Augsburger Allgemeine (Land West)

Eines der beiden Storchenne­ster muss weichen

Tiere Am Montag wird in Willmatsho­fen auf der Zinne von St. Vitus ein Bau entfernt. Die Empörung ist groß, doch die Maßnahme ist nicht ohne Grund passiert

- VON MATTHIAS SCHALLA

Willmatsho­fen Er ist das Symbol für Glück und Reichtum schlechthi­n – der Storch. Schließlic­h ist die Bezeichnun­g Meister Adebar aus dem mittelhoch­deutschen „odebar“abgeleitet und bedeutet in der Übersetzun­g Heil- oder Segensbrin­ger. Mehrt der Storch dem Aberglaube­n nach doch den Reichtum der Familien, da er ihnen die Kinder bringt. Auch im Augsburger Land erfreuen sich die Bürger jedes Jahr am Klappern der Vögel und hoffen, dass nach etwa 32 Tagen ein gesunder Nachwuchs aus den Eiern schlüpft. Umso größer war nun in Willmatsho­fen die Empörung, dass von St. Vitus ein Nest entfernt wurde. Doch die Maßnahme ist nicht ohne Grund passiert und die Erklärung überrascht.

Meister Adebar bringt aber der Legende nach nicht nur die Kinder oder kündigt sie durch sein Klappern an, sondern ist offenbar auch recht fleißig, was den eigenen Nachwuchs betrifft. Und genau dies war auch die Ursache für die Entfernung eines der beiden Storchenne­ster auf der Zinne von St. Vitus. „Es gibt mittlerwei­le bei den Störchen einen regelrecht­en Siedlungsd­ruck“, sagt Anton Burnhauser. Er ist Mitglied im Weißstorch-Betreuerne­tzwerk Schwaben und engagiert sich seit mehr als 40 Jahren für das Wohl der Tiere.

Rund 170 Storchenpa­are leben laut Burnhauser aktuell in ganz Schwaben. Und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Doch der Lebensraum wird im Gegensatz zur steigenden Population nicht größer. Burnhauser vergleicht die Situation mit den ebenfalls immer wertvoller

Bauland für Menschen. Während eine sogenannte „Nachverdic­htung“in den Städten und Gemeinden eine sinnvolle Alternativ­e ist, sei dies im Tierreich allerdings nicht möglich. „Die Jungstörch­e haben noch wenig Erfahrung im Nestbau und orientiere­n sich daher gerne an bereits vorhandene­n Nestern“, erklärt Burnhauser. Dies war auch in Willmatsho­fen der Fall.

In einer Höhe von 30 Metern hat sich nur wenige Meter neben dem bereits bestehende­n Nest ein zweites Storchenpa­ar auf der Zinne von St. Vitus niedergela­ssen. „Normalerwe­ise werden junge Vögel von den Altvögeln attackiert und ver

sagt Burnhauser. Die Kirchenstö­rche von St. Vitus tolerierte­n jedoch offenbar ihre neuen Nachbarn und ließen sie fleißig bauen. Doch das junge Paar hatte sich kein gutes Bauland ausgesucht. „Störche sind eigentlich architekto­nische Weltmeiste­r, da sie sehr symmetrisc­h bauen“, lobt Burnhauser. Doch ist Meister Adebars Behausung erst einmal bezugsfert­ig, bringt das Nest gut und gerne 300 Kilogramm auf die Waage. Und trotz der architekto­nischen Meisterlei­stung wäre dieses Nest bei Sturm und Regen keinesfall­s vor einem Absturz von der Zinne gefeit gewesen. Dies wusste auch die Kirchenwer­denden verwaltung und hat daher die zuständige­n Stellen informiert.

Burnhauser war dreimal vor Ort, um sich ein detaillier­tes Bild von der Lage zu machen. „Das Problem war, dass der Bau sich in direkter Nähe zum Zugang zur Sakristei befand“, sagt er. Hätten die Kirchgänge­r den Kot der Tiere, den sie etwa alle zwei Stunden von sich geben, wahrschein­lich noch toleriert, so wäre vor allem die Gefahr für die Menschen im Fall eines Absturzes aber zu groß gewesen. In Absprache mit der Regierung von Schwaben, dem Landratsam­t, der Verwaltung samt Bürgermeis­ter Peter Ziegelmeie­r und natürlich dem Storchentr­eiben“, experten Anton Burnhauser wurde daher eine unpopuläre Entscheidu­ng getroffen – die Entfernung des Nestes.

„Ich habe mich natürlich zuvor ganz genau davon überzeugt, ob es bereits in den Nestern zu einer Eiablage gekommen ist“, betont Burnhauser. Auch am Montag sei er noch einmal mit der Hebebühne zur Zinne gefahren. Mit einer Ausnahmege­nehmigung durfte schließlic­h der Rohbau der Jungvögel von der Zinne entfernt werden. In Willmatsho­fen wiederum wurde diese Maßnahme nicht ohne Protest zur Kenntnis genommen. „Wer genehmigt so etwas? Darf denn die Kirche alles?“, fragte unter anderem ein Bürger per E-Mail bei unserer Redaktion nach.

Bürgermeis­ter Ziegelmeie­r kann die Reaktionen verstehen. Doch auch er verweist zum einen auf den Neubau des Turms hin, der im Herbst beginnt und eigens eine sichere und stabile Plattform für ein Storchenne­st erhalten wird. Zum anderen sind auch in Fischach alljährlic­h die Störche gern gesehene Gäste. Burnhauser kann die Bürger auch noch in einem weiteren Punkt beruhigen.

„Auch wenn die Jungvögel jetzt ihr Nest verloren haben, bleibt ihnen noch bis Ende April genug Zeit, um ein neues zu bauen“, sagt der Experte. Das Jahr sei somit nicht verloren. Und die Kritik, dass der Markt Fischach und die Kirche keine Freunde der Störche seinen, kontert er mit dem Hinweis, dass neben den Altvögeln auf St. Vitus sogar ein Turmfalke und einige Dohlen ein Zuhause hätten. Dies gebe es nicht in jeder Gemeinde, „daher muss man vor der Kirche in Willmatsho­fen den Hut ziehen“.

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Foto: Anton Burnhauser Das noch im Bau befindlich­e Storchenne­st (rechts) wurde in Willmatsho­fen von der Zinne entfernt. Zuvor überprüfte ein Gutach‰ ter, ob es bereits zur Eiablage gekommen war.

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