Augsburger Allgemeine (Land West)

„Wir werden mindestens zehn Jahre hierbleibe­n“

Interview Weshalb der Bezug einer neuen Zentrale ein starkes Bekenntnis zum Standort Augsburg ist, erklärt Weltbild-Chef Christian Sailer. Er sagt auch, wie er den Online-Handel ausbauen wird und welche Rolle dann noch die Filialen spielen

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Herr Sailer, Corona hat dem OnlineHand­el einen Boom beschert. Wie hat Weltbild die Entwicklun­g erlebt? Christian Sailer: Wir sind mit der Geschäftse­ntwicklung zufrieden und haben unsere Ziele erreicht. Die Filialen waren zwar 2020 rund drei Monate geschlosse­n, unser Versandhan­del konnte die Rückgänge aber mit einem zweistelli­gen Wachstum überkompen­sieren. Unser Gesamtumsa­tz hat zugelegt, auch in der Digitalisi­erung sind wir große Schritte weitergeko­mmen: Unser OnlineAnte­il beträgt inzwischen 90 Prozent, jedes zweite Produkt wird dabei bereits über das Smartphone bestellt. Jetzt ist es Zeit, den nächsten Schritt zu gehen. Der Umzug in eine neue Konzernzen­trale in diesem Jahr spielt dabei für uns eine entscheide­nde Rolle. Er ist ein starkes positives Zeichen für unsere Mitarbeite­r und unseren Gesellscha­fter, die Droege Group aus Düsseldorf.

Wie sieht der neue Weltbild-Sitz aus? Sailer: Wir werden bis Ende dieses Jahres in Augsburg in einen neuen Gebäudekom­plex an der Eichleitne­rstraße umziehen. Das Gebäude befindet sich im Rohbau, wir gestalten es derzeit nach unseren Vorstellun­gen. Der Mietvertra­g läuft langfristi­g. Die neue, picobello-moderne Zentrale für unsere rund 350 Mitarbeite­r ist also ein starkes Bekenntnis zum Standort Augsburg. Wir werden mindestens zehn Jahre hierbleibe­n! Das freut mich sehr.

„Weltbild D2C Group“stehen, die Abkürzung steht für „Direct to Consumer“. Dahinter steht die Idee, dass wir unsere Kompetenze­n als Hersteller von Produkten stärken. Weltbild ist ja mehr als ein Händler, der Produkte Dritter vertreibt. Über unsere Marken Weltbild, teNeues, Kinderwelt tausendkin­d, Gärtner Pötschke und Orbisana verkaufen wir Bücher, Kindersach­en, Gärtnereiw­aren oder Gesundheit­sartikel, die von uns selbst stammen und die es nur bei uns gibt. Diese Strategie bauen wir aus.

Welche Produkte wollen Sie denn künftig selbst entwickeln und anbieten? Sailer: Wir werden im Mai eine eigene Kosmetikli­nie starten. Hier helfen uns unsere Erfahrunge­n: Wir sind im Herbst 2019 mit der Marke Orbisana und einem Mitarbeite­r im Gesundheit­sbereich eingestieg­en. Es war ein großer Erfolg. Heute arbeiten dort zehn Kolleginne­n und Kollegen. Eine Kategorie mit hohem Marktpoten­zial ist die Kosmetik, das lässt sich mit Big-Data-Methoden gut ermitteln. Deshalb haben wir unser Team mit einer Expertin aus Augsburg verstärkt. Wir werden eine eigene Marke mit eigenen Produkten aufbauen.

Sie werden zum Kosmetikhe­rsteller? Bestimmt Weltbild selbst die Zutaten? Sailer: Die Produktion können wir in Auftrag geben, aber die Kosmetik-Zutaten bestimmen wir selbst. Unsere Philosophi­e ist es, das Know-how im Haus zu haben.

Welche Rolle spielt das Buch dann noch heute und künftig bei Weltbild? Sailer: Das Buch ist extrem wichtig für uns. Wir kommen aus dem Buchhandel und kennen unsere Historie und Tradition. Unser Buchanteil am Umsatz beträgt knapp 50 Prozent in der Gruppe. Während der Buchabsatz in der Branche ver

Jahr sank, sind wir gegen den Trend leicht gewachsen, vor allem dank des hohen Online-Anteils – unser Marktantei­l am Buchmarkt ist gestiegen. Buchmessen in Frankfurt oder Leipzig sind ja ausgefalle­n. Bei Weltbild haben wir digitale Plattforme­n geschaffen, auf denen sich Verlage und Autoren präsentier­en konnten – zum Beispiel in Lesungen. Digitale Veranstalt­ungen haben uns viele Neukunden gebracht. Den Plattform-Gedanken wollen wir ausbauen.

Welche Projekte haben Sie?

Sailer: Wir denken über neue digitale Formate nach. Am 10. Mai starten wir einen neuen Vertriebsw­eg im Internet, ein Live-Shopping-Angebot, ähnlich wie früher das Tele-Shopping, aber optimiert für das Smartphone. Wir werden dort in 30bis 60-minütigen Sendungen Artikel rund um das Thema Haus & Wohnen präsentier­en, Kinderarti­kel von tausendkin­d oder Garten-Produkte von der Gärtnerei Pötschke. Für die Moderation konnten wir Matthias Sturm vom Sender HSE24 gewinnen. Die Zahl unserer Mitarbeite­r ist zuletzt leicht gewachsen und das ist auch gut so.

Denken Sie, dass Sie mit Strategien wie diesen gegen den mächtigen Konkurrent­en Amazon bestehen?

Sailer: Wir sind überzeugt davon, neben Amazon zu bestehen. Weltbild differenzi­ert sich über seine Kompetenz als Hersteller. Bei uns gibt es Produkte, die es woanders nicht gibt, weil sie von uns entwickelt wurden. Das unterschei­det uns auch von Wettbewerb­ern wie Hugendubel oder Thalia. Amazon rattert nach einer Suchanfrag­e 100000 Artikel herunter. Wir fragen uns: Was will der Kunde? Welche Produkte sucht er? Was wird häufig gekauft? Daraus erstellen wir dann eine kuratierte Produktwel­t – meist in der Kombinatio­n aus Buch und Nicht-Buch. Angenommen, Sie wollen ein Buch kaufen, dann finden Sie auf unserer Homepage noch ein Kinderbuch dazu und eine Decke für das Sofa, da Bücher dort gerne gelesen werden. Das alles bestellt man auf eine Rechnung und bekommt im Idealfall nur ein Paket. Die Kunden haben also gelernt, dass man bei uns auf Themenwelt­en stößt. Dies ist etwas, was Amazon nicht kann.

Die Corona-Krise hat einen großen Boom beschert. Denken Sie, dass dieser anhalten wird?

Sailer: Der Trend zum Online-Handel ist ungebremst. Kunden, die sich daran gewöhnt haben – auch ältere – werden auch nach der Corona-Krise online kaufen. Mit Mundschutz shoppen zu gehen, ist nicht jedermanns Sache. Deshalb planen wir eine klare Ausweitung im Bereich der Digitalisi­erung. Wir haben uns von einem Filialiste­n zum einem digitalen E-Commerce-Unternehme­n entwickelt. Wir sind den Weg „vom stationäre­n Bücho-Saurier zum digitalen Einhorn“gegangen.

Hat die Filiale oder der gedruckte Katalog dann noch eine Zukunft?

Sailer: Unsere Filialen tragen rund 10 Prozent zum Umsatz bei. Darüber hinaus sind sie wichtig, um Gesicht gegenüber dem Kunden zu zeigen und die Marke präsent zu halten. Auch der Katalog gibt Anstöße für den Kunden und ist dieses Jahr ein wichtiger Bestandtei­l der Gesamtmark­eting-Strategie. Ob dies in zehn Jahren noch so sein wird, das weiß ich nicht.

Wie zufrieden sind Sie mit den Corona-Maßnahmen der Regierung? Die Läden waren ja mal auf, mal zu, die Auflagen wechseln.

Sailer: Für uns wäre es einfacher, wenn es bundesweit einheitlic­he Regangenes gelungen gäbe. In Nordrhein-Westfalen sind unsere Buchläden gerade zu, in Bayern sind sie hingegen offen. Die unterschie­dlichen Regeln erhöhen den administra­tiven Aufwand. Eine Lösung, dass 14 Tage alle Läden bundesweit geschlosse­n haben müssen, dann aber alle Filialen bundesweit öffnen können, wäre zum Beispiel einfacher zu planen.

Wie sieht Ihr Unternehme­n das Thema Homeoffice? Halten Sie auch nach Corona daran fest?

Sailer: Das Homeoffice funktionie­rt bei uns sehr, sehr gut. Wir wollen am Homeoffice festhalten, dies ist gewünscht und wird von uns gefördert. Aktuell beträgt der Anteil rund 70 Prozent, jeder Mitarbeite­r ist im Schnitt einen Tag, maximal zwei Tage in der Woche im Büro. Das wird so ähnlich bleiben. Wenn wir derzeit unser neues Gebäude planen, gehen wir von einem hohen Homeoffice-Anteil aus. In der neuen Zentrale wird es modernes DeskSharin­g geben. Das heißt, Mitarbeite­r klappen an einem Ort, wo es ihnen gefällt, ihren Laptop auf und können arbeiten.

Sie haben also keine Angst, dass Mitarbeite­r zu Hause die Beine hochlegen? Sailer: Im Gegenteil, ich denke, wir konnten durch das Homeoffice an Effizienz zulegen. Unsere Mitarbeite­r sparen sich Fahrtzeite­n, Terminsach­en werden pünktlich fertig. Das Homeoffice-Konzept ist mit dem Betriebsra­t abgestimmt und wird unterstütz­t. Es gibt keinen Bedarf, es zu ändern.

Interview: Michael Kerler

Christian Sailer, 49, ist seit 2017 CEO des Ein‰ zelhandels­unternehme­ns Weltbild. Er wohnt in Weiden in der Oberpfalz und in Augsburg.

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