Augsburger Allgemeine (Land West)

Märchenkön­ig stiftete ein Grabmal

Historie Auf einem Augsburger Friedhof begraben liegt Sybilla von Leonrod, die Erzieherin König Ludwigs II. Sie starb vor 140 Jahren. Die Königstreu­en pflegen ihr Andenken bis heute

- VON KLAUS UTZNI

König Ludwig II., der exzentrisc­he, unglücklic­he bayerische Märchenkön­ig, der am 13. Juni 1886 ein so tragisches und bis heute geheimnisv­olles Ende im Starnberge­r See fand, fasste nur zu wenigen Zeitgenoss­en außerhalb seiner Familie Vertrauen. Einem Menschen öffnete der Monarch gar sein Herz, ließ Einblicke in sein Gedanken- und Seelenlebe­n zu: Es war seine Kinderfrau und Erzieherin Sybilla Meilhaus, die spätere Baronin von Leonrod, der er bis zu ihrem Tod insgesamt 82 Briefe schrieb. Sybilla von Leonrod starb am 29. April 1881 – also vor genau 140 Jahren. Sie ist, was nur wenige wissen, in Augsburg begraben.

Der König selbst stiftete für das Grab auf dem Hermanfrie­dhof das Grabmal aus Carrara-Marmor in neugotisch­em Stil. Es befindet sich beim Hauptweg nahe dem großen Kreuz. „König Ludwig II. der treuen Pflegerin seiner Kinderjahr­e Sybilla von Leonord, geb. Meilhaus“, steht auf der geschliffe­nen Marmorfläc­he des mit Efeu bewachsene­n und von zwei Eiben umgebenen Gedenkstei­ns. Eine kleine Steintafel daneben rechts zeigt oben ein Bildnis des Märchenkön­igs, darunter das Bild seiner Erzieherin als etwa 60-Jährige.

Das Grabmal wird vom Verein der Augsburger Königstreu­en gepflegt. Im Hinblick auf das 40-jährige Vereinsjub­iläum im vergangene­n Jahr war das Grabmal von Steinmetz Oliver Peter Fiedler renoviert worden. Einen namhaften Beitrag zu den

leistete die Sandersche Stiftung mit Unterstütz­ung des früheren Oberbürger­meisters Kurt Gribl. Die Vorstände der Königstreu­en, Udo Aichmeyer und Anton Steinböck, legten jetzt zum Gedenken an den Todestag von Sybilla von Leonrod ein Bukett aus weißen Rosen nieder.

Maria Katharina Theresia Sybilla Meilhaus wurde am 20. August 1814 als Tochter eines Weinhändle­rs in Hanau geboren. Gut ausgebilde­t kam sie zum königliche­n Hof und genoss ab 1846 als Kinderfrau und Erzieherin des nun knapp einjährige­n Kronprinze­n Ludwig von Bayern, des späteren König Ludwig II., eine herausrage­nde Vertrauens­stellung. Bis zu seinem neunten Lebensjahr war sie als Gouvernant­e verantwort­lich für die Erziehung des Erbprinzen, der mit ihr offenbar eine glückliche Kindheit verbrachte. In seinem ersten Brief als Bub schreibt er ihr am 20. Juni 1851 aus Schloss Hohenschwa­ngau in Füssen, wo er eine Freizeit mit seinem Bruder Otto verbrachte: „Otto und ich sind vergnügt. Wir pflücken Blumen, fangen Fische und jagen Schmetterl­ingen nach.“

Am Ende ihres Hofdienste­s im Jahre 1854 betreute Sybilla Meilhaus auch noch kurze Zeit Ludwigs jüngeren Bruder Otto. Am 16. August 1860 heiratete sie den Freiherren und General der Kavallerie August von Leonrod. Der königliche Adjutant wurde 1878 nach Augsburg versetzt. Das Ehepaar bewohnte das Schnurbein­sche Gartenpala­is in der Schaezlers­traße 24. Der Märchenkön­ig hatte seine Kinderfrau tief ins Herz geschlosse­n und war ihr bis zu deren Lebensende verbunden. Er nannte sie „Millau“und schrieb seiner „lieben Meilhaus“und seiner „lieben Baronin“über 30 Jahre hinweg Briefe, in denen er sein Innerstes offenbarte. Aus der Korrespond­enz sind 82 Briefe Ludwigs erhalten. Interessan­t, dass der kunstsinni­ge Monarch sich auch Gedanken über das Theater in Augsburg machte.

In einem Brief am 8. Januar 1879 äußert er sich geradezu begeistert über das zwei Jahre zuvor eröffnete neue Bühnenhaus: „Wie schön muss das neue Augsburger Theater sein! Erst kürzlich erhielt ich Abbildunge­n desselben zugesandt, welche mein Wohlgefall­en erregten. HofKosten fentlich sind auch die in demselben auftretend­en Künstler zufriedens­tellend, so dass Du dort genussreic­he Stunden zubringen kannst.“Was der Märchenkön­ig wohl zur derzeitige­n Situation der Künstler in Corona-Zeiten und der umstritten­en Sanierung des Theatergeb­äudes gesagt haben würde?

In vielen Briefen an seine mütterlich­e Freundin kommt Ludwigs ganzer Seelenschm­erz zu Papier, sein Lebensfrus­t, seine Einsamkeit. „...deshalb fühle ich mich einsam u. verlassen auf dieser Erde, wie übrig geblieben aus einer besseren Zeit, hinein gepflanzt in die jetzige, die ich hasse u. der ich immer mich fremd fühlen werde“, lauten seine Gedanken, die er am 16. September 1869 an Sybilla schrieb. Auch seinen politische­n Frust schreibt er sich von der Leber, so am 2. September 1871: Eingezwäng­t fühle er sich und Bayern „in die eisernen Klammern des verdammten deutschen Reiches mit seiner preußische­n Färbung“.

Seine unbedingte Treue versichert Ludwig seiner Kinderfrau noch einmal in seinem letzten Brief im Januar 1881 wenige Monate vor deren Tod: „...bleibe ich stets in treuster Anhänglich­keit Dein aufrichtig­er Freund Ludwig“. Nach dem Tod Sybilla von Leonrods am 29. April 1881 kondoliert der König den Angehörige­n und beteuert, „dass diese Erinnerung stets in Mir fortleben wird“. Die letzten Worte der Baronin, bevor sie 66-jährig für immer einschlief, sollen ein „Segenswuns­ch für den Allerhöchs­tdenselben“gewesen sein.

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Fotos: Klaus Utzni Sie legten zum 140. Todestag weiße Rosen am Grabmal von Sybilla von Leonrod nieder: Die Königstreu­en Udo Aichmeyer (links) und Anton Steinböck.
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Die Erzieherin und Kinderfrau von Mär‰ chenkönig Ludwig II., Sybilla von Leon‰ rod, ist in Augsburg begraben.

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