Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Corona den schönsten Tag im Leben prägt

Heiraten In Zeiten der Pandemie müssen sich auch Hochzeitsp­laner mit überschaub­aren Geschäftsm­odellen behelfen. Im Trend liegen unter anderem die „Tiny Weddings“– also Feiern im kleinen Kreis

- VON SILVIA KÄMPF

Alina Lipp, 20, steht auf einem Podest im Secondhand-Laden „Einzelstüc­k“in Lechhausen und probiert ein Kleid mit langem Chiffonroc­k und Spitzenobe­rteil an. Es gefällt ihr schon ganz gut, aber: „Ein bisschen mehr Glitzer“, sagt sie, könne sie sich gut vorstellen. Den Heiratsant­rag von ihrem Ulrich hat sie schon bekommen, weiß aber, dass sie die Ringe frühestens 2023 tauschen werden. Denn eine Verschiebu­ng der Hochzeit wegen Corona will die junge Frau nicht riskieren.

Hochzeitsp­lanerin Nadja Kögel kennt die Sorgen, die Heiratswil­lige gerade umtreiben. Sie hat darauf schon reagiert und nennt drei Vorteile ihres neuesten Angebots von „All about your Lovestory“: Wer sich für eine „Tiny Wedding“entscheide­t, feiert in einem sehr persönlich­en Rahmen, spart Geld und sichert sich die Chance auf kurzfristi­ge Programmän­derungen. Sie stellt fest: Immer mehr Paare weichen auf eine Möglichkei­t aus, die am wahrschein­lichsten stattfinde­n kann. Sie planen eine „Tiny Wedding“im engsten Familien- und Freundeskr­eis, statt ihr Glück im großen Rahmen zu feiern.

Nadja Kögel beobachtet, dass sich viele gar nicht mehr trauen, sich trauen zu lassen. Eine eigentlich wunderbare Aufgabe – die Vorbereitu­ng des schönsten Tags im Leben zweier Menschen –, artet in Stress aus. Die Geschäftsf­rau, die eine Ausbildung zur Veranstalt­ungskauffr­au absolviert­e, liebt ihren heutigen Traumberuf schon, seit sie 13 Jahre alt war. Zu ihren Kunden zählen Frauen und Männer, die im Alltag keine Zeit oder kein Händchen für Organisato­risches haben. Oftmals werde auch unterschät­zt, wie viel Arbeit in den Hochzeitsv­orbereitun­gen steckt.

den Preis von 3000 bis 5000 Euro könne diese Mammutaufg­abe in die Hände von Spezialist­en gelegt werden. Rund 700 Euro davon werden ihrer Auskunft nach für einen sogenannte­n Weddingday-Koordinato­r ausgegeben. Eine Investitio­n, die laut Nadja Kögel gewährleis­tet, dass sowohl Brautpaar als auch Trauzeugen den Tag genießen können. Denn der Koordinato­r kümmere sich um alles, was für gewöhnlich in die Zuständigk­eit der Trauzeugen fallen würde – das könne auch die Organisati­on einer fehlenden Blumenvase sein.

Nur mit dem Brautkleid hat die Hochzeitsp­lanerin eher selten zu tun. Da lassen sich Bräute ihrer Erfahrung nach eher von den Müttern besten Freundinne­n beraten. Ohne die Hauptperso­nen der von ihr geplanten Hochzeit beeinfluss­en zu wollen, rät Kögel grundsätzl­ich, auf das eigene Wohlbefind­en zu achten. Gerade bei der Gästeliste und der damit verbundene­n Sitzordnun­g fühlten sich manche ihrer Kunden einem „gewissen Druck“ausgesetzt. Die Frage sei doch, wie viel Zeit man mit dem einzelnen Gast am Hochzeitst­ag tatsächlic­h genießen wolle.

Ihre „Tiny Weddings“– in drei Varianten – sind auf etwa 20 Gäste, vielleicht auch weniger, ausgelegt. Elisabeth Zauner und ihr Zukünftige­r Wolfgang Berger ließen sich von Kögels Webseite inspiriere­n. Weil sie nie den Traum von einer großen Hochzeit träumte, so die Braut, hätFür ten sie sich für eine „Tiny Wedding“entschiede­n. Stattfinde­n wird sie im Juni und nach „der Standesamt­lichen“an den Chiemsee fahren. Mit Eltern und Geschwiste­rn bleibe alles in einem sehr intimen Rahmen – mit Menü in Sallers Badehaus, Blick auf den See und je nach Wetterlage Besuch von Schloss Herrenchie­msee.

Während im Jahr 2019 im Standesamt Augsburg 1325 Eheschließ­ungen stattfande­n, waren es 2020 zur Corona-Zeit nur noch 1082. Den Rückgang um 243 Trauungen führt Amtsleiter Robert Brümmer „gänzlich auf die Auswirkung­en der Pandemie zurück“. Die Verschiebu­ngen seien in erster Linie dann aufgetrete­n, wenn sich die Bedinoder gungen für Hochzeitsf­eiern aufgrund der Öffnungsze­iten der Gastronomi­e und der erlaubten Teilnehmer­zahlen verschlech­terten. Dies sei zum einen in den Monaten März bis Mai 2020 und dann im Herbst gewesen, als die Einschränk­ungen wieder zunahmen. Momentan haben die Standesbea­mten den Eindruck, dass die Brautleute noch etwas zurückhalt­end bezüglich der Vereinbaru­ng von Hochzeitst­erminen sind.

Das heißt: Selbst im Mai, dem traditione­llen Hochzeitsm­onat, gebe es noch freie Termine. Eheschließ­ungen im Standesamt können stattfinde­n, zugelassen sind neben dem Brautpaar aber nur die beiden Trauzeugen und ein Gast – also insgesamt fünf Personen. Und: Während der Trauung muss laut Robert Brümmer eine FFP2-Maske getragen werden.

Das dazugehöri­ge Brautkleid könnte aus dem Geschäft „Einzelstüc­k“von Andrea Roszkopf stammen. Allein in einer Woche verzeichne­te die Unternehme­rin kürzlich 22 Termine von Bräuten, die sich nach dem passenden Kleid umsehen wollten. Just als die Unternehme­rin im vergangene­n Jahr am 1. März eröffnet hatte, durfte sie wegen Corona auch schon wieder schließen. Dennoch hat sie sich nicht entmutigen lassen. Der Vorteil ihrer Secondhand­ware, die sie in Kommission verkauft, ist der Preis: Kleider, die „auf einen zweiten Auftritt“warten, kosten ihrer Auskunft nach die Hälfte vom Neupreis. Hochzeitsp­lanerin Bettina Ponzio weiß, welch immense Bedeutung Anprobe und Kleiderkau­f für die Bräute hat. Auch sie bietet inzwischen Feierlichk­eiten im kleinen Kreis mit bis zu 25 Personen an, um in der problemati­schen Corona-Zeit zumindest eine denkbare Alternativ­e zu offerieren.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Anprobe mit Maske: Wenn Andrea Roszkopf (rechts) Kundinnen wie Alina Lipp so manches „Einzelstüc­k“in ihrem gleichnami­gen Lechhauser Laden zeigt, darf im Moment nicht einmal mit Sekt angestoßen werden. Hochzeitsp­lanerin Bettina Ponzio (links) ver‰ steht dabei aber auch das Bedürfnis der Bräute, den Kleiderkau­f angemessen zu zelebriere­n.
Foto: Silvio Wyszengrad Anprobe mit Maske: Wenn Andrea Roszkopf (rechts) Kundinnen wie Alina Lipp so manches „Einzelstüc­k“in ihrem gleichnami­gen Lechhauser Laden zeigt, darf im Moment nicht einmal mit Sekt angestoßen werden. Hochzeitsp­lanerin Bettina Ponzio (links) ver‰ steht dabei aber auch das Bedürfnis der Bräute, den Kleiderkau­f angemessen zu zelebriere­n.

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