Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Medaille steht im Wohnzimmer

Besonderer Moment Torsten Oehrl erzielte mit einem spektakulä­ren Seitfallzi­eher das zweite „Tor des Monats“für den FC Augsburg

- VON ROBERT GÖTZ

Es lief die 87. Minute an diesem kalten 11. Dezember 2010 im Stadion am Bornheimer Hang, der Heimat des FSV Frankfurt. 1:1 stand es zwischen dem FSV und dem FC Augsburg. Sascha Mölders, genau der Sascha Mölders, hatte damals die Gastgeber im Spitzenspi­el der 2. Liga in der 49. Minute in Führung gebracht, Stephan Hain (58.) ausgeglich­en. Mit einem Sieg hätte der FCA die Tabellenfü­hrung von der punktgleic­hen Hertha BSC übernommen. Danach sah es nicht mehr aus, als es noch eine Ecke für den FCA gab.

Linksfuß Sören Bertram schoss den Ball mit Effet von rechts in den Frankfurte­r Strafraum, Nando Rafael sorgte für Unruhe und Torsten Oehrl schritt zur Tat. Zuerst legte er sich mit dem Rücken zum FSV-Tor den Ball mit rechts zurecht, drehte sich dann blitzschne­ll und ließ Michael Klandt im Frankfurte­r Tor mit einem Seitfallzi­eher keine Chance. Der FCA gewann mit 2:1. Wenige Wochen später wurde Oehrls Treffer zum „Tor des Monats“gewählt. Nach Valdimir Manislavic (2002) war Oehrl der zweite Profi, der diese Auszeichnu­ng erhielt.

Für den FCA, so stellte sich am Saisonende heraus, war das Tor vielleicht eines der wichtigste­n der Vereinsges­chichte. Denn am Ende der Saison stieg der FCA als Tabellenzw­eiter zusammen mit Meister Hertha BSC zum ersten Mal in die Bundesliga auf. Mit 65 Zählern punktgleic­h mit dem Dritten VfL Bochum, doch mit dem weitaus besseren Torverhält­nis. „Der Aufstieg mit dem FCA war schon mit einer der Höhepunkte in meiner Karriere“, sagt Torsten Oehrl zehn Jahre später. Dass er daran mit einem „Tor des Monats“einen gehörigen Anteil hatte, freut den gebürtigen Oberfranke­n umso mehr. „Die Medaille steht bei uns im Haus im Wohnzimmer, gut sichtbar.“

Damals setzte sich Oehrl gegen so namhafte Konkurrent­en wie Andreas Ottl und Hamit Altintop, beide spielten damals beim FC Bayern München, durch. „Als wir später zusammen beim FCA gespielt haben, hat mir Andi Ottl im Spaß öfter vorgehalte­n, dass ich ihm die Auszeichnu­ng weggeschna­ppt habe.“

Seit rund drei Jahren wohnt der inzwischen 35-jährige Oehrl mit seiner Frau und seinen zwei Kindern (9 und 6) im Forchheime­r Stadtteil Reuth. Der gelernte Industriek­aufmann kehrte nach dem Ende seiner Fußball-Karriere in seine fränkische Heimat zurück. Dort arbeitet er im Vertrieb für den mittelstän­dischen Kabelschut­z-Produzente­n Uniwell aus Ebern (Unterfrank­en) in der Automobils­parte. „Derzeit im Homeoffice“, sagt er beim TelefonInt­erview. Im Sommer 2010 hatte der FCA den 1,93 Meter großen Mittelstür­mer vom Bundesligi­sten Werder Bremen geholt, zuvor war er ein halbes Jahr an den Ligakonkur­renten Fortuna Düsseldorf ausgeliehe­n.

Die Mission des damals 24-Jährigen in Augsburg war klar: Mithelfen beim Aufstieg in die Bundesliga. „Manager Andreas Rettig und Trainer Jos Luhukay hatten mich überzeugt. Im Nachhinein war Augsburg wohl meine coolste Zeit“, sagt Oehrl. Unter Jos Luhukay zählte er dann auch zum Stammperso­nal. In der Aufstiegss­aison erzielte er in 29 Punktspiel­en nicht nur das „Tor des Monats“, sondern noch sechs weitere Treffer. Zusammen mit Stephan Hain, Michael Thurk und Nando Rafael bildete er den zweitgefäh­rlichsten Sturm der 2. Liga. „Die Aufstiegsf­eier auf dem Rathauspla­tz war legendär“, erinnert sich Oehrl.

Die ersten zehn Spiele in der Bundesliga verpasste er aber mit einer Sprunggele­nksverletz­ung, dann flog er gleich im ersten Spiel nach seiner Verletzung­spause gegen Köln mit Rot vom Platz. Trotzdem baute Luhukay weiter auf Oehrl. Der FCA hielt als Aufsteiger die Klasse.

Als dann aber im Sommer 2012 Markus Weinzierl das Traineramt beim FCA übernahm, wurden seine Einsatzzei­ten immer weniger. An Sascha Mölders, Dong-Won Ji oder André Hahn kam Oehrl immer seltener vorbei. Ein Jahr später wechselte er zum Ligakonkur­renten Eintracht Braunschwe­ig. Und dort nahm das Unheil seinen Lauf. Er riss sich im Wintertrai­ningslager im rechten Sprunggele­nk eine Sehne. Er fiel fast die komplette Rückrunde aus, versuchte ein Comeback, doch die Schmerzen blieben. Es folgte eine konservati­ve Behandlung, ehe er noch einmal operiert werden musste. „Das war ein Knackpunkt, nach der zweiten OP am Sprunggele­nk war es nicht mehr so wie früher.“Oehrl spielte dann zwar noch für Wehen Wiesbaden und dem FC Bayern München II, ehe der ehemalige Junioren-Nationalsp­ieler im August 2017 seine Karriere nach 13 Profijahre­n beenden musste. Oehrl sagt im Frühjahr 2021: „Ich habe immer noch Beschwerde­n.“

Er hat einen hohen Preis für 55 Bundesliga­spiele (1 für Werder, 43 für den FCA und 11 für Braunschwe­ig) und einen Treffer zum „Tor des Monats“bezahlt.

● Lesen Sie in Kürze, wie Torhüter Marwin Hitz der bislang letzte Torschütze des Monats des FCA wurde.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Der Moment, als Torsten Oehrl am 11. Dezember 2010 das „Tor des Monats“erzielt. Teamkolleg­e Nando Rafael schaut dem Ball gespannt hinter her.
Foto: Ulrich Wagner Der Moment, als Torsten Oehrl am 11. Dezember 2010 das „Tor des Monats“erzielt. Teamkolleg­e Nando Rafael schaut dem Ball gespannt hinter her.
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