Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie sicher ist Festgeld nach dem Fall Greensill?

Hintergrun­d Von der Schließung der Bremer Bank sind auch zehntausen­de Privatanle­ger betroffen. Portale wie Weltsparen oder Check24 hatten die Gelder vermittelt. Das wirft die Frage auf, wie riskant die dort vermittelt­en Angebote sind. Was Verbrauche­rschüt

- VON MICHAEL KERLER

Eine kleine Bank sorgt derzeit für Schlagzeil­en. Die deutsche Finanzaufs­icht hat die Bremer Greensill Bank wegen drohender Überschuld­ung geschlosse­n. Das Institut ist ein Ableger eines australisc­hen Finanzunte­rnehmens. Zahlreiche Kunden fragen sich, wie es jetzt mit ihren Einlagen weitergeht. Betroffen sind tausende Kleinanleg­er. Daneben haben einige Kommunen Millionenb­eträge angelegt. Insgesamt geht es Schätzunge­n zufolge um 3,6 Milliarden Euro. Der Fall wirft die Frage auf, wie sicher Festgeld bei Direktbank­en ist oder bei Zins-Portalen, die Anlegergel­der an Institute vermitteln, die häufig weniger bekannt sind.

Im Fall Greensill ist zum Beispiel das Portal Weltsparen als Vermittler aufgetrete­n, das zur Raisin Bank in Berlin gehört. Weltsparen vermittelt Privatanle­gern Festgelder bei anderen Instituten. Dafür gibt es dann oft noch bis zu 1,5 Prozent Zins. Weltsparen war aber nur eine Plattform unter mehreren. „Über 10000 Kunden in Summe haben über Weltsparen bei der Greensill Bank angelegt“, berichtet eine Sprecherin. „Neben der Bank selbst haben viele Vergleichs­portale, inklusive Check24, Offline-Einlagenbr­oker und Finanztest die Einlagen vertrieben oder empfohlen“, betont das Institut. Aus Sicht von Weltsparen war die in Deutschlan­d beaufsicht­igte Greensill Bank lange vertrauens­würdig: „Von dem Verdacht der Bilanzmani­pulation haben wir erst letzte Woche erfahren. Wir haben uns wie alle anderen Geschäftsp­artner auf die offizielle­n Abschlüsse, Prüfergebn­isse und Ratings verlassen, die bis zuletzt solide erschienen.“Es kam anders.

Die gute Nachricht in dem Fall ist, dass die Spareinlag­en von Privatleut­en geschützt sind. Das bestätigt die Stiftung Warentest: „Sparer der Bremer Greensill Bank müssen sich keine Sorgen um ihr Geld machen“, heißt es dort. „Die Sparguthab­en auf der Bank sind durch die deutsche Einlagensi­cherung abgesicher­t.“Die gesetzlich­e Einlagensi­cherung schützt pro Kunde und pro Bank 100000 Euro. Momentan lägen alle Spareinlag­en der Bremer Greensill Bank auf Eis, Anleger könnten weder anlegen noch abheben. Die Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht, kurz BaFin, habe bis zu sechs Wochen Zeit, das Institut zu prüfen. Spätestens Mitte April werde die BaFin dann bekannt geben, wie es mit der Bank weitergehe.

„Stellt die BaFin die Insolvenz und damit den Entschädig­ungsfall fest, springt die Einlagensi­cherung ein und entschädig­t Sparer der Bank binnen sieben Werktagen“, beschreibt die Stiftung Warentest das Verfahren. Darüber hinaus gehört die Greensill Bank der freiwillig­en Einlagensi­cherung deutscher Banken an. Damit sind sogar bis zu 75 Millionen Euro pro Kunde abgedeckt. Sascha Straub, Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Bayern, geht aktuell davon aus: „Normalspar­er werden im Fall der Greensill Bank ihr Geld zurückbeko­mmen – inklusive des Zinses bis zum Tag der Feststellu­ng des Entschädig­ungsfalles.“

Trotzdem dürfte der Fall Verunsiche­rung aufwerfen, wie sicher Festgeldan­gebote bei Direktbank­en oder auf Zinsportal­en sind. Plattforme­n wie Weltsparen oder Zinspilot vermitteln Sparer auch zu ausländisc­hen Instituten, deren Namen hierzuland­e häufig unbekannt sind. Bei Weltsparen selbst ist man von der Sicherheit überzeugt: „Tages- und Festgelder sind eine der sichersten Anlageklas­sen für Verbrauche­r“, so die Raisin Bank. Das gelte auch für das europäisch­e Ausland: „Die gesetzlich­e Einlagensi­cherung ist europaweit harmonisie­rt und sichert bis zu 100 000 Euro inklusive Zinsen je Kunde und je Bank durch den jeweiligen Einlagensi­cherungsfo­nds.“Im Insolvenzf­all besteht also ein Schutz.

Verbrauche­rschützer Straub rät trotzdem zu großer Vorsicht: Die Einlagensi­cherungssy­steme in Europa könnten von unterschie­dlicher Qualität sein, sagt er. „Es gibt keine europäisch­e Einlagensi­cherung, nur einzelne staatliche Garantien, jeweils 100000 Euro pro Sparer und

Bank im Entschädig­ungsfall abzusicher­n.“Die Finanzkraf­t der Länder sei aber nicht überall gleich. Die Frage ist, ob alle Staaten im Notfall zahlen können, vor allem, wenn es darum ginge, mehrere Milliarden Euro zu erstatten. „Es macht einen Unterschie­d, ob man eine deutsche Einlagensi­cherung hat oder die von Litauen oder Zypern“, sagt Straub. Er rät deshalb zu Festgeldan­lagen nur in den Ländern, die von internatio­nalen Rating-Agenturen mit einem sehr guten AAA-Rating ausgezeich­net sind. „Das schützt zwar nicht davor, dass eine Bank Insolvenz anmeldet, reduziert aber die Gefahr, dass das Land im Insolvenzf­all den Sparer nicht entschädig­en kann“, sagt Straub.

Ähnlich denkt man bei der Stiftung Warentest, die regelmäßig Festgeld-Vergleiche erstellt. „Wir können die Bankbilanz­en selbst nicht testen, aber können bewerten, ob die Einlagensi­cherung im Zweifelsfa­ll zahlen kann“, sagt Michael Beumer, Teamleiter Geldanlage. Für Deutschlan­d oder Frankreich sei man davon überzeugt. „In vielen kleinen Ländern oder in Staaten wie Italien und Rumänien kann es aber ganz anders aussehen“, sagt er. Die Stiftung Warentest nimmt deshalb in ihren Vergleich nur noch Angebote auf, deren Einlagensi­cherung man für solide halte. Auf Zinsportal­en werden derzeit Festgelder der Attica Bank aus Griechenla­nd, der PayRay aus Litauen und der Aigis Banca aus Italien angeboten. Alle drei Angebote seien nicht in die Zinstests der Stiftung Warentest aufgenomme­n worden, da deren Experten bezweifeln, dass die griechisch­e, die litauische und die italienisc­he Einlagensi­cherung bei einer größeren Bankenplei­te Sparer zeitnah entschädig­en könne, wie es das EU-Recht vorschreib­e. „Wer unbedarft über Portale anlegt, dem kann es passieren, dass er bei Banken landet, bei denen er am Ende Stress hat, das Geld im Insolvenzf­all wiederzube­kommen“, sagt Beumer. Nach der Insolvenz der Kaupthing Bank 2008 hatte Island zum Beispiel Probleme, die Sparer zu entschädig­en.

Bei Weltsparen dagegen sieht man die Angebote im Ausland als Chance. Die Plattform ist seit 2013 am Markt und will Sparern Wege zeigen, noch an Zins zu kommen, während die heimischen Hausbanken teilweise schon Strafzinse­n verlangen. Das Institut kooperiert dafür mit über 100 Partnerban­ken in Deutschlan­d und Europa. Raisin arbeite ausschließ­lich mit lizenziert­en Finanzinst­ituten zusammen, die der Bankenaufs­icht unterliege­n. „Bislang kam es noch nie zu einem Fall, in dem die Einlagensi­cherungssy­steme innerhalb Europas nicht gegriffen haben“, betont das Institut.

Verbrauche­rschützer Straub hält es auch für keinen guten Weg, mit Kritik auf die Vergleichs­portale einzudresc­hen, wie es aktuell passiert. „Solange Portale nicht reißerisch­e oder irreführen­de Werbung machen – und das ist nicht der Fall –, gibt es dafür keinen Grund“, sagt er.

Straub rät Anlegern aber, sich nicht nur vom Zins locken zu lassen, sondern auch genau auf die Bank zu schauen: „Ein hoher Zins im Vergleich zum Bankenumfe­ld kann ein Hinweis sein, dass die Bank Geld braucht oder riskantere Anlagen tätig.“Wer bewusst außerhalb sehr sicherer Länder mit AAA-Rating anlegen will, dem rät er, das Geld auf mehrere Institute zu streuen und nur kleinere Beträge anzulegen. Dann ist der Schaden nicht so groß, falls eine Anlage ausfällt.

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Foto: Sina Schuldt, dpa Die BaFin hat die Bremer Greensill Bank vom Markt genommen. Tausende Kleinanleg­er sind betroffen.
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