Augsburger Allgemeine (Land West)
Ansteckungen im Privaten haben zugenommen
Pandemie Der Inzidenzwert in Augsburg liegt seit Mittwoch über 200, schärfere Regeln sind aber nur für den Handel zu erwarten. Wo sich die Menschen infizieren, welche Virusvarianten überwiegen und wer besonders betroffen ist
Warum ist die Inzidenz in den vergangenen Tagen in Augsburg so stark gestiegen?
Am Donnerstag lag die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage bei 246,1 - und damit den zweiten Tag in Folge über 200. Thomas Wibmer, stellvertretender Leiter des Gesundheitsamtes, sagt, der sprunghafte Anstieg habe womöglich auch damit zu tun, dass über Ostern weniger getestet wurde. „Wäre es ein normales Wochenende gewesen, gäbe es jetzt zwar auch einen leichten Anstieg, aber keinen so signifikanten“, glaubt Wibmer. Der Hintergrund: Wibmer geht davon aus, dass viele Tests, die an den Feiertagen unter anderem wegen geschlossener Praxen nicht durchgeführt werden konnten, danach nachgeholt wurden, und es daher gegen Ende der Woche bis in die letzten Tage hinein zu gehäuften Fallmeldungen kam. Die Zahlen ließen momentan noch einen großen Interpretationsspielraum zu. Wie sich das Infektionsgeschehen derzeit tatsächlich entwickelt, kann nach seiner Einschätzung erst kommende Woche besser beurteilt werden.
Welche Corona-Varianten überwiegen derzeit bei den Infektionen in Augsburg?
Zwischen 60 und 70 Prozent aller Corona-Infektionen sind laut Wibmer auf Mutationen zurückzuführen, wobei die britische Variante überwiege. Es gibt zudem Fälle der südafrikanischen und jetzt neu auch zwei der brasilianischen Mutante, weshalb die Stadt eine Arbeiterunterkunft in Lechhausen unter Quarantäne gestellt hat. Auch im Klinikum steigt die Zahl der Patienten, die sich mit einer Mutante angesteckt haben. Laut Ärztlichem Direktor Prof. Michael Beyer liegt die Quote bei rund 75 Prozent, die britische Variante überwiegt auch hier, wenngleich auch die südafrikanische Variante auftaucht. Der Anteil der Fälle mit Mutationen an der SiebenTage-Inzidenz in Augsburg lag laut Stadt zuletzt bei bis zu 68,2 Prozent.
Wie verteilen sich die Ansteckungen auf die Altersgruppen?
Am meisten betroffen sind laut Wibmer derzeit Augsburger zwischen zehn und 20 Jahren. Weil ihr Anteil an der Bevölkerung nicht so hoch ist, treibt diese Altersgruppe die Inzidenz aber nicht so stark nach oben wie die der 20- bis 40-Jährigen. Sie machen inzwischen 37 Prozent aller Infizierten aus. Bei den älteren Bürgern, die noch im Januar besonders stark betroffen waren, nimmt die Zahl der Infektionen ab, was Wibmer auf die Impfungen in diesen Altersgruppen zurückführt. Das Durchschnittsalter bei Covid-Infizierten liege aktuell bei 38 Jahren.
Was passiert, wenn die Inzidenz weiter über 200 bleibt? Gibt es dann strengere Regelungen? Infektionsschutzverordnung sieht für den Fall, dass der Inzidenzwert drei Tage in Folge die 200 überschreitet, Verschärfungen der Maßnahmen vor. Die einzig signifikante Veränderung in Augsburg wird jedoch sein, dass der Einzelhandel wieder zu Click & Collect wechselt. Click & Meet, also eine Terminvereinbarung mit anschließendem Ladenbesuch, wird nicht mehr möglich sein. In den Schulen ändert sich nichts, da hier eine Sieben-Tage-Inzidenz von 100 zugrunde gelegt wird. In Augsburg bleibt also alles wie gehabt: Kinder der ersten bis dritte Klasse an Grund- und Förderschulen bleiben im Distanzunterricht, Kinder der vierten Jahrgangsstufe gehen in den Wechselunterricht. An weiterführenden Schulen bleiben bis auf die Abschlussklassen und die elfte Jahrgangsstufe an Gymnasien und Fachoberschulen alle Schüler im Distanzunterricht. Eine Ausweitung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum oder ein Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen, wie es in Augsburg bereits einmal eingeführt worden war, hält Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) für nicht zielführend. Ein Grund sei, dass bei solchen Gelegenheiten wohl die wenigsten Ansteckungen stattfänden.
Wo infizieren sich die Patienten vor allem mit Corona?
Wie OB Eva Weber betont, geht die Stadt davon aus, dass sich inzwischen mehr Menschen im privaten Bereich infizieren. Dort fänden wieder häufiger „intensive Treffen“statt, bei denen Abstandsregelung und Masken kaum Thema sind. Laut Wibmer sind aktuell rund 50 Prozent aller Ansteckungen auf den häuslichen Bereich zurückzuführen. Normalerweise liege der Schnitt bei 30 Prozent, „es hat aber wohl mit Ostern zu tun, dass der Wert gestiegen ist“, sagt Wibmer. Ähnlich wie an Weihnachten habe es auch an Ostern vermehrt Familientreffen gegeben. Im Bürgerbeirat, der am Mittwochabend digital tagte, wiesen Augsburger auf einen weiteren Fakt hin: Die Akzeptanz der Corona-Regeln sinke vor allem bei jüngeren Menschen, weil es keine Perspektiven gebe. Man treffe sich deshalb wieder öfter, wenn auch teils unter freiem Himmel.
Wird das Angebot an Schnelltestzentren weiter ausgeweitet?
Ja, die Stadt wird ab Montag, 19. April, zwei weitere Schnelltestzentren in Betrieb nehmen – eines beim Gögginger Hallenbad (Anton-Bezler-Straße 2, geöffnet Montag bis Freitag 8 bis 16 Uhr), eines auf dem Parkplatz des Hauses Lechrain in Lechhausen (Robert-Bosch-Straße 10, Montag bis Freitag 8 bis 16 Uhr). Im Schnelltestzentrum auf dem Plärrergelände wird ab dieser Woche auch sonntags (10 bis 18 Uhr) getestet. Laut Oberbürgermeisterin Eva Weber gibt es in den Stadtteilen damit künftig sechs Schnellteststationen, des Weiteren sind Schnelltests in der Maximilianstraße, auf dem Plärrergelände und im Testzentrum an der Messe möglich. „Mit den zehn Apotheken, die ebenfalls Tests anbieten, haben wir damit eine Kapazität von 20.000 Schnelltests pro Woche“, so Weber. Inzwischen hätten sich auch andere mögliche Anbieter darum beworben, Schnelltests durchzuführen, darunter sind Clubs und Fitnessstudios. Wenn das Personal geschult sei, könnten auch dort niederschwellig Tests gemacht werden.
Müssen sich Schulkinder, die einen Hort in Kita oder Kindertagespflege besuchen, auch testen lassen?
Ab Montag ist der Nachweis eines negativen PCR- oder Antigentests für Schulkinder in Horten und Kindertagespflegestellen Pflicht. Die Schulkinder können sich im Hort oder in der Kindertagespflegestelle testen lassen, wenn sie nicht über ein anderweitiges, aktuelles Testergebnis verfügen, das maximal 24 Stunden alt sein darf. Das städtische Amt für Kindertagesbetreuung stattet bis Freitag alle Einrichtungen mit Testkits zur kostenlosen Testung aus.
Wie weit ist die Stadt mit den Impfungen der Augsburger?
In Augsburg sind, Stand Mittwoch, bisher 52784 Personen geimpft worden, gut 18.200 davon haben bereits beide Impfungen erhalten. Schon vor einigen Tagen hatte die Stadt gemeldet, dass die Impfungen in den Priorisierungsgruppen 1 und 2 so gut wie abgeschlossen seien. Dennoch könne es Personen aus diesen Gruppen geben, die noch ohne Impfangebot sind, weil sie sich zum Beispiel nicht offiziell registriert haben. Oberbürgermeisterin Weber appelliert an alle Augsburger, sich im Impfportal anzumelden – selbst, wenn man auf eine Immunisierung beim Hausarzt hoffe. Wer zu einer der beiden Gruppen 1 und 2 gehört, registriert ist und dennoch noch keinen Impftermin erhalDie ten habe, solle sich beim Impfzentrum melden. Es könne sich hier, so Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne), nur um ein technisches Problem handeln. Die meisten Impfungen wurden im Impfzentrum vorgenommen, knapp 12.000 durch mobile Teams. Auch in den Hausarztpraxen laufen die Impfungen laut Weber gut an. Seit dort immunisiert werden darf, haben knapp 6700 Bürger die erste Spritze bekommen. In Prio 3 stehen laut Stadt derzeit noch 12.800 registrierte Augsburger auf der Warteliste für Impfungen.
Wie sieht die Lage im Umland aus?
Aichach-Friedberg stockt die Intensivbetten der landkreiseigenen Kliniken an der Paar auf 20 auf. Die bisherigen 18 Plätze in den Krankenhäusern Aichach und Friedberg sind seit Tagen belegt. Die Behandlung von Covid-Patienten läuft ausschließlich in Aichach. Am Donnerstag lagen dort 13 positiv Getestete, davon sechs auf Intensiv (alle intubiert beatmet). Beide Kliniken haben nicht unbedingt notwendige Operationen gestoppt und mehrere OP-Säle geschlossen. Das frei werdende Personal wird die Mitarbeiter der Intensivstationen unterstützen. Auch Soldaten sind dort im Einsatz. Klinik-Chef Dr. Hubert Mayer kündigte an, man versuche sich so aufzustellen, dass man keine Intensivpatienten an andere Häuser verlegen muss, da diese ebenfalls keine Kapazitäten mehr haben. Die Covid-Patienten in Aichach seien verhältnismäßig jung, größtenteils mit einer Mutation infiziert, die Krankheitsverläufe seien schwer.