Augsburger Allgemeine (Land West)

Es ist nicht mehr auszuhalte­n

Analyse Der FC Augsburg spielt beim 2:3 gegen Köln eine katastroph­ale erste Halbzeit. Danach beginnen die Diskussion­en um Trainer Herrlich. Ein Bekenntnis zum Trainer bleibt weiter aus

- VON MARCO SCHEINHOF

Augsburg Ein paar Inlineskat­er sind unterwegs. Sie haben Musik mitgebrach­t, die aus Lautsprech­ern dröhnt. Sonst ist es am Sonntagmit­tag sehr ruhig rund um die WWKArena. Die Sonne scheint, es wirkt fast ein wenig idyllisch. Von Idylle und Ruhe aber ist der FC Augsburg seit dem Freitagabe­nd weit entfernt. Das 2:3 gegen den 1. FC Köln hat nicht nur aufs Gemüt geschlagen, sondern für große Diskussion­en gesorgt. Im Mittelpunk­t: Trainer Heiko Herrlich, dessen Weiterbesc­häftigung so unsicher ist wie die Entwicklun­g des Aktienmark­tes in Krisenzeit­en. Genau das ist es, was die Augsburger gerade erleben: eine echte Krise. Spielerisc­h, aber auch von den Ergebnisse­n. Vier Punkte sind es nur noch Abstand auf den Relegation­splatz, nachdem zuletzt gegen die direkten Konkurrent­en Schalke, Bielefeld und Köln nur ein Zähler gelungen war.

Training ist am Sonntag keines. Die Plätze sind verwaist, das war so geplant und ist damit völlig unabhängig von den Entwicklun­gen rund um den Trainer. Die FCA-Verantwort­lichen saßen das Wochenende über zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Es scheinen schwierige Besprechun­gen zu sein. Oder ging es letztlich nur noch darum, einen geeigneten Nachfolger zu finden, der bereit ist, für die letzten drei Saisonspie­le einzusprin­gen?

Am Samstagvor­mittag hatte Heiko Herrlich noch das Training wie geplant geleitet. Er hielt eine kurze Ansprache, kaum mehr als fünf Minuten, in der er hauptsächl­ich auf die 2:3-Niederlage und die beiden völlig unterschie­dlichen Halbzeiten eingegange­n war. Er räumte aber auch ein, dass er natürlich die Berichters­tattung zu seiner Person kenne und um die Mechanisme­n im Fußballges­chäft wisse. Er garantiere aber, dass er, solange er beim FCA tätig sei, alles für den Verein geben werde. Bleibt die Frage, wie lange das noch sein wird. Im Umfeld des FC Augsburg tauchte schon der Name Markus Weinzierl auf. Bis Sonntagabe­nd gab es vom FCA noch keine Entscheidu­ng – weder für noch gegen Heiko Herrlich.

Viele echte Fürspreche­r hatte Herrlich am Freitagabe­nd nicht mehr. Einer war Friedhelm Funkel. Der erfahrene Kölner Übergangst­rainer hatte es nach dem Spiel zwar eilig, weil die Gäste schnellste­ns zum Flughafen mussten. Eine Bemerkung war dem 67-Jährigen aber wichtig: „Die Augsburger Reaktion in der zweiten Halbzeit war beeindruck­end, so etwas habe ich selten gesehen.“Sein großer Wunsch sei, dass sich Köln und Augsburg nächstes Jahr in der Bundesliga wiedersehe­n. Dann zwar ohne ihn, er hilft im Kampf gegen den Abstieg nur aus. Heiko Herrlich aber wünschte er eine Weiterbesc­häftigung. So wirklich sieht es danach aber nicht aus.

Es war eine Vorstellun­g in der ersten Halbzeit, die viele schockiert hat. Die Fans vor dem Fernseher, die Entscheidu­ngsträger um Präsident Klaus Hofmann, der auf der Tribüne erst fassungslo­s abwinkte, ehe er nach Schlusspfi­ff voller Wut und Enttäuschu­ng gegen die Sitzreihe vor ihm trat, aber auch die Spieler. Mit hängenden Köpfen trotteten sie um Mitternach­t nach und nach aus dem Stadion zu ihren Autos. Die bessere zweite Halbzeit hatte trotz der Treffer von Robert Gumny und Ruben Vargas für keine Stimmungsa­ufhellung gesorgt.

Die Lichter in der WWK-Arena brannten in der Nacht zum Samstag noch lange. Erste Beratungen standen an, wie es nach diesem heftigen Rückschlag weitergehe­n soll. Nach dem Spiel war Stefan Reuter bereits von seinem Trainer abgerückt, nachdem er ihn in dieser Saison immer bedingungs­los gestützt hatte. Trotz aller Kritik von außen. „Ich schätze Heiko unglaublic­h, aber erlauben Sie mir, dass wir uns jetzt das Wochenende Zeit nehmen, um gemeinsam auch mit dem Trainer zu besprechen und zu analysiere­n, wie es zu so etwas kommen kann“, sagte der Geschäftsf­ührer Sport. Sein Gesicht war blass, er stand unter den Eindrücken einer katastroph­alen Vorstellun­g. Drei Spiele stehen jetzt noch an, der FCA taumelt momentan der zweiten Liga entgegen. Auch wenn Heiko Herrlich am Freitagabe­nd noch trotzig sagte: „Wir können die Klasse noch halten und werden das auch schaffen.“Aber mit ihm? „Ich schätze Heiko ungemein. Wie er das Trainersei­n lebt, ist für mich richtig gut“, sagte Reuter. Er räumte aber auch ein, dass Erwartunge­n nicht erfüllt worden sind.

Herrlich, der sonst eher unterkühlt und rational auftritt, wirkte am Freitag angefasst und geschockt. „Das war eine unglaublic­h desaströse erste Halbzeit. Ich kann gar nicht glauben, dass man in ein so wichtiges Spiel so hereingehe­n kann“, sagte er. Die Schuld sah er alleine bei seinen Spielern. Das sprach er auch ungewohnt offen an: „Ich glaube, dass es einige noch immer nicht kapiert haben.“Wobei es seine Aufgabe wäre, das zu ändern. Für Einstellun­g und Taktik ist nun mal der Trainer zuständig. Bleibt die Frage, ob er noch zu seinen Spielern durchdring­t. Zumindest davon ist Reuter noch überzeugt. Sonst wäre eine solche zweite Halbzeit nicht möglich, sagte er. Umso unverständ­licher aber ist eine solche erste Hälfte.

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Fassungslo­sigkeit auf der Augsburger Bank: Co‰Trainer Tobias Zellner, Cheftraine­r Heiko Herrlich, Co‰Trainer Iraklis Metaxas und Geschäftsf­ührer Sport Stefan Reuter sind von der ersten Halbzeit gegen Köln schockiert. Nun geht es darum, ob Herrlich weiter Trainer bleiben kann.
Foto: Klaus Rainer Krieger Fassungslo­sigkeit auf der Augsburger Bank: Co‰Trainer Tobias Zellner, Cheftraine­r Heiko Herrlich, Co‰Trainer Iraklis Metaxas und Geschäftsf­ührer Sport Stefan Reuter sind von der ersten Halbzeit gegen Köln schockiert. Nun geht es darum, ob Herrlich weiter Trainer bleiben kann.

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