Augsburger Allgemeine (Land West)

Neue Debatte um Impfung von Schwangere­n

Corona Eva Maria Krauß ist schwanger und Risikopati­entin. Dennoch schickte das Impfzentru­m sie weg. Dabei gibt es neue Daten, die nahelegen, dass durch die Vakzine keine Gefahr für Mutter und Baby bestehen

- VON CHRISTINA HELLER‰BESCHNITT

Augsburg Eva Maria Krauß ist eine Ausnahme – und das macht ihr gerade Probleme. Die 43-jährige Augsburger­in ist schwanger. In ein paar Wochen soll ihr viertes Kind auf der Welt sein. Doch statt sich nur darauf freuen zu können, ist Krauß in Sorge. Der Grund: die Corona-Pandemie. Wegen ihres Alters und einer Vorerkrank­ung der Lunge ist Krauß eine Risikopati­entin. Ihr Frauenarzt hat ihr deshalb ausdrückli­ch empfohlen, sich gegen das Coronaviru­s impfen zu lassen. Krauß hatte einen Termin beim Impfzentru­m in Augsburg, war vor Ort und wurde nach Hause geschickt. Das Impfzentru­m wollte das Risiko nicht tragen, eine Schwangere zu impfen. Jetzt ist Krauß sauer, fühlt sich im Stich gelassen und weiß nicht, was sie machen soll. „Ich war wirklich den Tränen nahe, als ich wieder heimgeschi­ckt wurde“, sagt sie. „Es geht mir nicht darum, mich vorzudräng­eln. Ich möchte durch die Impfung nur die Chance haben, einen milderen Krankheits­verlauf zu bekommen“, sagt sie.

Eigentlich können sich Schwangere in Deutschlan­d nicht gegen das Coronaviru­s impfen lassen. Denn die Ständige Impfkommis­sion (Stiko), die festlegt, wer sich wann impfen lassen kann und wer nicht, schreibt in ihrer aktuellen Empfehlung: „Zur Anwendung der Covid19-Impfstoffe in der Schwangers­chaft liegen aktuell keine Daten vor. Die Stiko empfiehlt die generelle Impfung in der Schwangers­chaft derzeit nicht.“Es gibt aber Ausnahmen – nämlich in Fällen wie dem von Eva Maria Krauß.

Gehören Schwangere etwa wegen Vorerkrank­ungen zu einer Risikogrup­pe, können sie sich nach einem Gespräch mit ihrem Arzt impfen lassen. Das sagt die Stiko und das empfehlen auch medizinisc­he Fachgesell­schaften, die sich mit den Themen Geburt und Schwangers­chaft befassen. Geklappt hat es bei Eva Maria Krauß dennoch nicht.

Unabhängig davon, ob Schwangere einer Risikogrup­pe angehören oder nicht – hat das Thema Impfung in der Schwangers­chaft wieder Fahrt aufgenomme­n. Nicht nur, weil in Bayern bereits Mitte Mai die Priorisier­ung der Impfgruppe­n fallen soll. Es gibt inzwischen auch Daten, die nahelegen, dass eine Impfung in der Schwangers­chaft unbedenkli­ch ist. Vergangene Woche teilte die britische Impfkommis­sion (JCVI) mit, dass in Großbritan­nien Schwangere gleichzeit­ig mit dem Rest der Bevölkerun­g ein Impfangebo­t bekommen sollen – abhängig davon, welcher Risikogrup­pe sie zugeteilt sind. In der Stellungna­hme des JCVI heißt es dazu: „Es sind keine spezifisch­en Sicherheit­srisiken bei der Impfung für Schwangere festgestel­lt worden.“Die Empfehlung basiert auf Daten aus den USA. Dort sind bereits über 90000 Schwangere überwiegen­d mit den mRNA-Impfstoffe­n von Biontech und Moderna geimpft worden. Die US-amerikanis­che Gesundheit­sbehörde CDC, deren Rolle mit der des Robert-Koch-Instituts vergleichb­ar ist, sieht ebenfalls keine Gefahr durch eine Impfung in der Schwangers­chaft. Sie teilt mit, dass es keine Beweise gebe, dass die Antikörper, die bei einer Impfung entstehen, zu

Problemen in der Schwangers­chaft führen. Auch sie empfiehlt Schwangere­n, sich impfen zu lassen. Weist aber darauf hin, dass es sich bei den erhobenen Daten um reale Impfungen handelt und nicht um eine klinische Studie. Die britische Impfkommis­sion sagt ebenfalls, dass sie ihre Entscheidu­ng zwar basierend auf den US-Daten treffe, aber mehr Forschung nötig sei.

Gleichzeit­ig ist durch US-Daten bekannt, dass sich Schwangere zwar nicht häufiger mit dem Coronaviru­s infizieren als andere Personen – stecken sie sich aber an, haben sie ein höheres Risiko für einen schwereren Krankheits­verlauf.

In der Diskussion darüber, ob Schwangere in Deutschlan­d geimpft werden sollen, gehen die Meinungen der Stiko und der medizinisc­hen Fachgesell­schaften auseinande­r. In einer Stellungna­hme schrieben die Gesellscha­ft für Gynäkologi­e und Geburtshil­fe, die Gesellscha­ft für perinatale Medizin und die Gesellscha­ft für Reprodukti­onsmedizin noch im Februar, dass sie sich gegen eine generelle Impfung für Schwangere ausspreche­n, weil die Datenlage zu unsicher ist. Nun heißt es: „Unter Berücksich­tigung des aktuellen Wissenstan­ds würden sich die Autoren der Stellungna­hme auch für Deutschlan­d eine Impfempfeh­lung für Schwangere wie beispielsw­eise in Israel, Großbritan­nien und Luxemburg durch die Stiko wünschen.“

Die Stiko hat ihre Impfempfeh­lung bisher nicht geändert. Ob sie es plant, ist auf Nachfrage beim RKI nicht zu erfahren. Eine Sprecherin teilt mit: „Neue Daten werden kontinuier­lich ausgewerte­t, aber die öffentlich­e Diskussion einzelner Studien oder Entscheidu­ngen einzelner Länder ist nicht möglich. Wenn die Stiko ihre bisherige Empfehlung anpassen sollte, würde das ausführlic­h begründet.“Um Schwangere vor dem Virus zu schützen, gilt in Deutschlan­d die Regel, dass zwei enge Kontaktper­sonen der Schwangere­n bevorzugt geimpft werden. Für Stillende sind die Empfehlung­en weniger streng. Zwar gibt es dazu, welche Auswirkung­en eine Impfung in der Stillzeit hat, nur wenige Daten. In der offizielle­n Empfehlung heißt es aber: „Die Stiko hält es für unwahrsche­inlich, dass eine Impfung der Mutter während der Stillzeit ein Risiko für den Säugling darstellt.“

Der Augsburger­in Eva Maria Krauß helfen die offizielle­n Empfehlung­en wenig. Sie ist immer noch nicht geimpft und weiß nicht, an wen sie sich wenden soll. Auch ihre Hausärztin hat abgelehnt, sie zu impfen. „Sie hat nur wenige Dosen AstraZenec­a. Und durch eine Schwangers­chaft ist das Thrombose-Risiko sowieso schon erhöht“, sagt Krauß. Aber sie hofft noch. „Ich hatte schon einmal eine kollabiert­e Lunge, das will ich nicht noch einmal erleben.“

Kommission empfiehlt generelle Impfung nicht

 ?? Foto: Christin Klose, dpa ?? Schwangere Frauen infizieren sich zwar nicht häufiger mit dem Coronaviru­s. Wenn es aber passiert, haben sie ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf. Geimpft werden sie in Deutschlan­d bisher trotzdem nicht.
Foto: Christin Klose, dpa Schwangere Frauen infizieren sich zwar nicht häufiger mit dem Coronaviru­s. Wenn es aber passiert, haben sie ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf. Geimpft werden sie in Deutschlan­d bisher trotzdem nicht.

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