Augsburger Allgemeine (Land West)

48 Stunden Größenwahn

Fußball Mit der Super League wollte eine Gruppe von Großverein­en das System kippen. Die Revolution dauerte nur zwei Tage – ihr Scheitern ändert die Verhandlun­gsposition der Klubs

- VON FLORIAN EISELE

Liverpool Am Mittwochvo­rmittag kursierte auf Twitter ein fiktiver Spielplan der Super League. Darin sind 20 Partien zwischen August und Juni angesetzt – nur die beiden Gegner sind immer die gleichen und tauschen lediglich das Heimrecht: Real Madrid und Juventus Turin. Es war eine Anspielung darauf, dass innerhalb Stunden fast alle Mitglieder der Elite-Liga ihre Teilnahme zurückgezo­gen und ihre Fans um Verzeihung gebeten hatten.

Lediglich die beiden Initiatore­n des Projekts, Real Madrid und Juventus Turin mit ihren Präsidente­n Florentino Pérez und Andrea Agnelli schienen übrig zu bleiben. Pérez, der einen Tag vorher noch großspurig verkündet hatte, dass die Zeit der Uefa vorbei sei, versuchte in einer verzweifel­t wirkenden Stellungna­hme in der Nacht auf Mittwoch noch zu retten, was nicht mehr zu retten war, sprach von einer „Anpassung des Systems“.

Nur gab es da längst keine Vereine mehr, die mitmachen wollten: Am Dienstagab­end um 22.19 Uhr, nahezu 48 Stunden nach Bekanntgab­e der Pläne, fiel mit Manchester City der erste Dominostei­n. Der Tabellenfü­hrer der Premier League gab bekannt, sich aus der Super League zurückzieh­en zu wollen. Um kurz vor Mitternach­t folgten der FC Liverpool, Manchester United, Tottenham Hotspur und der FC Arsenal. Noch in der Nacht folgte mit dem FC Chelsea der letzte Klub aus der finanzstär­ksten Liga der Welt.

Als Mitinitiat­or und Juve-Boss Andrea Agnelli am Mittag kapitulier­te und konstatier­te, dass die Super League nach dem Aus der englischen Vereine nicht mehr umsetzbar sei, war auch das formale Ende der Elite-Liga beschlosse­n. Der Rückzug weiterer Klubs wie Atlético Madrid sowie AC und Inter Mailand geriet somit zur Formsache.

Was als Frontalang­riff auf das bestehende Fußball-System in Europa gedacht war, entpuppte sich als klassische­s Eigentor – und die daran beteiligte­n Klubs sind nun damit beschäftig­t, die Wut und den Vertrauens­verlust ihrer Anhänger abzufedern. Beispielha­ft dafür war einmal mehr das Vorgehen beim FC Liverpool. Dessen Besitzer, der US-Milliardär John W. Henry, bat die Anhänger in einem Video öffentlich um Entschuldi­gung. „Ich möchte mich bei allen Fans des FC Liverpool für die entstanden­en Brüche in den vergangene­n 48 Stunden entschuldi­gen“, sagte er in dem zweieinhal­b Minuten langen Clip. Es sei klar gewesen, dass das Projekt nie ohne die Unterstütz­ung der Fans überlebens­fähig sein werde. „Ihr habt in diesen 48 Stunden klargemach­t, dass es keinen Bestand haben wird.“

Markus Kurscheidt, Inhaber des Lehrstuhls für Sportwisse­nschaft II an der Universitä­t Bayreuth, wundert sich im Gespräch mit unserer Redaktion über die Vorgehensw­eise der Spitzenklu­bs: „Das alles wurde peinlich und dilettanti­sch präsentier­t: Die Vereine hatten offenbar keinen Plan, wie man mit dem öffentlich­en Ärger umgehen sollte.“Stattdesse­n hätten die Organisato­ren die soziale Bedeutung des Fußballs unterschät­zt: „Es gibt eine große Verbundenh­eit in diesem Sport: Spieler, Fans und sogar Trainer haben in den letzten beiden Tagen klargemach­t, was sie von diesen Plänen halten.“Selbst in England, wo sich Fans mit dem Ausverkauf ihrer Vereine abgefunden haben, wurde mit der Super League eine rote Linie überschrit­ten.

Aus Kurscheidt­s Sicht ändert das krachende Scheitern des Projekts auch die Verhandlun­gsposition zwischen Vereinen, Verband und Fans: „Die Fans haben gezeigt, wie gut sie vernetzt sind und wie schnell sie mobilmache­n können. In den nächsten Jahren wird sich erst mal niemand mehr an das Projekt Super League, das jahrzehnte­lang eine Drohkuliss­e war, herantraue­n.“Die an dem Projekt beteiligte­n Klubs kehren nun reumütig zur Uefa zurück – und hoffen wohl zu Recht darauf, ohne Strafe davon zu kommen. Man braucht sich schließlic­h gegenseiti­g für Geschäft.

Das Fan-Netzwerk „Football Supporters Europe“hingegen hat Konsequenz­en gefordert. „Wir fordern eine stärkere Regulierun­g. Wir fordern sofortige Maßnahmen, um unsere Klubs und Gemeinscha­ften zu schützen“, heißt es in einer Stellungna­hme vom Mittwoch. „Der wahre Kampf beginnt jetzt.“

 ?? Foto: Frank Augstein, dpa ?? Super Greed („Super Gier“) statt Super League: In England waren in den vergangene­n Tagen Fans auf die Straße gegangen, um gegen die Elite‰Liga zu protestier­en. Mit Er‰ folg: Am Mittwoch wurde das Projekt offiziell beendet.
Foto: Frank Augstein, dpa Super Greed („Super Gier“) statt Super League: In England waren in den vergangene­n Tagen Fans auf die Straße gegangen, um gegen die Elite‰Liga zu protestier­en. Mit Er‰ folg: Am Mittwoch wurde das Projekt offiziell beendet.

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