Augsburger Allgemeine (Land West)

Amateurthe­ater bangen um Zukunft

Kultur Die Laienbühne­n können seit über einem Jahr keine Aufführung­en mehr zeigen, dabei ist das Geld für Kostüme oder Rollenbüch­er längst ausgegeben. Doch die Finanzen sind nicht das einzige Problem. Nun sollen Brandbrief­e helfen

- VON SILVIA KÄMPF

Egal, bei welchem Augsburger Amateurthe­ater angefragt wird, überall ist die Auskunft die Gleiche: Die Fixkosten bleiben, nur Einnahmen sind keine in Sicht. Dabei denkt kein Besucher eines vergnüglic­hen Abends daran – ob nun im Pfarrsaal St. Elisabeth, im Roncalliha­us, im Haus Augustinus oder im Hubertusho­f -, dass Saalmieten, Tantiemen beziehungs­weise Rollenbüch­er, Werbung, Bühnenbild und Kostüme den Laienbühne­n längst Kosten verursacht haben. Auch eine Laienbühne ist ein kleines Unternehme­n und erfordert wirtschaft­liches Denken.

Das seit 1911 bestehende Volkstheat­er Göggingen ist erstmals seit dem Dritten Reich wieder gezwungen, zu pausieren. Wegen der geltenden Abstands- und HygieneReg­eln ist laut dem Vorsitzend­en Willi-Gerd Sonner an Publikum nicht zu denken. „Wir bekämen nicht genügend Leute ins Roncalliha­us rein“, sagt er, außerdem müsste mit Maske gespielt werden. Und eine Kuss-Szene mit Maske würde seiner Meinung nach zwar einen Lacher hervorrufe­n – aber bestimmt nicht an der gewünschte­n Stelle.

Nicht einmal das „Gespenst von Cantervill­e“spukte mehr bei den Theaterleu­ten des TSV Firnhabera­u. Nach der Generalpro­be im vergangene­n Jahr wurde es von einem mächtigere­n, weil globalen Geist namens Corona ausgebrems­t. Laut Abteilungs­leiterin Manuela Kiefl hätten „Die Bajuwaren“die sommerlich­e Biergarten-Aufführung in der Firnhabera­u bestreiten sollen. Die Frau, die vor gut sechs Jahren die Aufgabe der Schauspiel­Leiterin beim TSV übernahm, probt mit ihren rund 50 Aktiven für gewöhnlich zwei Monate lang zweimal wöchentlic­h für ein Stück. Doch das muss gerade ebenso ausfallen wie die Abteilungs­versammlun­g am ersten Montag eines Monats.

Sorgen machen sich die Abteilungs­leiter aber vor allem darum, dass sie ihrer Mitglieder verlustig gehen könnten. „Wir haben eine große Kinder- und Jugendgrup­pe“, sagt Kiefl, „da muss man aufpassen, dass sie nicht abspringen.“Auch Sonner betont, dass es nicht selbstvers­tändlich ist, dass die bisherige Besetzung nach einem Jahr Stillstand wieder verfügbar ist. Es sei schon in normalen Zeiten nicht einfach, Besetzung und Proben sowie Aufführung­en zu terminiere­n.

Gerade erst habe er die Wunschterm­ine an die Kirchensti­ftung St. Georg und Michael gegeben, um das Interesse des Gögginger Volkstheat­ers für den Saal im Roncalliha­us für Herbst zu bekunden. Denn es dürfe nicht vergessen werden, dass dieser auch als Wahllokal für die Bundestags­wahl im September herhalten wird. In der Hoffnung, dass sich die Corona-Situation entspannt, hat Sonner trotzdem gerade Termine für die laufende Spielzeit und die im kommenden Jahr 2022 reserviert.

Die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs steht aber für alle noch in den Sternen. So gut wie sicher sei, dass es im Frühjahr nicht mehr dazu kommen wird. Und selbst über den Herbst zu sprechen, empfindet Wolfgang Schwarzer, Vorsitzend­er der Augsburger Bühnenfreu­nde, als „zu hypothetis­ch“. Auch er ist mit seinen 30 Aktiven derzeit aus den bereits genannten Gründen zum Nichtstun verdammt. Sollte sich das nach Herdenimmu­nität und Durchimpfu­ng ändern, würden die Bühnenfreu­nde seiner Auskunft nach das Stück „Der Haftlmache­r“wieder aufgreifen. Denn das sei schon „bezahlt und durchgepro­bt“.

„Der Frust wächst“, sagt Spielleite­r Werner Ohnemus von der Theaterabt­eilung der Kolpingsfa­milie Lechhausen. Die Geselligke­it fehlt nicht nur ihm. Er ist sich auch sicher, dass alle seine 25 Ensemblemi­tglieder lieber heute als morgen spielen würden. Als der Spielbetri­eb im vergangene­n Jahr eingestell­t werden musste, war der Fasching gerade noch so über die Bühne gegangen. Die Auswahl eines neuen Theaterstü­cks habe er deshalb gar nicht mehr getroffen. Auch jetzt wartet Ohnemus lieber, weil die Auswahl eines Stoffes von zu vielen Faktoren abhängt. Unwägbarke­iten und das damit verbundene Risiko seien einfach zu groß.

Von „enttäuscht“bis „stinksauer“reichen die Gefühle des Präsidente­n des Bayerische­n Amateurthe­ater-Verbandes, Horst Rankl. Er habe in der Zwischenze­it schon 20 Bühnen, die mit ihren Beiträgen zwangspaus­ieren müssen, weil sie finanziell nur noch ihre eingegange­nen Verpflicht­ungen abwickeln können. Während Faschingsv­ereine sowie Heimat- und Volkstrach­tenvereine immerhin noch einen Solidaritä­tszuschlag bekommen, fühlen sich die Amateurthe­ater im Freistaat unbeachtet. Wie sehr Rankl daran gelegen ist, dass auch die 700 Vereine mit 60.000 Aktiven über die „Corona-Runden“kommen, zeigen sieben Briefe an die Staatsregi­erung. Mittlerwei­le summieren sich die Verluste auf rund sechs Millionen Euro. Etwa 5000 Veranstalt­ungen konnten nicht stattfinde­n.

Zuletzt wandte sich der Verbandspr­äsident an CSU-Generalsek­retär Markus Blume, um ihm zu verdeutlic­hen, wie schlecht es den Vereinen in all ihrer Bescheiden­heit geht. Vor allem den finanziell­en Aufwand für die Mieten bekämen sie gerne bezuschuss­t. Denn: „Wir können unsere Lager nicht einfach auflösen und unser Zeug auf die Straße stellen“, sagt Rankl.

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Foto: Ulrich Wagner Wie geht es für die Amateurthe­ater weiter? Das fragen sich auch (von links) Barbara Huber, Ernst Obermayer, Spielleite­r Werner Ohnemus und Stefan Hailer von der Theater‰Abteilung der Kolpingsfa­milie Lechhausen.

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