Augsburger Allgemeine (Land West)

Auf die CSU ist Verlass

- VON ULI BACHMEIER

Mjub@augsburger‰allgemeine.de

enschen lieben Rituale, und einige davon sind ja auch wirklich nett: Brautstrau­ßwerfen, Ostereiers­uchen, Absackertr­inken. Andere sind eher von Gewinnstre­ben geprägt: Schlussver­kauf, Valentinst­ag, Oktoberfes­t. Und wieder andere können ziemlich gruselig sein: Haberfeldt­reiben, Halloween, Leichensch­maus – seit einiger Zeit auch Pressekonf­erenzen des Robert-Koch-Instituts.

Höchst aufschluss­reich sind unter soziologis­chen Gesichtspu­nkten jene Phasen, in denen mit Ritualen gebrochen wird. So ist es nicht nur der Gender-Debatte, sondern eben auch der Pandemie zu verdanken, dass neuerdings vor dem Fernseher nicht nur über Frauen-Outfits, sondern auch über Männerfris­uren geredet wird. Bis vor kurzem hatte Toni Hofreiter auf diesem Gebiet ein Alleinstel­lungsmerkm­al. Diese Woche hieß es vermutlich vieltausen­dfach in deutschen Wohnzimmer­n: „Ja, da schau her, jetzt war er beim Friseur, der Söder.“Ein Durchbruch hin zu mehr Geschlecht­ergerechti­gkeit ist das zwar noch nicht, aber immerhin ein klitzeklei­ner Schritt.

Dass derlei minimale Fortschrit­te die coronabedi­ngten Verluste an Ritualen (Händeschüt­teln, Abtanzen, Feiern, Bierzeltga­udi) nicht aufwiegen, ist vielfach beklagt worden. Das Virus hat ein tief klaffendes Loch in den Spaß geschlagen, den Rituale zu bieten haben. Nur noch Impfen und Testen, Lockdown hoch und Lockdown runter.

Einzig auf die CSU ist Verlass. Dort wird gerade in klassisch ritualhaft­er Weise versucht, eine Affäre klein zu halten: Einzelfäll­e, Unschuldsv­ermutung, kein Generalver­dacht und selbstvers­tändlich lückenlose Aufklärung. Wenn’s nicht so ärgerlich wäre, könnte man fast sagen: Endlich mal wieder ein altvertrau­tes Ritual.

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