Augsburger Allgemeine (Land West)
Unterricht nur mit Test: Ist das gut oder schlecht?
Corona Ab Montag gilt für den Präsenzunterricht eine Testpflicht. Die Schulen brauchen das schriftliche Einverständnis der Eltern. Die neue Regel kommt unterschiedlich an
Landkreis Augsburg Beim Einführen des Stäbchens in die Nase müssen manche Kinder reflexartig immer wieder niesen. Das kennt der Leiter der Realschule Zusmarshausen, Jürgen Seipt-Wunderwald. Er und sein Kollegium haben sich daher entschieden, solche „Reflex-Nieser“an der frischen Luft und nicht im Klassenzimmer zu testen. Ideen solcher Art sind ab Montag in den Schulen des Landkreises Augsburg gefragt. Denn für die Schüler gilt eine Testpflicht auf das Coronavirus. Die Ansage des Freistaats ist klar und streng: ohne Test keine Teilnahme am Unterricht. Diese Regel stößt auf verschiedene Reaktionen bei Lehrern und Eltern.
Der Landkreis Augsburg liegt bei dem Inzidenzwert seit vielen Tagen über 100. Was heißt das für die Schulen? In der Jahrgangsstufe 4 der Grundschule, der Jahrgangsstufe 11 der Gymnasien und der Fachoberschule sowie in den Abschlussklassen findet Präsenzunterricht statt, soweit der Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Bei beengten Verhältnissen heißt die
Alternative Wechselunterricht. Für alle anderen Klassen gilt weiterhin Homeschooling.
Es gibt für die Familien zwei Möglichkeiten des Nachweises eines negativen Testergebnisses: ein in der Schule unter Aufsicht durchgeführter Selbsttest oder ein maximal 48 Stunden alter PCR- oder POCAntigenschnelltest, der durch medizinisch geschultes Personal gemacht wurde, zum Beispiel in den Testzentren,
bei Ärzten oder Apotheken. Ein zu Hause durchgeführter Selbsttest reiche nicht aus, bestätigt das Kultusministerium auf Anfrage.
Noch vor Ferienbeginn haben die Schulleitungen die Eltern um Einverständnis zum Testen gebeten. Die Reaktionen seien sehr unterschiedlich, so Realschulrektor Seipt-Wunderwald. „Es gibt Klassen, wo alle einverstanden sind und Klassen mit wenig Zustimmung.“
Der Schulleiter glaubt, dass viele Eltern bisher gedacht hätten, das Testen ihrer Kinder wäre eine freiwillige Sache. Er geht davon aus, dass die Zustimmung größer werden wird, wenn bekannt ist, dass ein Nein den Unterrichtsausschluss für die Zehntklässler vor ihrem Abschluss bedeuten würde. Seipt-Wunderwald sagt, dass die Lehrer inzwischen mit den Tests vertraut seien.
Doch auch unter den Kollegen gebe es unterschiedliche Einstellungen. Während die einen das Testen als den Weg sehen, Schulen offen zu halten, plagten andere Sorgen, etwa vor einer Ansteckung, wenn die Schüler die Masken abnehmen. Um diese Ängste ein Stück weit zu nehmen, wird in Zusmarshausen am Montag zur ersten Stunde ein zweiter Lehrer mit ins Klassenzimmer kommen. Diese Unterstützung werde zum Beispiel dann wichtig, wenn ein Jugendlicher positiv getestet sei. Seipt-Wunderwald ist zuversichtlich, dass die Zehntklässler das Testen zweimal die Woche gut hinbekommen. Im Unterricht seien schon Erklärvideos gezeigt worden. „Man muss den Kindern was zutrauen, das klappt schon“, so der Rektor.
Auf Elternseite gibt es teilweise Skepsis. Einer Mutter einer Viertklässlerin aus dem Raum Meitingen, die nicht namentlich genannt werden will, ist die Vorstellung, dass sich alle Kinder in einem Zimmer selbst testen, ein Graus. Sie will ihre Tochter nicht in der Schule testen lassen, da sie dies für unverantwortlich hält, auch gegenüber den Lehrern. Die Mutter glaubt, dass Kinder in dem Alter mit den Stäbchen herumspielen könnten, doch dies sei ja möglicherweise infektiöses Material.
Der Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Jörg Faßnacht, kennt Sorgen der Kollegen, ob es die Grundschüler schon selbst hinbekommen. An den Kapazitäten dürfte es nicht liegen. „Die Schulen haben genügend Tests bekommen.“Es gebe aber Fragen zur Anwendung, wie etwa zur Sicherheit des Ergebnisses, so Faßnacht. Die Schulen zeigten sich sehr kreativ, wie zum Beispiel durch das Aufrechthalten des Röhrchens mit einer Wäscheklammer. Faßnacht betont, dass die Lehrer nur mit dem schriftlichen Einverständnis der Eltern den Test vergeben könnten.