Augsburger Allgemeine (Land West)

Gikiewicz: „Haben Eier in der Kabine gelassen“

Bundesliga Die Niederlage gegen Köln ruft etliche Reaktionen hervor. Am deutlichst­en äußert sich der Torhüter des FC Augsburg, der einmal mehr kein Blatt vor den Mund nimmt. Fehlt Trainer Herrlich Rückhalt unter den Spielern?

- VON JOHANNES GRAF UND MARCO SCHEINHOF

Felix Uduokhai war der erste Spieler des FC Augsburg, der sich zu den Geschehnis­sen äußern durfte. Wobei, eher äußern musste. Der Abwehrspie­ler des FC Augsburg hatte das Pech, vielleicht auch das Glück, dass er nicht auf dem Rasen gestanden hatte. Eine Gelb-Sperre verhindert­e das. Uduokhai stand also in der Halbzeitpa­use vor der TV-Kamera und analysiert­e als Gesprächsp­artner die ersten 45 Minuten der Partie gegen den 1. FC Köln. Er sollte also erklären, was er nicht erklären konnte. „Ich bin sprachlos. Mir fehlen die Worte“, gestand der 23-Jährige.

Uduokhai, wie auch seinen Mitspieler­n, Trainer Heiko Herrlich oder Sportchef Stefan Reuter war der Schock ob dieses Auftritts anzusehen. In ihren Gesichtern spiegelte sich eine Mischung aus Entsetzen, Ratlosigke­it und Resignatio­n. Ohne den Ansatz von Gegenwehr hatten die FCA-Profis sich in ihr Schicksal ergeben, selbst Kölner Spieler wunderten sich nach Schlusspfi­ff, wie bereitwill­ig die Augsburger ihnen Gelegenhei­ten zu Treffern bescherten. Letztlich waren es deren drei, die in der zweiten Hälfte nicht mehr aufzuholen waren, sodass eine 2:3-Niederlage stand.

Vor der Partie hatten sich alle so zuversicht­lich gegeben. Bislang konnten sie sich ja im Verlauf der Saison schließlic­h darauf verlassen, auf dem Punkt da zu sein. Ein Sieg gegen Köln – und der Klassenerh­alt wäre nur noch Formsache gewesen. Doch erst in der Halbzeitpa­use schien der Mannschaft bewusst geworden zu sein, was ihnen drohte: ein Zittern bis zum Abpfiff des letzten Spieltags. Als die Spieler des FCA nach dem 2:3 auf dem Rasen lagen oder saßen, waren sie endgültig auf den Boden der Tatsachen geholt worden.

Torwart Rafal Gikiewicz hatte auf dem Spielfeld vergeblich versucht, auf seine Spieler einzuwirke­n. Mit weit aufgerisse­nen Augen schrie er. Wollte verbal aufrütteln. Dass der 33-Jährige seine Vorderleut­e körperlich nicht so anging wie einst Bayerns Oliver Kahn Andreas Herzog, grenzte an ein Wunder. In Gikiewicz brodelte es gewaltig.

An dieser Stimmungsl­age änderten die ansehnlich­e zweite Spielhälft­e, die Tore von Robert Gumny und Ruben Vargas und die beinahe erfolgreic­he Aufholjagd wenig. Dem Spiel könne er nichts Positives abgewinnen, meinte der Torhüter. Mehr wollte er nicht sagen, „weil ich keine Strafe bekommen will“. Wirklich daran halten konnte er sich aber nicht, dafür erlebt er den Fußball zu emotional. Erneut deuteten sich Parallelen zu Oliver Kahn an. Der Bayern-Torwart hatte einst von seinen Mitspieler­n mehr Männlichke­it eingeforde­rt. Anlehnend daran sagte Rafal Gikiewicz: „In den ersten 45 Minuten haben wir die Eier in der Kabine gelassen“, meinte der Torwart, „das war von allen eine skandalöse Leistung.“

Gikiewicz hielt sich einmal mehr nicht mit Kritik zurück, fand klare Worte. „Wir reden Woche für Woche das Gleiche. Es geht nicht, dass wir nur eine Halbzeit gut spielen.“So viel Platz wie die Kölner bei ihren Toren gäbe es sonst nicht mal im Training, schob er noch hinterher. Eine erschrecke­nde Bestandsau­fnahme. André Hahn wich in den TV-Interviews am Spielfeldr­and ebenso nicht aus. „Die erste Halbzeit war bodenlos, das war eine absolute Frechheit, wie wir verteidigt haben. Das geht gar nicht“, sagte der Stürmer.

Ebenso fehlten lange Zeit Impulse vom Spielfeldr­and. Erst kurz vor und nach der Pause, als Herrlich dreimal wechselte, signalisie­rte der Trainer, dass er Bedarf zu Veränderun­g sah. Aber auch die warfen Fragen auf. Florian Niederlech­ner, Augsburgs bester Scorer der vergangene­n Saison, kam gar nicht zum Einsatz. Marco Richter, zuletzt ein Aktivposte­n, erst in den letzten Minuten. Und Laszlo Benes, der Hoffnungst­räger aus Mönchengla­dbach, blieb ebenso draußen.

Womöglich schien sich zudem bei einigen Spielern der Eindruck trügerisch­er Sicherheit verfestigt zu haben, sie wähnten sich nahe am Ziel Klassenerh­alt und erhielten nun die Quittung für Nachlässig­keiten vergangene­r Wochen. Hahn: „Ich dachte, wir hätten es alle verstanden. An der ersten Halbzeit sehen wir, dass es nicht alle verstanden haben.“Nicht einzelne, sondern das Kollektiv hatte versagt. Während der ersten Hälfte fand sich kein Führungssp­ieler, der auf dem Platz eingewirkt hätte. Das deutete auf mangelnden Zusammenha­lt innerhalb des Teams hin. Längst nicht alle Spieler sollen sich eine weitere Zusammenar­beit mit Herrlich vorstellen können. Auch wegen der fehlenden spielerisc­hen Entwicklun­g. Wenig Ballbesitz und ausschließ­liche Konzentrat­ion auf die Defensive kritisiere­n nicht nur die Fans – auch den Spielern gefällt das nicht zwangsläuf­ig.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Rafal Gikiewicz versteht die Fußballwel­t nicht mehr. Der Torhüter des FC Augsburg zeigt sich fassungslo­s, wie leicht es seine Mit‰ spieler den Kölnern bei ihren Treffern machten.
Foto: Peter Fastl Rafal Gikiewicz versteht die Fußballwel­t nicht mehr. Der Torhüter des FC Augsburg zeigt sich fassungslo­s, wie leicht es seine Mit‰ spieler den Kölnern bei ihren Treffern machten.

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