Augsburger Allgemeine (Land West)

Nach dem Brexit‰Pakt gibt es noch viel zu tun

Handel Schwäbisch­e Wirtschaft begrüßt den Vertrag zwischen der EU und Großbritan­nien – und fordert Nachbesser­ungen

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Brüssel/Augsburg Die schwäbisch­e Wirtschaft hat die finale Zustimmung des Europäisch­en Parlaments zum Brexit-Handelsabk­ommen mit Großbritan­nien begrüßt – auch wenn sie weiterhin viele Fragezeich­en und Unklarheit­en in dem Vertragswe­rk sieht, die die Unternehme­n im Alltag behindern.

„Die Ratifizier­ung ist für die Unternehme­n in Bayerisch-Schwaben ein wichtiges Signal. Endlich herrscht Klarheit, auf welchem Fundament die künftige wirtschaft­liche Zusammenar­beit mit dem Vereinigte­n Königreich fußt. Das gibt unserer exportorie­ntierten Wirtschaft Sicherheit und bringt verlorenes Vertrauen zurück“, sagt Stefan Offermann, Vorsitzend­er des Ausschusse­s Internatio­nal bei der IHK Schwaben. Abgeschlos­sen sei der Brexit-Prozess aber nicht: „Im nächsten Schritt müssen nach wie vor bestehende Unklarheit­en im Vertragswe­rk beseitigt werden.“

Rund 500 IHK-Unternehme­n aus Bayerisch-Schwaben unterhalte­n aktive Wirtschaft­sbeziehung­en nach Großbritan­nien und Nordirland – darunter Kfz-Zulieferer, Firmen aus den Bereichen Maschinenb­au, Infrastruk­tur und Lebensmitt­el sowie Speditione­n. Viele blickten ob des lange drohenden „No Deal“mit Sorge auf die Brexit-Verhandlun­gen.

Tatsächlic­h waren die Ausfuhren nach Großbritan­nien und Nordirland bayernweit im Januar um 33 Prozent eingebroch­en, die Einfuhren sogar um mehr als die Hälfte.

Inzwischen hat sich die Stimmung aufgehellt. „Die Unternehme­n in Bayerisch-Schwaben waren auf den Austritt gut vorbereite­t. Nach kurzen anfänglich­en Schwierigk­eiten nimmt der Handel wieder Fahrt auf“, berichtet Offermann. Laut bundesweit­er IHK-Umfrage bewerten 44 Prozent die Entwicklun­g nun als positiv oder sehr positiv, 38 Prozent betrachten sie als stabil. Es zeige sich bereits, dass noch Nachbesser­ungsbedarf besteht. Als Beispiele nennt Offermann die Mitarbeite­rentsendun­g oder die Erbringung von grenzübers­chreitende­n Dienstleis­tungen.

Deutlich aufwendige­r und komplizier­ter dürfte für die heimische Wirtschaft der Marktzugan­g auf die Insel werden. Einfuhrkon­trollen gibt es bislang nicht. Es gelten unterschie­dliche Fristen und Ausnahmen bei Kennzeichn­ungen, Normen und Standards. IHK-Zollexpert­e Axel Sir, Zollexpert­e der IHK Schwaben, beschreibt es so: „Vieles läuft nach dem Prinzip Learning by Doing. Aktuell fehlt es häufig auf beiden Seiten an dem nötigen Know-how.“Die Folge sind Lieferverz­ögerungen,

vor allem im Versandhan­del.

Das Europaparl­ament hatte in der Nacht zum Mittwoch dem BrexitHand­elspakt mit 660 von 697 Stimmen endgültig zugestimmt. Er kann zum 1. Mai in Kraft treten. Der britische Premier Boris Johnson begrüßte dies als „letzten Schritt einer langen Reise“. EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen nannte den Vertrag das Fundament einer starken und engen Partnersch­aft, mahnte aber: „Verlässlic­he Umsetzung ist entscheide­nd.“Denn die EU wirft London vor, Sonderrege­ln für Nordirland im Austrittsv­ertrag nicht umzusetzen.

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