Augsburger Allgemeine (Land West)
Angst vor AstraZeneca
Corona Der Impfstoff des Herstellers darf nach einer plötzlichen Entscheidung nicht mehr verabreicht werden. Im Landkreis Augsburg hatten etliche Menschen schon länger Bedenken
Immer mehr Länder stoppen Impfungen mit dem AstraZenecaImpfstoff. Der schlechte Ruf des Vakzins führt auch im Augsburger Land zu Skepsis.
Landkreis Augsburg Noch am Montagvormittag wurde mit AstraZeneca in den Impfzentren im Kreis Augsburg geimpft. Dann plötzlich die Nachricht vom Stopp. Im laufenden Betrieb musste in Gablingen und Bobingen mit dem Vakzin abgebrochen werden. Bereits bestehende Termine werden kurzfristig abgesagt. Wie es weitergeht, ist noch offen. Fest steht aber, dass nicht alle Impfwilligen im Kreis Augsburg nun einen anderen Impfstoff bekommen können.
Denn derzeit hat der Kreis überwiegend den Stoff des britischschwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca auf Lager, erklärt Annemarie Scirtuicchio, Sprecherin des Landratsamtes. 1600 Dosen sind aktuell vorhanden. Weniger Vakzin gibt es von den Herstellern Biontech (858 Dosen) und Moderna (390 Dosen). Landrat Martin Sailer erklärte am Montagnachmittag: „Wir stoppen die Impfung im Landkreis Augsburg mit sofortiger Wirkung und werden versuchen, alle Personen, die in den nächsten zwei Tagen Impftermine vereinbart haben und für die AstraZeneca vorgesehen war, über die Stornierung ihres Termins zu informieren.“
Der Impfstoff des britischschwedischen Pharmakonzerns sorgt seit Wochen für Schlagzeilen. Immer mehr Länder stoppten die Impfung aus Angst vor möglichen Nebenwirkungen. Nicht wenige Termine in den Impfzentren im Kreis Augsburg wurden deshalb schon vor dem Stopp abgesagt.
Offizielle Zahlen dazu gibt es nicht. Erscheinen Impfwillige nicht zum Termin oder sagen schon vorher ab, würden automatisch die nächsten angeschrieben, sagt Annemarie Scirtuicchio, Sprecherin des Landkreises. Das Landratsamt schätzte vor der Nachricht zum Impfstopp, dass etwa fünf bis sieben Prozent derjenigen, die den britisch-schwedischen Stoff bekommen sollten, einen Rückzieher machten. Scirtuicchio: „Bei Biontech kommt das praktisch nicht vor.“
Grundlage der Schätzung sind Gespräche an den Corona-Hotlines des Kreises. Dort melden sich offenbar immer wieder Menschen, die wissen wollen, welchen Impfstoff sie bekommen. Einige hielten AstraZeneca schon vor den neuesten Entwicklungen für einen Wirkstoff zweiter Klasse und warteten lieber ab, sagt Scirtuicchio. In den vergangenen Tagen wurde davon im Kreis Augsburg allerdings am meisten geliefert. Auch bei der zentralen Impfaktion für Lehrer am Wochenende wurde ausschließlich AstraZeneca geimpft. Dabei lehnten etwa drei Prozent eine Impfung ab.
Die Patienten von Hausarzt Dr. Jakob Berger aus Herbertshofen haben bislang keine schlechten Erfahrungen mit AstraZeneca gemacht. „Man kann davon ausgehen, dass die deutschen Gesundheitsbehörden sehr sorgfältig sind“, sagte Dr. Berger vor dem Impfstopp. Sollte es begründete Sorge an Wirksamkeit oder Nebenwirkungen geben, würde man reagieren, so Berger am Montagvormittag. Dieser Fall ist nun offenbar eingetreten.
Lange auf seine Impfung gewartet hatte ein 65-Jähriger aus Altenmünster. Der Mann leidet an Diabetes und einer Herzkrankheit und hatte sich deshalb an die Einzelfallkommission des Landkreises gewandt. „Am Samstag war es endlich so weit“, sagt der 65-Jährige frohen Mutes. Auch er ist mit dem Stoff des Herstellers AstraZeneca geimpft worden. Vor seiner Impfung habe er sich mit zwei Ärzten darüber unterhalten. „Einer von denen hat selbst
AstraZeneca bekommen“, sagt der Mann aus Altenmüntser. Er ist froh, dass er mit seinen Vorerkrankungen nun doch noch an einen früheren Termin gekommen ist. Wie es ihm nach der Impfung geht? „Alles bestens“, sagt er am Montagvormittag. Lediglich eine kleine Schwellung am Oberarm sei zu verzeichnen.
Doch nicht alle sind mit ihrer Impfung so zufrieden. Der 84-jährige Josef Zissler aus Wollishausen hatte seinen Termin am Bobinger Impfzentrum vor einer Woche. Zuvor sei er vom Landratsamt angeschrieben worden. Zissler behauptet, man habe ihm zugesichert, er würde den Impfstoff des Herstellers Biontech bekommen. Vor Ort habe er lange auf seine Impfung warten müssen.
Welchen Stoff er verabreicht bekommt, habe man dort nicht gesagt, sagt der Wollishauser. Erst nachdem klar war, dass der Termin zur Zweitimpfung erst in rund drei Monaten angesetzt ist, war ihm klar, dass er den Stoff des Herstellers AstraZeneca bekommen hatte. Denn das Biontech-Vakzin wird schon wenige Wochen nach dem ersten Termin erneut geimpft. „Hätte ich das gewusst, hätte ich noch gewartet“, sagte Zissler.
Das Landratsamt versichert hingegen, dass vor jeder Impfung ein Aufklärungsgespräch stattfindet, bei dem auch zur Sprache kommt, welcher Stoff geimpft wird. Allerdings: Als der Mann aus Wollishausen von der Behörde angeschrieben wurde, durfte AstraZeneca noch nicht an über 65-Jährige verabreicht werden. Das hatte sich zwischenzeitlich geändert, sagt Landratsamtssprecherin Scirtuicchio. Am Montagnachmittag dann die erneute Kehrtwende.