Augsburger Allgemeine (Land West)
Eines der beiden Storchennester muss weichen
Tiere Am Montag wird in Willmatshofen auf der Zinne von St. Vitus ein Bau entfernt. Die Empörung ist groß, doch die Maßnahme ist nicht ohne Grund passiert
Willmatshofen Er ist das Symbol für Glück und Reichtum schlechthin – der Storch. Schließlich ist die Bezeichnung Meister Adebar aus dem mittelhochdeutschen „odebar“abgeleitet und bedeutet in der Übersetzung Heil- oder Segensbringer. Mehrt der Storch dem Aberglauben nach doch den Reichtum der Familien, da er ihnen die Kinder bringt. Auch im Augsburger Land erfreuen sich die Bürger jedes Jahr am Klappern der Vögel und hoffen, dass nach etwa 32 Tagen ein gesunder Nachwuchs aus den Eiern schlüpft. Umso größer war nun in Willmatshofen die Empörung, dass von St. Vitus ein Nest entfernt wurde. Doch die Maßnahme ist nicht ohne Grund passiert und die Erklärung überrascht.
Meister Adebar bringt aber der Legende nach nicht nur die Kinder oder kündigt sie durch sein Klappern an, sondern ist offenbar auch recht fleißig, was den eigenen Nachwuchs betrifft. Und genau dies war auch die Ursache für die Entfernung eines der beiden Storchennester auf der Zinne von St. Vitus. „Es gibt mittlerweile bei den Störchen einen regelrechten Siedlungsdruck“, sagt Anton Burnhauser. Er ist Mitglied im Weißstorch-Betreuernetzwerk Schwaben und engagiert sich seit mehr als 40 Jahren für das Wohl der Tiere.
Rund 170 Storchenpaare leben laut Burnhauser aktuell in ganz Schwaben. Und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Doch der Lebensraum wird im Gegensatz zur steigenden Population nicht größer. Burnhauser vergleicht die Situation mit den ebenfalls immer wertvoller
Bauland für Menschen. Während eine sogenannte „Nachverdichtung“in den Städten und Gemeinden eine sinnvolle Alternative ist, sei dies im Tierreich allerdings nicht möglich. „Die Jungstörche haben noch wenig Erfahrung im Nestbau und orientieren sich daher gerne an bereits vorhandenen Nestern“, erklärt Burnhauser. Dies war auch in Willmatshofen der Fall.
In einer Höhe von 30 Metern hat sich nur wenige Meter neben dem bereits bestehenden Nest ein zweites Storchenpaar auf der Zinne von St. Vitus niedergelassen. „Normalerweise werden junge Vögel von den Altvögeln attackiert und ver
sagt Burnhauser. Die Kirchenstörche von St. Vitus tolerierten jedoch offenbar ihre neuen Nachbarn und ließen sie fleißig bauen. Doch das junge Paar hatte sich kein gutes Bauland ausgesucht. „Störche sind eigentlich architektonische Weltmeister, da sie sehr symmetrisch bauen“, lobt Burnhauser. Doch ist Meister Adebars Behausung erst einmal bezugsfertig, bringt das Nest gut und gerne 300 Kilogramm auf die Waage. Und trotz der architektonischen Meisterleistung wäre dieses Nest bei Sturm und Regen keinesfalls vor einem Absturz von der Zinne gefeit gewesen. Dies wusste auch die Kirchenwerdenden verwaltung und hat daher die zuständigen Stellen informiert.
Burnhauser war dreimal vor Ort, um sich ein detailliertes Bild von der Lage zu machen. „Das Problem war, dass der Bau sich in direkter Nähe zum Zugang zur Sakristei befand“, sagt er. Hätten die Kirchgänger den Kot der Tiere, den sie etwa alle zwei Stunden von sich geben, wahrscheinlich noch toleriert, so wäre vor allem die Gefahr für die Menschen im Fall eines Absturzes aber zu groß gewesen. In Absprache mit der Regierung von Schwaben, dem Landratsamt, der Verwaltung samt Bürgermeister Peter Ziegelmeier und natürlich dem Storchentreiben“, experten Anton Burnhauser wurde daher eine unpopuläre Entscheidung getroffen – die Entfernung des Nestes.
„Ich habe mich natürlich zuvor ganz genau davon überzeugt, ob es bereits in den Nestern zu einer Eiablage gekommen ist“, betont Burnhauser. Auch am Montag sei er noch einmal mit der Hebebühne zur Zinne gefahren. Mit einer Ausnahmegenehmigung durfte schließlich der Rohbau der Jungvögel von der Zinne entfernt werden. In Willmatshofen wiederum wurde diese Maßnahme nicht ohne Protest zur Kenntnis genommen. „Wer genehmigt so etwas? Darf denn die Kirche alles?“, fragte unter anderem ein Bürger per E-Mail bei unserer Redaktion nach.
Bürgermeister Ziegelmeier kann die Reaktionen verstehen. Doch auch er verweist zum einen auf den Neubau des Turms hin, der im Herbst beginnt und eigens eine sichere und stabile Plattform für ein Storchennest erhalten wird. Zum anderen sind auch in Fischach alljährlich die Störche gern gesehene Gäste. Burnhauser kann die Bürger auch noch in einem weiteren Punkt beruhigen.
„Auch wenn die Jungvögel jetzt ihr Nest verloren haben, bleibt ihnen noch bis Ende April genug Zeit, um ein neues zu bauen“, sagt der Experte. Das Jahr sei somit nicht verloren. Und die Kritik, dass der Markt Fischach und die Kirche keine Freunde der Störche seinen, kontert er mit dem Hinweis, dass neben den Altvögeln auf St. Vitus sogar ein Turmfalke und einige Dohlen ein Zuhause hätten. Dies gebe es nicht in jeder Gemeinde, „daher muss man vor der Kirche in Willmatshofen den Hut ziehen“.