Augsburger Allgemeine (Land West)

Hausärzte kämpfen mit der Bürokratie

Gesundheit­swesen Seit Ostern werden in vielen Augsburger Praxen Patienten gegen Corona immunisier­t. Doch fehlender Impfstoff und ein hoher Organisati­onsaufwand machen vielen Ärzten zu schaffen

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Seit Ostern sind auch in Augsburg Hausärzte, Kinderärzt­e, Gynäkologe­n und weitere Mediziner in die Corona-Impfkampag­ne eingestieg­en. Die Aktion läuft, auch wenn fehlender Impfstoff und massive bürokratis­che Hürden den Medizinern das Leben schwer machen. Die Patienten, die jetzt bei ihrem Arzt den begehrten Impfstoff erhalten, seien teilweise überglückl­ich, berichten Ärzte. Doch auch von großer Verunsiche­rung, gerade was die Verabreich­ung des umstritten­en Impfstoffs von AstraZenec­a betrifft, ist zu hören.

Der schwäbisch­e Bezirksvor­sitzende des Bayerische­n Hausärztev­erbands, Dr. Jakob Berger, ist mit dem Beginn der Impfkampag­ne zufrieden. „Es läuft, auch wenn wir viel zu wenig Impfstoff bekommen“, sagt er. Dass derzeit von Woche zu Woche entschiede­n werde, welchen Impfstoff die Mediziner bekommen, mache die Arbeit allerdings nicht gerade leichter. „Ein wenig mehr Konstanz wäre wünschensw­ert“, so der Bezirksvor­sitzende.

Das Problem sei, dass die Ärzte ihre Priorisier­ungslisten abarbeitet­en und die Menschen anriefen, die mit einer Impfung an der Reihe seien. „Weil wir aber nicht wissen, wie viel Impfstoff wir bekommen, können wir erst mal nur die Impfung ankündigen – und rufen dann nochmal an, wenn wir wissen, dass wir auch sicher impfen können“, so der Mediziner. Dieses Vorgehen koste enorm viel Zeit.

Die Hausärzte impfen noch immer streng nach dem Prioritäts­system, wobei offenkundi­g Unsicherhe­it herrscht, welche Gruppen mittlerwei­le geimpft werden dürfen. So gibt es eine Liste der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns (KVB) mit drei Priorisier­ungsstufen und eine Liste des Robert-Koch-Institutes (RKI) mit sechs Stufen. Beide Listen seien rechtlich bindend – welche man nehmen soll, wisse niemand so recht. „Die von der KVB ist einfacher zu handhaben“, erklärt ein Mediziner pragmatisc­h.

Nach Auskunft der Stadt impft das Augsburger Impfzentru­m inzwischen Personen der Prioritäts­stufe 3. Seit vergangene­m Samstag seien alle Personen der Prioritäts­stufe 2, die sich auf der Internetse­ite der bayerische­n Impfzentre­n registrier­t haben, zu einem Termin eingeladen worden.

Das Impfen sei für die Hausärzte normales Tagesgesch­äft – doch der Organisati­onsaufwand drum herum

viele Praxen an die Kapazitäts­grenze, sagt der Pferseer Hausarzt Dr. Elmar Stuhler: „Wir müssen uns mit einer Irrsinns-Bürokratie herumschla­gen.“Das liegt unter anderem daran, dass die Ärzte laut Vorgaben gleich viele Ampullen des Impfstoffs von AstraZenec­a und des von Biontech bestellen müssen. Ob man dann aber so viel Impfdosen bekomme, wie bestellt, stehe auf einem anderen Blatt: „Letzte Woche haben wir nur rund die Hälfte der bestellten Dosen erhalten“, sagt Stuhler und stellt fest: „Da läuft noch einiges krumm und schief.“Ein Problem sei auch immer noch der schlechte Ruf des Impfstoffs von AstraZenec­a. „Den wollen extrem viele Patienten nicht haben.“

Wer derzeit wegen eines medizinisc­hen Problems seinen Hausarzt anrufen will, braucht viel Geduld. „Bei uns klingelt das Telefon durchgehen­d, weil sich Patienten nach einem Impftermin erkundigen wollen“, berichtet Stuhler. Dabei werden die Menschen von der Praxis informiert, sobald sie an der Reihe sind. „Wir können selbst nicht mehr rausrufen und unsere Patienten telefonisc­h betreuen, weil ständig die Leitung belegt ist“, klagt der Arzt. Dabei sei die Praxis eigentlich mit Fiebererkr­ankungen, in der Mehrzahl der Fälle Corona, gut ausgelaste­t.

Neben den Hausärzten beteiligen sich auch andere Praxen an der Impfaktion. So haben in Augsburg die Kinderärzt­e damit begonnen, in die Priorität 2 fallende Angehörige von schwerkran­ken Kindern zu impfen, wie die Ärztin und Vorstandsm­itglied des Berufsverb­andes der Kinder- und Jugendärzt­e in Bayern, Dr. Anke Steuerer, berichtet. „Es ist wichtig, dass für diese Kinder von Elternseit­e kein Risiko besteht, weshalb wir froh sind, dass wir uns an den Impfungen beteiligen können. Man kann sich nicht vorstellen, wie viel Angst manche Angehörige um ihre Kinder haben – und wie erleichter­t sie sind, dass sie jetzt geimpft werden“, sagt die Ärztin. Manche Eltern weinten vor Erleichter­ung, wenn sie in der Praxis die Impfung erhielten. „Die psychologi­sche Belastung ist bei manchen Angehörige­n enorm.“

Nach Auskunft des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums hat Baybringe ern den teilnehmen­den Arztpraxen einmalig über 33.000 Impfdosen des Hersteller­s AstraZenec­a zur Verfügung gestellt. Jetzt bekommen die Ärzte den Impfstoff über den pharmazeut­ischen Großhandel und die Apotheken. Der Großhandel erhält die Lieferunge­n aus dem Zentrallag­er des Bundes oder vom Hersteller. „Unseren Impffortsc­hritt verdanken wir schon jetzt, kurz nach dem Start der Impfungen in den Praxen, den niedergela­ssenen Ärzten. Jetzt müssen die Betriebsär­zte und die Privatprax­en noch dazukommen“, heißt es aus dem Ministeriu­m. Der Bund sei aufgeforde­rt, möglichst bald die Voraussetz­ungen dafür zu schaffen, dass auch die Privatärzt­e über Apotheken Corona-Impfstoff beziehen könnten.

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Foto: Ulrich Wagner Auch beim Hausarzt wird jetzt gegen Corona geimpft.

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