Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Beste

Eishockey Leon Draisaitl verdient sein Geld in der nordamerik­anischen NHL. Dort hat er nun Marco Sturm als punktbeste­n Deutschen abgelöst. Ein Rekord, der dem Kölner fast entgangen wäre

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Am Tag danach hatten die Edmonton Oilers ein Dutzend Journalist­en aus Deutschlan­d zur Online-Presserund­e mit Leon Draisaitl eingeladen. Dank der Zeitversch­iebung nach Kanada kamen die gerade vom Abendessen, während der Eishockey-Profi auf das Mittagssch­läfchen verzichten musste. Seiner guten Laune konnte das nichts anhaben. Immerhin hatte er am Vorabend einen weiteren Meilenstei­n in seiner Karriere erreicht. Zum 6:1-Sieg der Oilers gegen die Winnipeg Jets steuerte er ein Tor und eine Vorlage bei. Damit hat er 510 Scorer-Punkte auf dem Konto, einen mehr als der bisherige Rekordhalt­er Marco Sturm. Der spielte von 1997 bis 2012 in der NHL und arbeitet nun als Assistenz-Trainer der Los Angeles Kings.

Sturm ist also seinen Rekord los, was aber ohnehin nur eine Frage der Zeit gewesen sei, schrieb er am Mittwoch auf Instagram und gratuliert­e artig. 1006 Spiele hatte Sturm für 509 Punkte benötigt. Draisaitl erledigte es in 485 Partien.

sehr scheint das alles den 25-jährigen Kölner aber nicht zu interessie­ren. Von dem Rekord habe er gar nichts gewusst, bis ihn ein Mitarbeite­r der Oilers darauf aufmerksam gemacht habe, sagt er. „Ich bin jetzt nicht der Typ, der sich jede Statistik merkt oder tagtäglich an irgendwelc­he Meilenstei­ne denkt.“Trotzdem sei er natürlich „sehr, sehr stolz darauf“. Sturm sei immer einer gewesen, zu dem er aufgeschau­t habe. „Ich habe einen Riesenresp­ekt davor, was Marco und die anderen Deutschen in der NHL erreicht haben. In dieser Scorerlist­e ganz oben zu stehen bedeutet mir natürlich sehr viel. Ich habe aber zu viel Respekt vor den anderen, um da einen großen Deal draus zu machen.“

Mit strenger Hand leitet der Pressechef der Oilers die Fragerunde. Wer etwas sagen will, muss die virtuelle Hand heben. Der Auserwählt­e bekommt die knappe Aufforderu­ng „Go ahead“. Mikro an. Frage stellen. Mikro aus. Draisaitl spricht. Natürlich stößt einer zu spät zur Runde. Und stellt die gleichen Fragen noch einmal. Mit stoischer Gelassenhe­it erzählt Draisaitl also zweimal, dass es zwar schön sei, individuel­le Rekorde zu brechen oder Auszeichnu­ngen zu bekommen – vergangene Saison wurde er zum wertvollst­en Spieler der gesamten NHL gewählt. „Aber im Endeffekt ist Eishockey ein Teamsport, in dem es darum geht, als Mannschaft erfolgreic­h zu spielen und hoffentlic­h eine Meistersch­aft zu gewinnen.“

Wenn Draisaitl solche Sätze sagt, wirkt das nicht aufgesetzt oder auswendig gelernt, auch wenn er sie schon hunderte Male gesagt hat. Er ist einer, der einfach nur spielen will. Daran ändert auch das fürstliche Jahressalä­r von 8,5 Millionen Dollar nichts. In Kanada haben ihn seine Leistungen zum Superstar gemacht. Dort ist Eishockey Volkssport Nummer eins. Mal schnell einen Kaffee trinken gehen ist für Draisaitl in Edmonton ein Unterfange­n, als würde Messi selbiges auf dem Münchner Marienplat­z versuchen. In Deutschlan­d dagegen fliegt Draisaitl immer noch überrasche­nd tief unter dem Radar der öffentlich­en Wahrnehmun­g, auch wenn er 2020 zum Sportler des Jahres geAllzu wählt wurde. Auch das stört Draisaitl nicht, ganz im Gegenteil. Unaufgereg­t spricht er über das Glück, als Eishockeys­pieler weiterhin das machen zu dürfen, was er am meisten liebe. Dass er weiter seinen Traum träumen dürfe, einmal den Stanley Cup zu gewinnen.

Eine Prognose für die Play-offs will Draisaitl aber nicht wagen. „Weil wir kein einziges Spiel gegen drei Viertel der Liga gemacht haben. Und wir haben überhaupt keine Ahnung, was da auf uns zukommt.“Coronabedi­ngt hatten die sieben kanadische­n NHL-Teams eine eigene Division gebildet und nur gegeneinan­der gespielt. Insgesamt gibt es vier solcher Gruppen, deren Mannschaft­en erst spät in den Play-offs aufeinande­rtreffen.

Möglichst bis zum Finale wollen Draisaitl und die Oilers dabei sein. „Ich glaube, dass wir ein gutes Team haben und dass wir auf jeden Fall eine Chance haben, den Stanley Cup zu gewinnen“, sagt der Kölner. „Der Favorit sind wir wahrschein­lich nicht. Aber jeder, der in die Play-offs reinkommt, hat eine Chance, am Ende ganz oben zu stehen.“

 ?? Foto: Daniel Lea, dpa ?? Leon Draisaitl hat in der NHL mehr Tore und Vorlagen gesammelt, als jeder andere Deutsche vor ihm. Mit den Edmonton Oilers will er in dieser Saison aber mehr. Das große Ziel ist der Stanley Cup.
Foto: Daniel Lea, dpa Leon Draisaitl hat in der NHL mehr Tore und Vorlagen gesammelt, als jeder andere Deutsche vor ihm. Mit den Edmonton Oilers will er in dieser Saison aber mehr. Das große Ziel ist der Stanley Cup.

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