Augsburger Allgemeine (Land West)
Kopetzkys andere deutsche Virengeschichte
Man kann in diesen Zeiten ja schon fragen: Warum sich nun auch noch einen Roman antun, der von einem 50 Jahre zurückliegenden Seuchenausbruch in Deutschland handelt? Aber die Antwort ist einfach: Weil er von Steffen Kopetzky ist. Denn dieser Autor aus Pfaffenhofen an der Ilm hat etwa mit „Risiko“und zuletzt auch „Propaganda“so erzählerisch hinreißende wie klug konstruierte Verarbeitungen deutscher Geschichte abgeliefert, dass man sich ihm nun auch in „Monschau“mit großem Gewinn anvertrauen kann.
Der Titel ist der Ort des Geschehens. Ein Städtchen in der Eiffel, in dem 1962 plötzlich hoch ansteckende und lebensgefährliche Pocken ausbrechen – und das von den dort ansässigen Rither-Werken lebt, die nun ihr weltweit florierendes Geschäft in Gefahr sehen. Menschen zwischen Angst und Wut, Medizin zwischen Politik und Wirtschaft… – wir kennen das. Dieser Autor aber macht daraus viel mehr. Denn mit seinen Hauptfiguren geht es in die Tiefe von Zeit und Gesellschaft: ein Firmenverwalter mit fragwürdiger Vergangenheit, eine Unternehmenserbin mit dem Veränderungsgeist der 60er, ein griechischer Arzt mit Gastarbeiterproblemen. Und dann sind die zwei letzteren inmitten all dem auch noch doppelt infiziert: mit Jazz – und der Liebe. Wieder ein starker Kopetzky also. Wie man dann aufatmet, dass die Seuche nicht eskaliert, seufzt man auch, dass das Buch schon nach 350 Seiten endet… Schon mal vormerken, erscheint am 23. März. Wolfgang Schütz
Steffen Kopetzky: Monschau Rowohlt,
352 Seiten,
22 Euro
Ziemlich lustig dieses Buch. Das nur vorneweg, weil man als Leser bei einem Roman, in dem die aktuellen Identitätsdiskurse abgehandelt werden, mit vielem rechnet, aber sicher nicht damit: dass sich das so launig und unverkrampft liest wie „Identitti“von Mithu Sanyal. Ein Debütroman, aber nicht die erste Veröffentlichung der Düsseldorfer Kulturwissenschaftlerin. Mit zwei viel diskutierten Sachbüchern wurde sie als Autorin bekannt, eines über die „Vulva – Das unsichtbare Geschlecht“und das zweite „Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens“. Und nun also dieser Roman mit seinem schon schön schrägen Titel, in dem Identitätsdebatten ebenfalls mit viel Emotion geführt werden, aber Sanyal klug und trickreich den Boden zum Wanken bringt, auf dem all die wütenden Diskutanten stehen. Und damit alle Gewissheiten ...
Der Auslöser all des Chaos in diesem turbulenten Roman ist die charismatische Saraswati, die an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf Intercultural Studies und Postkoloniale Theorie lehrt. Ein Star, internationale Rednerin, gern gesehener Gast bei Maischberger und Lanz, von ihren Studenten fast abgöttisch verehrt. Wobei Saraswati nicht jeden in ihre Seminare aufnimmt, sondern weißen Studenten auch mal erklärt: „Packt eure Sachen. Ihr könnt nächstes Semester wiederkommen. Dieses Seminar ist nur für Students of Colour.“
Dann aber stellt sich heraus: Saraswati, benannt nach der indischen Göttin der Weisheit, die gerne mit wehender Dupatta den Raum betritt, ist weiß. Geboren als Sarah Vera Thielmann in Karlsruhe, Zahnarztfamilie – Migrationshintergrund: null! Oder auch: eine Biodeutsche also. Die Professorin soll sich erklären, in den sozialen Medien prasseln Wut und Hass auf sie ein, irgendwann folgt auch die Kündigung. Nivedita, eine, wenn nicht die Lieblingsstudentin, fährt zu Saraswati und will sie wegen des Verrats zur Rede stellen. Sie bleibt dann für die nächsten drei Wochen, wird im Shitstorm mitgewirbelt, ringt in einer von der Sommerhitze glühenden Wohnung drei Wochen lang mit... – ja, mit wem eigentlich?
Ein Professor, der sich eine neue Identität gibt... Ein Klassiker der Weltliteratur erzählt diese Geschichte, „Der menschliche Makel“von Philip Roth. Da aber gibt sich der Wissenschaftler als weiß aus, stolpert letztendlich auch über eine Liebesbeziehung zu einer wesentlich jüngeren Putzfrau, die sich wiederum als Analphabetin ausgibt. Identitätendrama. Nun also eine andere