Augsburger Allgemeine (Land West)

Frust bei der Anmeldung

Aktion Für gut 3 000 Impftermin­e wurden in einer Stunde 150 000 Anrufversu­che gezählt. Weil bei Weitem nicht alle Menschen durchkamen, sorgte das für Frust

- VON MARCO KEITEL UND CHRISTOPH FREY

3500 Bürger sind am Wochenende die vorerst Letzten, die in den Zentren mit AstraZenec­a geimpft werden. Was das für den Impffortsc­hritt heißt.

Landkreis Augsburg Die Taste für die Wahlwieder­holung machte es möglich: mehr als 150.000 Anrufversu­che in nur einer Stunde. Die Hotline des Landratsam­tes in Augsburg ist am Dienstag vom Ansturm Impfwillig­er schier überrannt worden, zwischenze­itlich ging sogar die Telefonanl­age für eine Viertelstu­nde in die Knie. Aber: Gut 3.200 Menschen haben im Laufe des Tages einen Termin für die Impfung gegen Corona bekommen. Rund 250 Menschen können am Mittwochmo­rgen noch zum Zuge kommen.

Zu denen, die bislang kein Glück hatten, zählt dagegen Reinhold Lenski aus Bobingen. Er hat am Dienstag mehrere Stunden versucht, einen Termin für die Impfaktion am Wochenende zu bekommen. Erfolg hatte er keinen. „Das ist eine Frechheit ohnesgleic­hen“, schimpft er.

Der Hintergrun­d: Wer schnell ist und über 60 Jahre alt, bekommt im Landkreis Augsburg vielleicht früher als gedacht eine Corona-Impfung. Bevor die Erstimpfun­gen mit dem AstraZenec­a-Vakzin dort nächste Woche eingestell­t werden, gibt es in den Impfzentre­n in Gablingen und Bobingen am Wochenende nochmal 3.500 Dosen des schwedisch-britischen Unternehme­ns. Die sollen am Wochenende zum Einsatz kommen. Termine waren am Dienstag ab neun Uhr telefonisc­h bei einer Hotline buchbar.

Ein Freund von Lenski hatte mehr Glück, berichtet der Bobinger. Er sei durchgekom­men, musste dann aber eine halbe Stunde in der Warteschle­ife verbringen. Lenski übt Kritik: „Man hätte sich bei der Organisati­on etwas Besseres überlegen können.“Wie er berichten am Dienstag viele von Schwierigk­eiten, bei der Hotline jemanden zu erreichen.

Max Hochhäuser aus Königsbrun­n kritisiert nicht nur die Organisati­on, sondern das Vorgehen nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Das bezeichnet er gegenüber unserer Redaktion als „unverantwo­rtliches Windhundre­nnen“. Er sagt: „So sehr ich mich über die Impfung für möglichst viele Personen freue, so erschreckt es mich, wenn ein Landrat einer christlich-orientiert­en Partei nunmehr ein Windhundre­nnen auslöst, bei dem es im wahrsten Sinne um Leben und Tod geht.“

Landrat Martin Sailer dagegen sieht sich in seinem Vorgehen bestätigt. Entscheide­nd sei doch, dass dank der Aktion in dieser Woche im Landkreis statt 5.500 nun knapp 9000 Menschen geimpft werden konnten. Mithilfe des gewählten Verfahrens habe man schnell viele Impftermin­e machen können. Die Mitarbeite­r seines Hauses hätten sensatione­lle Arbeit geleistet, so der Landrat. Er betont: „Wann immer sich die Möglichkei­t bietet, so etwas zu wiederhole­n, werden wir machen.“Er sei sich sicher gewesen, dass viele Menschen nach wie vor Vertrauen in den Impfstoff AstraZenec­a hätten.

Bei den Hausärzten unterdesse­n sorgt die scheinbar unendliche AstraZenec­a-Debatte für Komplikati­onen. Denn viele scheinen den Impfstoff gar nicht zu wollen. Jakob Berger, Bezirksvor­sitzender für Schwaben beim Bayerische­n Hausärztev­erband, sagt: „Die Kollegen berichten, dass viele Patienten AstraZenec­a nicht wollen und fürchten, dass sie dann auf den Impfdosen sitzen bleiben.“Das macht das Planen schwierig, denn die Mediziner können weiterhin, in begrenzter Menge, sowohl das Vakzin von Biontech als auch das vom schwedisch-britischen Konzern bestellen.

Im Gegensatz zu den Impfzentre­n können sie unter 60-Jährige, die etwa aufgrund einer gesundheit­lichen Einschränk­ung zur Risikogrup­pe gehören, mit AstraZenec­a impfen, wenn diese das wollen. Aber auch er habe Patienten, die zwar geimpft werden wollen, aber nicht mit AstraZenec­a, sagt Berger, der eine Praxis in Meitingen-Herbertsho­fen hat. Die Hausärzte sind von der Größe der Lieferunge­n abhängig. Laut Berger können sie das Tempo weiter steigern – wenn genug Impfstoff da ist.

3.163 Landkreisb­ürger haben die Ärzte schon immunisier­t. Im gleichen Zeitraum erhielten in den beiden Zentren 9172 Landkreisb­ürger das Vakzin. 56.149 Impfungen gab es laut Landratsam­t im Kreis Augsburg bisher insgesamt. Über 1.000 davon kamen am Dienstag dazu. Aktuell werden laut Landratsam­t vor allem Zugehörige der Prioritäts­gruppe Zwei, also über 70-Jährige und Vorerkrank­te, geimpft. „Aus heutiger Sicht kann in circa drei bis vier Wochen mit der Impfung der Prio Drei begonnen werden“, sagt Pressespre­cher Jens Reitlinger. Dann wären auch Lehrer an weiterführ­enden Schulen an der Reihe.

Der AstraZenec­a-Stopp in den Zentren in Gablingen und Bobingen ab nächster Woche werde das Tempo nicht zwangsläuf­ig verlangsam­en. Denkbar sei dagegen eine Verlagerun­g, etwa hin zu den Hausarztpr­axen, erklärt Reitlinger. Auch hier kommt es wieder darauf an, wie viel Impfstoff da ist: „Für ein höheres Tempo sind in erster Linie die bereitgest­ellten Impfstoffm­engen maßgeblich“, sagt der Pressespre­cher. Die Bedenken wegen AstraZenec­a scheinen nicht alle Menschen im Landkreis zu teilen: Am Dienstag wurden 3.200 der 3.500 Termine für die AstraZenec­a-Impfaktion am Wochenende vergeben. Für den Rest ist die Hotline am Mittwoch wieder ab 9 Uhr erreichbar. Der große Andrang scheint ein Grund dafür gewesen zu sein, dass viele nicht bis zur Terminbuch­ung durchkamen. Dazu kommt, dass einige Anrufer sich noch nicht online registrier­t hatten, wodurch die Gespräche teilweise länger dauerten.

»Aufgefalle­n

Newspapers in German

Newspapers from Germany