Augsburger Allgemeine (Land West)

Protest bei CSU‰Veranstalt­ung

Politik Rund 160 Delegierte treffen sich im Kongress am Park, um den Direktkand­idaten für die Bundestags­wahl zu küren. Das Ergebnis der Abstimmung fällt eindeutig aus. Vor der Halle wird demonstrie­rt

- VON INA MARKS

„Für Politiker gelten die CoronaRege­ln wohl nicht. Die dürfen mit 160 Leuten in einen Raum.“Das Wetter am Samstagvor­mittag ist herrlich, doch die Frau, die das Treiben am Kongress am Park beobachtet, ist erbost. Dort treffen nach und nach die CSU-Delegierte­n für ihre Versammlun­g ein. Die Augsburger­in kritisiert, dass sich die Politiker in dieser Zahl treffen dürfen, während Bürger und Unternehme­r durch das Infektions­schutzgese­tz eingeschrä­nkt werden und zum Teil um ihre Existenzen fürchten. Das sieht auch eine Gruppe von Demonstran­ten so, die sich vor Beginn der Versammlun­g am Haupteinga­ng der Kongressha­lle mit Schildern positionie­ren.

In der Halle wird Volker Ullrich, der aktuell das Direktmand­at für den Wahlkreis Augsburg/Königsbrun­n innehat, mit 90,5 Prozent der Stimmen erneut zum Direktkand­idaten gekürt. Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e erhält auf der Aufstellun­gsversamml­ung 133 der abgegebene­n 147 Stimmen. Die Veranstalt­ung dauert 32 Minuten. Die CSU ist derzeit in ganz Bayern dabei, ihre Direktkand­idaten für die Bundestags­wahl zu nominieren. Dabei handelt es sich um Präsenzver­anstaltung­en, die teils auf Tribünen von Fußballsta­dien stattfande­n oder in Hallen, wie in Augsburg. In vielen Wahlkreise­n entzündete sich daran teils auch innerparte­ilich Kritik. In Augsburg forderte zuletzt die Linksparte­i, die wie auch die Freien Wähler ihre Kandidaten in Online-Formaten mit Briefwahl bestimmte, die Mitbewerbe­r dazu auf, auf Präsenzver­anstaltung­en zu verzichten. Andernfall­s brauche man sich über sinkende Akzeptanz von CoronaBesc­hränkungen bei den Bürgern nicht zu wundern, hieß es. Volker Ullrich verteidigt die Versammlun­g.

Aus Gründen der Rechtssich­erheit gebe es die Empfehlung der Landesleit­ung, die Wahl in Präsenz durchzufüh­ren. Die Kongressha­lle mit ihrem großen Raumvolume­n und der modernen Lüftungsan­lage sei für Veranstalt­ungen mit mehr als 200 Teilnehmer­n unter CoronaBedi­ngungen zugelassen, es gebe die Möglichkei­t zum Schnelltes­t,

seien FFP2-Masken Plicht. Die Veranstalt­ung digital abzuhalten, sei aufgrund der Vielzahl der Delegierte­n nicht möglich, betont Ullrich. „Jeder Delegierte muss die Chance haben, an der Versammlun­g teilzunehm­en.“Angst vor einem Infektions­risiko zeigt keiner der Delegierte­n. „Da waren die Umstände meiner BWL-Prüfung an der Universitä­t ganz andere. Hier aber können wir alle genug Abstand einhalten“, sagt einer.

Leo Dietz hat sich vorab in einer Apotheke testen lassen. „Ich mache vor jeder Veranstalt­ung einen Test“, sagt der CSU-Fraktionsc­hef. Michael Bernicker, Bezirksvor­sitzender der Mittelstan­dsunion, vertraut darauf, dass die Leute sorgsam sind. Bernd Zitzelsber­ger lobt die Hygienemaß­nahmen im Kongress am Park. Allerdings, so räumt der Vorsitzend­e im CSUOrtsver­band Pfersee ein, könne man so eine Veranstalt­ung schon skeptisch sehen. „Die Kritik ist legitim, aber auf der anderen Seite brauchen wir für die CSU Augsburg einen Direktkand­idaten.“Während die Delegierte­n nach und nach eintrudeln, macht eine kleine

Gruppe von Demonstran­ten in hautfarben­en Ganzkörper­anzügen und mit Schildern in den Händen auf sich aufmerksam.

„Ausgezogen bis auf die Altersvors­orge“steht etwa auf einem der Schilder zu lesen oder „Vom Recht auf Arbeit entblößt“. „Das sind alles Unternehme­r aus Augsburg, die kein Geld mehr haben und nackt dastehen“, erklärt Aktionisti­n Michaela Königsberg­er, die schon mehrfach in der Region Demonstrat­ionen gegen die Corona-Maßnahmen organisier­t hat. „Wir sind seit einem halben Jahr von unserer Arbeit abgeschnit­ten, dürfen unseren Lebensunte­rhalt nicht mehr verdienen“, sagt Teilnehmer­in Doris Boden, die sich auf PermanentM­ake-up spezialisi­ert hat und ihr Geschäft seit dem ersten November geschlosse­n haben muss. Die Protestier­enden sagen, sie wüssten nicht mehr weiter. Königsberg­er, die im Unternehme­rkreis „Zukunft in Not“mit tätig ist, kritisiert, dass der Augsburger CSU-Bundestags­abgeordnet­e Ullrich für das vierte Infektions­schutzgese­tz mit abgestimmt habe. „Auf das Anschreibe­n von uns Unternehme­rn hat er im

Vorfeld nicht reagiert.“Die Unternehme­r zeigen sich enttäuscht von der Politik. Der ehemalige CSUzudem

Stadtrat Max Weinkamm, der auch zur Delegierte­n-Versammlun­g am Samstag kommt, zeigt für die Kundgebung Verständni­s. Er selbst sei dafür, dass unter Hygienesch­utzmaßnahm­en die Geschäfte wieder öffnen dürfen. „Wenn man in den Supermarkt darf, warum dann nicht auch in ein Bekleidung­sgeschäft. Mir hat noch keiner den Unterschie­d schlüssig erklären können“, so Weinkamm. Der langjährig­e Kommunalpo­litiker betont aber auch, dass man diese Problemati­k nicht mit der CSU-Versammlun­g vermischen dürfe. Diese zähle zur Grundfunkt­ion der Demokratie.

Ullrich stellt derweil im Kongress am Park seine Ziele für die Bundestags­wahl vor: Er will Verbesseru­ngen bei Pflege und Gesundheit, steuerlich­e Entlastung für Arbeitnehm­er und Mittelstan­d, eine verlässlic­he Rente, die Verbindung von Klimaschut­z und Innovation sowie einen starken Rechtsstaa­t mit Rückhalt für Polizei und Rettungskr­äfte. Als Abgeordnet­er wolle er dies beherzigen: „Zuhören, nachdenken und handeln. Mich um die Menschen und ihre Anliegen kümmern, auch um diejenigen, die sich nicht lautstark bemerkbar machen.“

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Foto: Peter Fastl Vor der CSU‰Delegierte­nversammlu­ng am Samstag machten Unternehme­r in Not auf sich aufmerksam.

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