verbraucher, dass sie von Providern bei Problemen im Stich gelassen werden. Was man tun kann, wenn einem die Hotline nicht weiterhilft
Augsburg/Dasing Alle reden über Digitalisierung, aber nicht nur positiv. Vieles geht viel zu langsam – lautet die weitverbreitete Klage. Das fängt in der Politik an mit der Ausstattung der Schulen, geht weiter über zu langsame Leitungen in Fest- oder Mobilfunknetz und es reicht hin sogar bis zur Frage, wie man überhaupt erst mal einen Anschluss ans weltweite Web bekommt. Der ist ein Muss, gerade in Pandemiezeiten mit Homeoffice und Homeschooling. Da ist jeder Tag ohne Zugang einer zu viel.
Walter Dosch aus Dasing (Kreis Aichach-Friedberg) hat es erlebt. Anfang Februar wendet er sich hilfesuchend an seine Heimatzeitung, weil er nicht mehr weiter weiß: Als Vermieter kümmert er sich um den Internetvertrag für eine ausländische Familie, bei der die Eltern Sprachbarrieren haben. In dem Haus gab es bisher keinen Internetanschluss. So haben die Kinder im Grundschulalter keine Möglichkeit, zu Hause am Distanzunterricht über Videokonferenzen teilzunehmen. Eine Situation, die Dosch nicht ruhen ließ. Er versuchte, wie er es schildert, nahezu täglich, um bei der einen Termin mit einem Techniker zu vereinbaren. Doch weder über die Homepage noch über die Hotline kam er voran.
Dosch erzählt, zusammengerechnet dutzende Stunden in der Warteschleife gefangen gewesen und von einem Mitarbeiter zum nächsten weitergeleitet worden zu sein. „Ständig hast du jemand anderen am Telefon, mal ist es ein Sprachroboter, mal ein echter Mensch, aber keiner kann dir helfen.“Dosch notiert alle Telefonate. „Einmal hat man mir gesagt, es würde bis zu 16 Wochen dauern.“Viel zu lange, sagt der Dasinger. Die vom Anbieter vorgeschlagene Notlösung, eine – deutlich teurere – Internetverbindung über Funk einzurichten, scheitert an einem Funkloch um das Haus. Dosch reißt der Geduldsfaden.
Als unsere Redaktion die Presseabteilung des Internetanbieters mit Doschs Misere konfrontiert und für eine Berichterstattung Fragen stellt, kommt Bewegung ins Spiel. Die Telekom ruft noch am selben Tag bei Dosch an und macht einen Termin mit einem Techniker aus.
Seit Freitag nun ist die ausländische Familie ans World Wide Web angeschlossen – Vermieter Dosch kann aufatmen. Dass die Telekom wegen der technischen Gegebenheiten vor Ort nur einen Anschluss mit einer Leitungsgeschwindigkeit von 16 Mbit/Sekunde einrichten konnte, gerät erst mal in den Hintergrund. „Das ist besser als nichts.“
Aber warum werden Kunden immer wieder auf die Geduldsprobe gestellt? Ein Telekom-Sprecher sagt auf Anfrage: „Grundsätzlich versuchen wir alles, um den Kunden das gewünschte Produkt so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen.“
Abhängig vom technischen Aufwand, der Notwendigkeit der Lieferung von Endgeräten, Zugangsdatenversand oder Auftragsbestätigung per Post liege die Vorlaufzeit im Normalfall bei vier Arbeitstagen. „Wenn unsere Techniker die Infrastruktur verändern müssen oder erst ein Leitungsweg gebaut werden muss, kann es auch länger dauern.“
Laut Telekom buchen Kunden in der Pandemie vermehrt höhere Internetgeschwindigkeiten, besonders gefragt ist die 100er-Leitung. Wer seinen bestehenden Vertrag aufstoTelekom cken will, kann mit schneller Bearbeitung rechnen. Die Telekom schaltet nach eigenen Angaben, wie die meisten anderen Anbieter, den schnelleren Anschluss im Normalfall am nächsten Arbeitstag.
Mehr Störungen als sonst seien in der Corona-Zeit nicht aufgetreten, sagt der Telekomsprecher. „Unsere Netze sind bereits seit dem ersten Lockdown absolut stabil.“Nur bei einem Kabelanschluss könne es in Stoßzeiten Einbußen bei der Internetgeschwindigkeit geben, da sich oft mehrere Haushalte eine Bandbreite teilen.
Lange Wartezeiten in den Hotlines mag der Telekomsprecher nicht bestätigen: In der Regel würden Kunden zwei bis drei Minuten warten, bis sie zu einem Mitarbeiter durchgestellt werden. Weil im Lockdown die Läden geschlossen sind und deutlich mehr Kunden bei der Hotline anrufen, habe man den Telefonservice personell mit etwa 800 Mitarbeitern aus den Filialen und Shops aufgestockt.
Rechtsanwältin Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern rät Kunden, die mit ihren Anliegen bei Internetanbietern nicht zeitnah weiterkommen, sich schriftlich per Einschreiben an das jeweilige
Unternehmen zu wenden. „Man setzt eine realistische Frist, bis zu welchem Zeitpunkt eine Leistung erbracht werden muss und behält sich eine Kündigung vor.“
Eine andere Möglichkeit führt über die Bundesnetzagentur. Diese bietet auf ihrer Homepage www.bundesnetzagentur.de ein Verbraucherportal, auf dem man Infos findet und auch Beschwerde einlegen kann. Die Behörde kontrolliert die Provider und kann sie bei Vertragsbrüchen sanktionieren. Die Bundesnetzagentur hat auch eine Schlichtungsstelle.
Auf der Seite kann man die Internetgeschwindigkeit des eigenen Anschlusses in Echtzeit messen und prüfen, ob sie mit der gebuchten Geschwindigkeit übereinstimmt. Ist diese nachweislich deutlich schlechter als vertraglich zugesichert, sollten Kunden die Anbieter schriftlich informieren und eine angemessene Frist von zwei Wochen zur Abhilfe setzen. Ist die gemessene Real-Geschwindigkeit danach immer noch unter der vereinbarten Bandbreite, reicht das laut Verbraucherschützern als Grund, seinen Vertrag außerordentlich zu kündigen. Auch ein Wechsel in einen kostengünstigeren Tarif ist dann möglich.
Viele Kunden buchen schnellere Anschlüsse