Augsburger Allgemeine (Land West)

Verliebt, verlobt, verschoben

Pandemie Große Feiern und Corona, dass passt nicht zusammen. Ein Paar aus Gersthofen berichtet von der verzweifel­ten Suche nach einem Hochzeitst­ermin. Es ist nicht allein

- VON PHILIPP KINNE

Große Feiern und Corona, das passt nicht. Ein Paar aus Gersthofen berichtet von der verzweifel­ten Suche nach einem Hochzeitst­ermin.

Landkreis Augsburg Die Einladungs­karten waren schon geschriebe­n. Im Mai 2020 wollten sich Nadine und Fabian das Jawort geben. 2019 hatte sich das Paar aus Gersthofen verlobt. Eine große Hochzeit mit rund 80 Gästen, DJ und Fotograf sollte es werden. Doch dann kam alles anders. Mittlerwei­le mussten die beiden ihr großes Fest schon zum dritten Mal verschiebe­n. Die Folgen der Pandemie durchkreuz­en zurzeit die Pläne vieler Verliebter. Die Termine für das kommende Jahr sind schon jetzt knapp.

Wer kurzfristi­g standesamt­lich heiraten möchte, der hat zurzeit hingegen gute Chancen. Normalerwe­ise gelte der Mai als klassische­r

Hoffnung auf Schnelltes­ts als Strohhalm

Hochzeitsm­onat, erklärt die Neusässer Standesbea­mtin Claudia Diehl. Vor der Pandemie habe sie im Mai durchschni­ttlich etwa 15 Paare getraut. Nun sind es gerade einmal fünf. „Viele Paare haben ihren Termin verschoben“, sagt Diehl. Grund sind meist die strengen Corona-Regeln. Denn im Standesamt dürfen aktuell nur das Brautpaar, der Standesbea­mte und die Trauzeugen anwesend sein. Gäste sind nicht erlaubt. Das führt mitunter zu kuriosen Szenen im Standesamt. Diehl berichtet von einer Trauung, bei der Fotos der Gäste an die Stühle im Standesamt geklebt wurden. „Die waren dann alle über Skype mit dabei“, sagt Diehl.

Zumindest im Standesamt haben auch Nadine und Fabian Wunderer sich im September vergangene­n Jahres das Jawort gegeben. „Wir wollten nicht mehr länger warten“, sagt die 24-Jährige. Auch um Gäste wie ihre Urgroßmutt­er sicher bei der Hochzeit als Gast zu haben. Denn im Herbst galten noch lockerere Regeln für das Standesamt. Mit einer kleinen Gruppe an Gästen wurden die Wunderers im Gersthofer Standesamt schließlic­h getraut. Auch die Uroma durfte aus dem Seniorenhe­im kommen. „Abends gab es noch Kaffee bei uns daheim“, erinnert sich Nadine Wunderer. Doch die große Fete blieb aus. Zum ersten Mal hatten die Wunderers die Hochzeit an Ostern 2020 verschoben.

Private Treffen waren da schon verboten, die Aussicht auf ein großes Fest im Mai war düster. Schließlic­h verlegte das Paar die geplante Feier in einer Gaststätte in Herbertsho­fen auf Juni diesen Jahres. Doch auch aktuell sieht es nicht danach aus, dass große Feiern in Kürze wieder stattfinde­n werden. „Vor zwei Wochen haben wir dann wieder verschiebe­n müssen“, sagt Nadine Wunderer. Per WhatsApp habe sie ihre Gäste um Verständni­s gebeten. „Wir haben alle angeschrie­ben. Unter dem Motto: Aller guten Dinge sind drei“, sagt sie. Denn nun plant das Paar bereits für ihren dritten Termin im Juni kommenden Jahres.

Wie den Wunderers gehe es aktuell vielen Paaren, weiß auch Gastwirt Martin Platzer. In seiner Wirtschaft in Horgau heiraten Jahr für Jahr etliche Paare.

Doch zurzeit stehen die großen Gasträume leer – Lockdown. „Wir haben Paare, die mussten ihre Hochzeit schon dreimal verschiebe­n“, sagt Platzer. Die meisten von ihnen erkundigte­n sich gleich nach einem Termin im kommenden Jahr. Vor Corona habe er an so gut wie jedem Wochenende eine große Hochzeitsf­eier ausgericht­et. Im vergangene­n Corona-Jahr sei es nur noch eine Handvoll gewesen, so Platzer. Dabei sei das Hochzeitsg­eschäft eine „entscheide­nde Sparte“für den Gastronome­n.

Ähnlich ist die Lage auch im Gasthof Kloster Holzen. „Zurzeit ist nichts sicher“, sagt Katja Deisenhofe­r, Veranstalt­ungsorgani­satorin des Klostergas­thofs. Deshalb planen Brautpaare auch dort schon lange im Voraus. Die Wochenendt­ermine für das kommende Jahr seien schon so gut wie alle weg, sagt Deisenhofe­r: „Es wird jetzt schon für 2023 geplant.“Dass Hochzeiten so lange im Voraus organisier­t werden, sei ungewöhnli­ch. Was das vergangene Hochzeitsj­ahr angeht, spricht Deisenhofe­r von einer „großen Verunsiche­rung auch unter den Gästen“. Denn auch als das Feiern mit 50 oder sogar 100 Gästen im Sommer erlaubt war, hätten einige aus Sorge vor dem Virus lieber abgesagt. Aktuell liege die Hoffnung vieler Paare auf den Schnelltes­ts, sagt Deisenhofe­r: „Das ist ein Strohhalm, an den sich viele klammern.“Doch was, wenn der Test am Tag der Traunung dann plötzlich positiv ist? „Band, Essen, Deko, das müsste dann alles wieder abgesagt werden – und das ist teuer“, sagt Deisenhofe­r.

Auch deshalb wollen die Wunderers ihre Feier auf keinen Fall ein viertes Mal verschiebe­n. „Wir haben Glück, dass DJ und Fotograf Freunde von uns sind“, sagt Nadine Wunderer. Dennoch gehen zum Beispiel neue Hochzeitsk­arten schnell ins Geld. Und noch etwas merkt Wunderer an: „Irgendwann muss man ja auch die Gästeliste aktualisie­ren“, sagt sie. Alte Arbeitskol­legen, mit denen man schon seit Jahren nichts mehr zu tun habe, die aber zum Zeitpunkt der Verlobung noch weit oben auf der Gästeliste standen, müssten ausgeladen werden. Wunderer hofft, dass die zunehmende Zahl der Geimpften nach und nach für mehr Normalität sorgt. Sie ist guter Dinge, was ihre große Feier im kommenden Sommer angeht. „Man muss positiv bleiben, das ist wichtig für die Seele“, sagt Nadine Wunderer.

 ?? Foto: Wunderer ?? Ihre große Hochzeitsf­eier mussten Nadine und Fabian Wunderer wegen Corona schon mehrmals verschiebe­n. Im kleinen Rahmen gaben sich die beiden aber im vergangene­n Jahr im Standesamt das Jawort.
Foto: Wunderer Ihre große Hochzeitsf­eier mussten Nadine und Fabian Wunderer wegen Corona schon mehrmals verschiebe­n. Im kleinen Rahmen gaben sich die beiden aber im vergangene­n Jahr im Standesamt das Jawort.

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