Augsburger Allgemeine (Land West)
Es ist nicht mehr auszuhalten
Analyse Der FC Augsburg spielt beim 2:3 gegen Köln eine katastrophale erste Halbzeit. Danach beginnen die Diskussionen um Trainer Herrlich. Ein Bekenntnis zum Trainer bleibt weiter aus
Augsburg Ein paar Inlineskater sind unterwegs. Sie haben Musik mitgebracht, die aus Lautsprechern dröhnt. Sonst ist es am Sonntagmittag sehr ruhig rund um die WWKArena. Die Sonne scheint, es wirkt fast ein wenig idyllisch. Von Idylle und Ruhe aber ist der FC Augsburg seit dem Freitagabend weit entfernt. Das 2:3 gegen den 1. FC Köln hat nicht nur aufs Gemüt geschlagen, sondern für große Diskussionen gesorgt. Im Mittelpunkt: Trainer Heiko Herrlich, dessen Weiterbeschäftigung so unsicher ist wie die Entwicklung des Aktienmarktes in Krisenzeiten. Genau das ist es, was die Augsburger gerade erleben: eine echte Krise. Spielerisch, aber auch von den Ergebnissen. Vier Punkte sind es nur noch Abstand auf den Relegationsplatz, nachdem zuletzt gegen die direkten Konkurrenten Schalke, Bielefeld und Köln nur ein Zähler gelungen war.
Training ist am Sonntag keines. Die Plätze sind verwaist, das war so geplant und ist damit völlig unabhängig von den Entwicklungen rund um den Trainer. Die FCA-Verantwortlichen saßen das Wochenende über zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Es scheinen schwierige Besprechungen zu sein. Oder ging es letztlich nur noch darum, einen geeigneten Nachfolger zu finden, der bereit ist, für die letzten drei Saisonspiele einzuspringen?
Am Samstagvormittag hatte Heiko Herrlich noch das Training wie geplant geleitet. Er hielt eine kurze Ansprache, kaum mehr als fünf Minuten, in der er hauptsächlich auf die 2:3-Niederlage und die beiden völlig unterschiedlichen Halbzeiten eingegangen war. Er räumte aber auch ein, dass er natürlich die Berichterstattung zu seiner Person kenne und um die Mechanismen im Fußballgeschäft wisse. Er garantiere aber, dass er, solange er beim FCA tätig sei, alles für den Verein geben werde. Bleibt die Frage, wie lange das noch sein wird. Im Umfeld des FC Augsburg tauchte schon der Name Markus Weinzierl auf. Bis Sonntagabend gab es vom FCA noch keine Entscheidung – weder für noch gegen Heiko Herrlich.
Viele echte Fürsprecher hatte Herrlich am Freitagabend nicht mehr. Einer war Friedhelm Funkel. Der erfahrene Kölner Übergangstrainer hatte es nach dem Spiel zwar eilig, weil die Gäste schnellstens zum Flughafen mussten. Eine Bemerkung war dem 67-Jährigen aber wichtig: „Die Augsburger Reaktion in der zweiten Halbzeit war beeindruckend, so etwas habe ich selten gesehen.“Sein großer Wunsch sei, dass sich Köln und Augsburg nächstes Jahr in der Bundesliga wiedersehen. Dann zwar ohne ihn, er hilft im Kampf gegen den Abstieg nur aus. Heiko Herrlich aber wünschte er eine Weiterbeschäftigung. So wirklich sieht es danach aber nicht aus.
Es war eine Vorstellung in der ersten Halbzeit, die viele schockiert hat. Die Fans vor dem Fernseher, die Entscheidungsträger um Präsident Klaus Hofmann, der auf der Tribüne erst fassungslos abwinkte, ehe er nach Schlusspfiff voller Wut und Enttäuschung gegen die Sitzreihe vor ihm trat, aber auch die Spieler. Mit hängenden Köpfen trotteten sie um Mitternacht nach und nach aus dem Stadion zu ihren Autos. Die bessere zweite Halbzeit hatte trotz der Treffer von Robert Gumny und Ruben Vargas für keine Stimmungsaufhellung gesorgt.
Die Lichter in der WWK-Arena brannten in der Nacht zum Samstag noch lange. Erste Beratungen standen an, wie es nach diesem heftigen Rückschlag weitergehen soll. Nach dem Spiel war Stefan Reuter bereits von seinem Trainer abgerückt, nachdem er ihn in dieser Saison immer bedingungslos gestützt hatte. Trotz aller Kritik von außen. „Ich schätze Heiko unglaublich, aber erlauben Sie mir, dass wir uns jetzt das Wochenende Zeit nehmen, um gemeinsam auch mit dem Trainer zu besprechen und zu analysieren, wie es zu so etwas kommen kann“, sagte der Geschäftsführer Sport. Sein Gesicht war blass, er stand unter den Eindrücken einer katastrophalen Vorstellung. Drei Spiele stehen jetzt noch an, der FCA taumelt momentan der zweiten Liga entgegen. Auch wenn Heiko Herrlich am Freitagabend noch trotzig sagte: „Wir können die Klasse noch halten und werden das auch schaffen.“Aber mit ihm? „Ich schätze Heiko ungemein. Wie er das Trainersein lebt, ist für mich richtig gut“, sagte Reuter. Er räumte aber auch ein, dass Erwartungen nicht erfüllt worden sind.
Herrlich, der sonst eher unterkühlt und rational auftritt, wirkte am Freitag angefasst und geschockt. „Das war eine unglaublich desaströse erste Halbzeit. Ich kann gar nicht glauben, dass man in ein so wichtiges Spiel so hereingehen kann“, sagte er. Die Schuld sah er alleine bei seinen Spielern. Das sprach er auch ungewohnt offen an: „Ich glaube, dass es einige noch immer nicht kapiert haben.“Wobei es seine Aufgabe wäre, das zu ändern. Für Einstellung und Taktik ist nun mal der Trainer zuständig. Bleibt die Frage, ob er noch zu seinen Spielern durchdringt. Zumindest davon ist Reuter noch überzeugt. Sonst wäre eine solche zweite Halbzeit nicht möglich, sagte er. Umso unverständlicher aber ist eine solche erste Hälfte.