Augsburger Allgemeine (Land West)
Stern statt Legende
FC Bayern Die Münchner suchen sich nach dem Aus in der Champions League ein neues Ziel
München Nun, da neben dem DFBPokal auch noch die Chance auf den Sieg in der Champions League verspielt ist, gehen die Münchner einem Saisonende entgegen, das sie derart nicht gewohnt sind. Am Ende der Spielzeit haben aus Münchner Sicht gefälligst K.-o.-Spiele zu stehen. Nach dem letztlich nutzlosen Sieg in Paris aber gilt die volle Aufmerksamkeit der Bundesliga und Trainer Hansi Flick blieb nichts anderes übrig, als das Spiel beim VfL Wolfsburg am Samstag zu einer Partie von übergeordneter Bedeutung zu reden.
Als Tabellendritter haben die Wolfsburger als Spitzenmannschaft zu gelten, doch selbst bei einer Niederlage würden die Münchner immer noch von der Spitze der Tabelle grüßen. Es gibt Aufeinandertreffen, für die sich Spieler einfacher motivieren lassen. Doch davon möchte Flick nichts wissen. Nicht einmal im Falle von Jérôme Boateng, David Alaba und Javi Martínez. Die drei haben am Dienstag letztmals für die Bayern im Europapokal gespielt, sie verlassen allesamt nach der Saison den Rekordmeister. Flick aber glaubt nicht, dass es eine Extraportion Motivation braucht, um die drei für das Spiel in Wolfsburg zu begeistern. „Es ist ihr Job, es ist ihre Berufung, es ist ihre Leidenschaft. Jeder ist dankbar, dass er hier spielen durfte. Jetzt ist es wichtig, es gut zu Ende zu bringen“, so der Trainer.
Sollte es jemandem aber dennoch an der notwendigen Einstellung gebrechen, könnte ein Blick auf die Kleidungsvorschrift des Ligaverbandes zum Laufen animieren.
„Ich habe gehört, dass man einen fünften Stern bekommen könnte, wenn man noch mal Meister wird. Das wäre eine schöne Sache, wenn man den fünften Stern auf den Trikots bekommen könnte“, sagte Hansi Flick. Nach dem 20. Liga-Titel erhielten die Münchner 2008 Stern Nummer vier, für Titel Nummer 30 dürften sie sich einen fünften Stern auf ihre Arbeitskleidung sticken lassen.
Statt mit dem wiederholten Gewinn der Champions League Legendenstatus zu erreichen, spielen die Bayern um einen Stern auf ihrem Leibchen. Und nicht einmal den haben sie schon sicher. Für die Partie am Samstag fallen weiterhin Robert Lewandowski, Leon Goretzka, Serge Gnabry und Niklas Süle aus. Flicks Möglichkeiten, mit frischem Personal anzutreten, sind reichlich beschränkt. Mit Javi Martínez und Jamal Musiala stehen lediglich zwei Alternativen zur Verfügung, die erwiesenermaßen das notwendige Format besitzen, um einen der geschlauchten Stammspieler zu ersetzen.
Vor allem Joshua Kimmich machte in Paris den Eindruck, eine Pause zu benötigen. Selbstverständlich spulte er trotzdem noch die größte Laufstrecke ab, allerdings fehlte es seinem Spiel an Elan und Präzision. Dass Flick neben Goretzka aber auch noch auf seinen zweiten Anker im zentralen Mittelfeld verzichtet, ist unwahrscheinlich. Immerhin ließ der Trainer durchblicken, dass er in der kommenden Woche mit dem ein oder anderen Neuzugang aus dem Lazarett rechnet. Möglicherweise können einige der angeschlagenen Spieler am kommenden Dienstag gegen Bayer Leverkusen mitwirken. Eine Partie, die wenigstens ein K.-o.-Spiel imitiert: unter der Woche, Flutlicht.
Letztlich aber können die Münchner auch gegen Bayer nichts gewinnen – außer bessere Aussichten, in der kommenden Saison einen weiteren tragen zu dürfen. Nach den Strapazen der vergangenen Wochen wäre ein Leistungsabfall verständlich. Bislang aber widerstand das Team dem Bedürfnis nach Erholung beständig.
Alaba, Martínez und Boateng sind Rhythmus und Anspruchshaltung seit Jahren gewohnt. Sie gewannen zwei Mal die Champions League zusammen, gelten den Bayern-Fans als Helden der Neuzeit. Nicht aber wegen Spielen gegen den VfL Wolfsburg. Helden werden in Partien gemacht, die die Bayern in dieser Saison nicht mehr bestreiten.
Seit etlichen Jahren haben sich rührige Helfer der Profis angenommen, auf dass sie nicht gänzlich dem Wahnsinn anheimfallen. Um Millionengehälter auszuhandeln (da geht es um SIEBENSTELLIGE Zahlen!), bedarf es einem Faible für höhere Mathematik. Sich in die Hände eines Beraters zu begeben, ist deswegen unerlässlich.
Für Horst Szymaniak kamen die Segnungen des Beraterwesens zu spät. Der Mittelfeldspieler musste sich in den 50er und 60er Jahren noch selbst um die Ausgestaltung seines Vertragswerkes kümmern. Von einer jener Verhandlungen ist das Bonmot überliefert: „Ich will ein Viertel, nicht nur ein Drittel mehr.“Eine Mahnung an alle Spieler, doch bitte den Kopf dazu zu nutzen, wofür der liebe Herrgott ihn auf den Hals gesetzt hat: Kopfbälle. Alles andere regeln die Berater.
Joshua Kimmich hat sich von der ihm zur Seite stehenden Agentur getrennt. Er wolle fortan selbst die Verhandlungen übernehmen, schließlich kenne niemand seinen Wert so gut wie er selbst. Bayerns Mittelfeldmann gilt als kluger Kopf der Zunft. Er könnte das Bild der eindimensional Begabten verbessern. Horst Szymaniak wäre stolz.