Augsburger Allgemeine (Land West)
Kunst am Baum mit der Motorsäge
Handwerk Stefan Bauer schnitzt unter lautem Getöse filigrane Holzskulpturen. Der 43-Jährige zeigt seine Fertigkeiten auch bei Wettbewerben. Wie er zu diesem ungewöhnlichen Hobby kam
Die Bewohner einer Anlage in der Neuburger Straße in Lechhausen stehen seit einigen Tagen unter Beobachtung. In der Grünanlage vor den Häuserblöcken haben sich zwei Eulen eingenistet, die das Geschehen vor ihren Augen rund um die Uhr im Blick haben. Die Vögel machen aber weder Dreck, noch gehen sie nachts auf Beutefang. Sie sind aus Holz, entstanden aus zwei Baumstümpfen.
Beim Betrachten der Skulpturen, deren Federkleid und Krallen die Liebe zum Detail verraten, fällt einem unwillkürlich der Begriff „Kunst am Baum“ein. Geschaffen hat die beiden Figuren aber kein klassischer Bildhauer mit dem Messer, sondern Stefan Bauer, der im Brotberuf als Ausbilder bei der IHK Akademie in Kriegshaber beschäftigt ist. Der 43-Jährige ist kein Künstler der leisen Art. Seine Figuren entstehen unter lautem Getöse, denn er schnitzt sie mit der Motorsäge. Auch als er in Lechhausen sein Werkzeug anwarf, schauten manche Nachbarn erst mal argwöhnisch aus dem Fenster und strömten an den Ort des Geschehens. Doch Bauer weiß: Wenn die Menschen dann sehen, was aus der „Ruhestörung“entsteht, sind sie in aller Regel wieder versöhnt – oder gar begeistert. Auch von den Anwohnern in der Neuburger Straße habe er letztlich viele positive Rückmeldungen erhalten.
Der Maschinenbautechniker, der in Friedberg-Stätzling lebt, ist seit einigen Jahren in seiner Freizeit als Kettensägenkünstler unterwegs. Mit dem Werkzeug kann er schon seit seiner Jugendzeit umgehen: „Ich habe mir während der Lehre die erste Motorsäge gekauft, um bei der Oma die Obstbäume zuzuschneiden.“Es blieb nicht bei gärtnerischen Pflegearbeiten. Als Bauer bei einem „Männerwochenende“einen Sägen-Schnitzer traf, fing er rasch Feuer für das ungewöhnliche Handwerk. Heute nennt er mehr als 20 Sägen, die er für seine filigrane Arbeit mit kleineren Spitzen und feineren Ketten ausgestattet hat, sein Eigen.
Damit die teuren Gerätschaften nicht allzu sehr ins Geld gehen, gibt der Familienvater in seiner Freizeit Schnitzkurse, nimmt an Showwettbewerben teil und erledigt Auftragsarbeiten. All diese Jobs seien durch Corona schon im vergangenen Jahr weitgehend brachgelegen, bedauert Bauer. Umso mehr habe er sich gefreut, dass er nach der Winterpause kürzlich an einem vorfrühlingshaften Wochenende die schon länger mit dem Grundstückseigentümer vereinbarte Arbeit in der Neuburger Straße 130 angehen konnte. Dort standen die Überbleibsel eines Kirschbaums und vermutlich einer Lärche schon länger in der Grünanlage. Die Bäume seien morsch bzw. von Schädlingen in Mitleidenschaft gezogen gewesen, weiß Bauer. „Bei der Lage der Eulen-Gesichter habe ich mich deshalb an den Rissen und der Struktur des Holzes orientiert.“
Dass er, wie so oft, Eulen geschaffen hat, sei ein Wunsch des Hausbesitzers gewesen. „Ich hätte auch einen Bär, einen Adler oder etwas Abstraktes machen können.“Für Eulen benötige er mittlerweile keine Vorlage mehr, bei anderen Kreaturen orientiere er sich an Bildern von echten Tieren, verrät er.
Das Raubtier und der Greifvogel gingen bei einem seiner Werke sogar eine Liaison ein. Als im vergangenen Sommer zwischen Friedberg und Wulfertshausen eine Linde einem Blitzschlag zum Opfer fiel, schnitzte der 43-Jährige aus den Überresten ein Ensemble aus den beiden Tieren und einem Baum. Nicht nur in diesem Fall erfüllt den Künstler sein Werk mit Freude. „Es ist schön, wenn mit einer Maschine, die eigentlich zum Zerstören geschaffen ist, etwas Neues entsteht.“Er selbst kann bei der körperlich harten Arbeit gut abschalten. „Viele fragen sich, wie das Schnitzen mit der Motorsäge eine Entspannung sein kann. Doch wenn ich meinen Gehörschutz aufsetze und loslege, dann bin ich in meiner Welt.“
Etwa elf Stunden Arbeitszeit hat Stefan Bauer in die beiden Eulen in Lechhausen investiert – inklusive einer abschließenden Ölpflege als Schutz vor Wind und Wetter. Jetzt muss der Künstler, der unter der Adresse www.carving-kreaturen.de eine eigene Webseite betreibt, erst mal warten, welche Aufträge und Veranstaltungen ihn dieses immer noch von Corona geprägte Jahr beschert. Als leidenschaftlicher Ausbilder sehnt sich Bauer nach seinen Schnitzkursen, die ihn immer wieder ob der Ergebnisse staunen lassen. Trauen dürfen sich übrigens nicht nur Männer. „Ich hatte mal eine junge Dame im Kurs, die noch nie eine Säge in der Hand hatte, aber eine schönere Eule zustande brachte als ihr Freund.“