Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein unscheinba­rer Superstar

Ach so! An vielen Orten in Deutschlan­d flattern und hüpfen zurzeit zehntausen­de Nachtigall­en in den Bäumen und Sträuchern umher. Ihr Gesang gilt als besonders in der Vogelwelt

- VON SILKE SULLIVAN

Jedes Jahr im Frühling ist ein Superstar zu Gast in Deutschlan­d. Ihn zu sehen ist nicht einfach. Er ist scheu und hält sich gut versteckt im dichten Gebüsch auf. Für einen Superstar sieht er unscheinba­r aus mit seinem braunen Federkleid. Auffällig ist sein Gesang. Der ist nicht zu überhören und hat ihn so berühmt gemacht.

Der Superstar, um den es hier geht, ist die Nachtigall. Die Singvögel verbringen den Winter in Afrika. Zehntausen­de fliegen dann jedes Frühjahr zu uns, um sich zu paaren und ihre Jungen großzuzieh­en. „Die Männchen kommen vor den Weibchen an“, sagt der Zoologe Valentin Amrhein. An vielen Orten ist die Luft dann erfüllt von ihrem Gesang. „Sie singen aber nicht nur nachts, wie es ihr Name vermuten lässt, sondern auch tagsüber.“

Weibchen wählen nicht die erstbesten Männchen aus

Aber warum ist die Nachtigall so berühmt für ihren Gesang? Das liegt daran, dass ein Nachtigall­männchen etwa 200 oder sogar mehr unterschie­dliche Strophen-Typen beherrscht. „Diese Vielfalt macht den Nachtigall­gesang so einzigarti­g“, sagt die Biologin Conny Landgraf.

Die einzelnen Abschnitte im Gesang sind unterschie­dlich lang und die Höhe der Töne ist verschiede­n. Es gibt zum Beispiel sogenannte Trills, Pfeifer oder Schläge. Das Männchen kombiniert alles zu unterschie­dlichen Strophen. Meist trägt der Vogel so eine Strophe für nur wenige Sekunden vor. Nach einer kleinen Pause beginnt er mit der nächsten. Das geht stundenlan­g so.

Für die Vögel ist der Gesang sehr wichtig. Sie tauschen dabei Informatio­nen aus. „Am Tag geht es wohl darum, die Reviere gegen andere Männchen abzustecke­n“, sagt Valentin Amrhein. „Nachts singen sie vor allem, um Weibchen anzulocken.“ dichtes Unterholz und eine Bo‰ denschicht aus verrottend­em Laub. Dort finden die Vögel Verstecke, Insekten als Nahrung und Plätze für den Nestbau. „Das Nest wird in einer Mulde im Boden oder in Bodennähe gebaut“, sagt Derk Ehlert. „Die Weibchen legen drei bis fünf Eier. Nach etwa 14 Tagen schlüp‰ fen die Küken.“Nach elf bis 18 Tagen verlassen sie das Nest. Fliegen können sie dann noch nicht. „Deswegen ist es so wich‰ tig, dass es viele Versteckmö­g‰ lichkeiten im Revier gibt.“Damit die kleinen Vögel vor Feinden wie Katzen und Krähen geschützt sind. (dpa)

„Ab etwa 23 Uhr legen dann die Männchen mit dem Gesang los. Der dauert dann bis in den Morgen. Dafür sitzen sie in ihrem Revier oft immer auf demselben Ast“, berichtet Conny Landgraf. Hat ein Männchen ein Weibchen gefunden, singt es nur noch tagsüber. Hört man nachts eine Nachtigall, weiß man: Dieses Männchen ist noch auf der Suche.

Spannend ist: Die Weibchen lassen sich nicht auf das erstbeste Männchen ein. „Unsere Forschung hat gezeigt, dass die Weibchen bei ihrer Ankunft in der Nacht ein Männchen nach dem anderen besuchen“, sagt Valentin Amrhein. Dort hocken sie jeweils etwa eine halbe Stunde. „Offensicht­lich hören sie ihrem Gesang zu. Dann fliegen sie weiter.“So lange, bis sie sich entschiede­n haben.

Dabei ist für sie wohl nicht nur der einzelne Gesang eines Männchens wichtig. „Sie hören, wie ein Männchen im Gesangsdue­ll mit anderen Männchen abschneide­t“, sagt Conny Landgraf. Bei so einem Duell singt ein Männchen eine Strophe, ein anderes kann auf diese Strophe antworten. Manchmal fallen die Vögel sich auch ins Wort.

Der Gesang gibt Auskunft über wichtige Eigenschaf­ten

Anhand der Vielfalt des Gesangs scheinen die Weibchen bestimmte Dinge zu erfahren, die ihnen bei der Auswahl helfen. „Es sagt ihnen anscheinen­d etwas über die Gesundheit des Männchens, seine Erfahrenhe­it, die Qualität des Reviers und sogar, ob sie gute Väter sind und sich an der Brutpflege beteiligen“, sagt Conny Landgraf.

„Weil dieser Wettbewerb nachts passiert, wenn die meisten anderen Vögel ruhig sind, haben die Nachtigall­en eine tolle Bühne, auf der sie zeigen können, was sie draufhaben.“So, wie es sich für echte Superstars eben gehört.

Info Möchtest du den Gesang einer Nachtigall mal hören? Dann surf ein‰ fach auf lbv.de/nachtigall.

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Foto: BirdLife_Internatio­nal Nachtigall­männchen sind bekannt für ihren vielfältig­en Gesang. Der klingt nicht nur schön – er übermittel­t auch wichtige Informatio­nen.

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