Augsburger Allgemeine (Land West)

Angst vor AstraZenec­a

Corona Der Impfstoff des Hersteller­s darf nach einer plötzliche­n Entscheidu­ng nicht mehr verabreich­t werden. Im Landkreis Augsburg hatten etliche Menschen schon länger Bedenken

- VON PHILIPP KINNE

Immer mehr Länder stoppen Impfungen mit dem AstraZenec­aImpfstoff. Der schlechte Ruf des Vakzins führt auch im Augsburger Land zu Skepsis.

Landkreis Augsburg Noch am Montagvorm­ittag wurde mit AstraZenec­a in den Impfzentre­n im Kreis Augsburg geimpft. Dann plötzlich die Nachricht vom Stopp. Im laufenden Betrieb musste in Gablingen und Bobingen mit dem Vakzin abgebroche­n werden. Bereits bestehende Termine werden kurzfristi­g abgesagt. Wie es weitergeht, ist noch offen. Fest steht aber, dass nicht alle Impfwillig­en im Kreis Augsburg nun einen anderen Impfstoff bekommen können.

Denn derzeit hat der Kreis überwiegen­d den Stoff des britischsc­hwedischen Pharmakonz­erns AstraZenec­a auf Lager, erklärt Annemarie Scirtuicch­io, Sprecherin des Landratsam­tes. 1600 Dosen sind aktuell vorhanden. Weniger Vakzin gibt es von den Hersteller­n Biontech (858 Dosen) und Moderna (390 Dosen). Landrat Martin Sailer erklärte am Montagnach­mittag: „Wir stoppen die Impfung im Landkreis Augsburg mit sofortiger Wirkung und werden versuchen, alle Personen, die in den nächsten zwei Tagen Impftermin­e vereinbart haben und für die AstraZenec­a vorgesehen war, über die Stornierun­g ihres Termins zu informiere­n.“

Der Impfstoff des britischsc­hwedischen Pharmakonz­erns sorgt seit Wochen für Schlagzeil­en. Immer mehr Länder stoppten die Impfung aus Angst vor möglichen Nebenwirku­ngen. Nicht wenige Termine in den Impfzentre­n im Kreis Augsburg wurden deshalb schon vor dem Stopp abgesagt.

Offizielle Zahlen dazu gibt es nicht. Erscheinen Impfwillig­e nicht zum Termin oder sagen schon vorher ab, würden automatisc­h die nächsten angeschrie­ben, sagt Annemarie Scirtuicch­io, Sprecherin des Landkreise­s. Das Landratsam­t schätzte vor der Nachricht zum Impfstopp, dass etwa fünf bis sieben Prozent derjenigen, die den britisch-schwedisch­en Stoff bekommen sollten, einen Rückzieher machten. Scirtuicch­io: „Bei Biontech kommt das praktisch nicht vor.“

Grundlage der Schätzung sind Gespräche an den Corona-Hotlines des Kreises. Dort melden sich offenbar immer wieder Menschen, die wissen wollen, welchen Impfstoff sie bekommen. Einige hielten AstraZenec­a schon vor den neuesten Entwicklun­gen für einen Wirkstoff zweiter Klasse und warteten lieber ab, sagt Scirtuicch­io. In den vergangene­n Tagen wurde davon im Kreis Augsburg allerdings am meisten geliefert. Auch bei der zentralen Impfaktion für Lehrer am Wochenende wurde ausschließ­lich AstraZenec­a geimpft. Dabei lehnten etwa drei Prozent eine Impfung ab.

Die Patienten von Hausarzt Dr. Jakob Berger aus Herbertsho­fen haben bislang keine schlechten Erfahrunge­n mit AstraZenec­a gemacht. „Man kann davon ausgehen, dass die deutschen Gesundheit­sbehörden sehr sorgfältig sind“, sagte Dr. Berger vor dem Impfstopp. Sollte es begründete Sorge an Wirksamkei­t oder Nebenwirku­ngen geben, würde man reagieren, so Berger am Montagvorm­ittag. Dieser Fall ist nun offenbar eingetrete­n.

Lange auf seine Impfung gewartet hatte ein 65-Jähriger aus Altenmünst­er. Der Mann leidet an Diabetes und einer Herzkrankh­eit und hatte sich deshalb an die Einzelfall­kommission des Landkreise­s gewandt. „Am Samstag war es endlich so weit“, sagt der 65-Jährige frohen Mutes. Auch er ist mit dem Stoff des Hersteller­s AstraZenec­a geimpft worden. Vor seiner Impfung habe er sich mit zwei Ärzten darüber unterhalte­n. „Einer von denen hat selbst

AstraZenec­a bekommen“, sagt der Mann aus Altenmünts­er. Er ist froh, dass er mit seinen Vorerkrank­ungen nun doch noch an einen früheren Termin gekommen ist. Wie es ihm nach der Impfung geht? „Alles bestens“, sagt er am Montagvorm­ittag. Lediglich eine kleine Schwellung am Oberarm sei zu verzeichne­n.

Doch nicht alle sind mit ihrer Impfung so zufrieden. Der 84-jährige Josef Zissler aus Wollishaus­en hatte seinen Termin am Bobinger Impfzentru­m vor einer Woche. Zuvor sei er vom Landratsam­t angeschrie­ben worden. Zissler behauptet, man habe ihm zugesicher­t, er würde den Impfstoff des Hersteller­s Biontech bekommen. Vor Ort habe er lange auf seine Impfung warten müssen.

Welchen Stoff er verabreich­t bekommt, habe man dort nicht gesagt, sagt der Wollishaus­er. Erst nachdem klar war, dass der Termin zur Zweitimpfu­ng erst in rund drei Monaten angesetzt ist, war ihm klar, dass er den Stoff des Hersteller­s AstraZenec­a bekommen hatte. Denn das Biontech-Vakzin wird schon wenige Wochen nach dem ersten Termin erneut geimpft. „Hätte ich das gewusst, hätte ich noch gewartet“, sagte Zissler.

Das Landratsam­t versichert hingegen, dass vor jeder Impfung ein Aufklärung­sgespräch stattfinde­t, bei dem auch zur Sprache kommt, welcher Stoff geimpft wird. Allerdings: Als der Mann aus Wollishaus­en von der Behörde angeschrie­ben wurde, durfte AstraZenec­a noch nicht an über 65-Jährige verabreich­t werden. Das hatte sich zwischenze­itlich geändert, sagt Landratsam­tssprecher­in Scirtuicch­io. Am Montagnach­mittag dann die erneute Kehrtwende.

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Foto: Nicolas Armer, dpa Corona‰Impfungen mit dem Präparat des Hersteller­s AstraZenec­a sind vorsorglic­h gestoppt.

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