Augsburger Allgemeine (Land West)
Was die Landtagswahlen für CDUChef Laschet bedeuten
In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gibt es an diesem Wochenende einen ersten politischen Stimmungstest. In beiden Bundesländern sieht es schlecht aus für die CDU. Welche Signale der Start des Superwahljahrs nach Berlin senden wird
Augsburg/Berlin Am Ende ist es ausgerechnet der Grüne Winfried Kretschmann, der die Union in Schutz nehmen muss. Beim Masken-Skandal handle es sich um das Fehlverhalten Einzelner, sagt der Ministerpräsident von BadenWürttemberg gewohnt pragmatisch. „Keine Partei ist davor gefeit, dass sie solche Leute in den eigenen Reihen hat.“Der Fehler sei schnell korrigiert worden. Das sei das Positive, dass gezeigt werde, dass die Demokratie schnell darauf reagiere und man so etwas nicht zulasse. In der Union selbst nimmt man die Affäre um Provisionszahlungen an Abgeordnete für deren Masken-Geschäfte nicht ganz so locker. „Wir befinden uns in der schwersten Krise seit der Spendenaffäre. Nur wenn wir mit aller Konsequenz und Härte reagieren, werden wir wieder Vertrauen zurückgewinnen können“, sagte Fraktionsvize Gitta Connemann in dieser Woche.
Statt das Thema als „unschöne Geschichte“abzutun und einfach auszusitzen, schalten CDU und CSU in den Angriffsmodus und distanzieren sich in ungewöhnlich scharfer Form von den in Ungnade gefallenen Abgeordneten Georg Nüßlein (inzwischen Ex-CSU-Mitglied) und Nikolas Löbel (inzwischen ExCDU-Mitglied). Die Abgrenzung dürfte auch gespeist sein aus dem bangen Blick auf dieses Superwahljahr: Neun Wahlen stehen 2021 im Kalender – sechs Landtagswahlen, zwei Kommunalwahlen und schließlich die Bundestagswahl. Und anders als so manche Umfrage vermuten lässt, ist die Lage so dynamisch wie lange nicht mehr.
Wie schnell sich die politische Stimmung im Land ändern kann, zeigt eine aktuelle Umfrage des Forsa-Instituts. „Das hohe Vertrauen, das sich die Union in der CoronaKrise durch von der Mehrheit der Menschen erwartetes konsequentes Handeln erworben hatte, verflüchtigt sich in dem Maße, wie parteitaktisches Denken wieder Oberhand gewinnt“, beschreibt Forsa-Chef Manfred Güllner die Lage. „Noch sind CDU und CSU die mit Abstand stärkste politische Kraft im Land – doch der Vorsprung vor den politischen Wettbewerbern schrumpft merklich.“In der Frage nach dem Vertrauen in die politische Kompetenz sind die Werte von CDU/CSU auf 30 Prozent gesunken – fünf Prozentpunkte weniger als in der Vorwoche und sogar zehn weniger als im Januar. „SPD und Grünen allerdings trauen jeweils nur sechs Prozent der Bürger zu, mit den Problemen in Deutschland am besten fertigzuwerden“, so Güllner.
Der erste Stimmungstest steht schon an diesem Wochenende an: Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wählen jeweils einen neuen Landtag. In beiden Bundesländern hat die CDU nichts zu gewinnen – dafür umso mehr zu verlieren. Sollte vor allem die Klatsche für die CDU-Kandidatin in Stuttgart, Susanne Eisenmann, so heftig ausfallen, wie Beobachter dies erwarten, färbt das unweigerlich auch auf den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet ab. Taugt er vielleicht doch nicht als Zugpferd? Verstärkt sich sein Image als netter, aber irgendwie auch halbherziger Parteichef? Kaum dass am Sonntag die ersten Hochrechnungen laufen, wird ein Deutungskampf entbrennen – doch egal, wie er ausgeht: Auf Rückenwind sollte Laschet nicht hoffen.
Für ihn ist dies eine paradoxe Situation: Denn der mangelnde Rückhalt für seine Parteifreunde in der Bevölkerung im Südwesten dürfte vor allem an deren eigenem Kurs liegen – und der unterscheidet sich von seinem eigenen fundamental. Die baden-württembergische CDU hatte sich im Kampf um den Parteivorsitz für Friedrich Merz starkgemacht, sie gilt als konservativer als die Bundes-CDU mit ihrem MitteKurs der Kanzlerin. Auch die umstrittene Werteunion – ein Stachel im Fleisch Laschets – ist im Südwesten verankert. Der konservative Christian Freiherr von Stetten aus Künzelsau, Chef des Parlamentskreises Mittelstand in der Bundestagsfraktion, war einer der stärksten Fürsprecher des Merz-Kurses. Von den Umfragewerten der BundesCDU können die Parteifreunde zwischen Karlsruhe und Konstanz nur träumen. Seit Jahren gelingt es der Partei in Baden-Württemberg mit ihrem konservativen Kurs nicht, die veränderten Wählerschichten von sich zu überzeugen. Denn die schwärmen für Winfried Kretschmann, der so etwas wie die menschgewordene schwarz-grüne Koalition ist.
Apropos Koalition: Auch das wird eine Frage sein, die sich nach diesem Wochenende für die CDU in Berlin stellt. In Mainz dürfte nach jetzigem Stand die Ampel-Koalition eine Fortsetzung finden, in Stuttgart haben die Grünen fast schon freie Partnerwahl. Doch es könnten sich auch andere gegen Kretschmann verbünden. Möglich wären laut
Umfragen: Grüne + CDU, also eine Fortführung der sogenannten KiwiKoalition. Grüne + SPD + FDP, das heißt eine Ampel-Koalition wie in Rheinland-Pfalz. Oder auch CDU + SPD + FDP, die schwarz-rot-gelbe Deutschland-Koalition. Letztere ist unwahrscheinlich, da die SPD im Ländle kaum der CDU zurück an die Macht helfen wird. Die Gedankenspiele
zeigen aber, dass es immer schwieriger wird, Mehrheiten für eine Koalition im eigenen politischen Lager zu finden. Selbst politische Gegner, wie es Union und Grüne lange waren, müssen sich zusammenschließen.
Für viele Wähler hat das einen Reiz, weil es scheinbar das Beste aus zwei Welten verspricht. Im Alltag ist das Ringen um Kompromisse oft schmerzhaft, wie die vergangenen vier Jahre in Stuttgart gezeigt haben. Dort wurden unter GrünSchwarz immer wieder Themen ausgespart, weil die Partner nicht zueinanderfanden. Das schränkt die Handlungsfähigkeit ein und schleift das eigene Profil ab – was wiederum dazu führen kann, dass der Frust der Bürger wächst und Parteien am Rand profitieren. Andererseits hat die Zusammenarbeit der ungleichen Parteien auch gezeigt, dass sie nicht im Chaos enden muss. Sowohl die CDU als auch die Grünen konnten ihr Gesicht wahren. Eine Wiederauflage der Koalition wäre damit auch ein starkes Signal nach Berlin. Möglich wäre sie theoretisch. In der aktuellen Forsa-Umfrage kommen Union und Grüne zusammen auf 51 Prozent. Was es zur Umsetzung bräuchte, wären pragmatische Führungspersönlichkeiten – und den politischen Willen. Laschet flirtet lieber mit der FDP, lobt das Bündnis mit den Liberalen in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Aber auch eine Ampel-Koalition in Baden-Württemberg dürfte dem CDU-Chef nicht gefallen. Er hatte bereits mehrfach gewarnt, dass die anderen Parteien alles tun würden, um die CDU aus der Regierung zu drängen. Wenn das Bündnis sowohl in Rheinland-Pfalz als auch im Südwesten zur Anwendung kommt, verstärkt das den Druck auf den Bund. Vor allem durch den Weggang von Angela Merkel könnten Grüne, SPD und FDP so für einen echten politischen Wechsel und eine strukturelle Veränderung sorgen. Der neue Generalsekretär der FDP, Volker Wissing, sagte im Interview mit der Zeit jedenfalls schon mal: „Die CDU ist nicht mehr unser natürlicher Koalitionspartner.“
Die Umfragewerte der Union werden schlechter
Selbst die FDP flirtet inzwischen mit den Grünen