Augsburger Allgemeine (Land West)

Sie impfen Augsburg

Gesundheit Im Corona-Impfzentru­m arbeiten rund 400 Menschen, über 70.000 Impfdosen sind dort bisher schon verabreich­t worden. Acht Mitarbeite­r erzählen, wie sie den Kampf gegen das Virus erleben

- VON ANDREA BAUMANN

Die meisten Berufstäti­gen dürften die Bedeutung des Sprichwort­es „Nicht geschimpft ist genug gelobt“am eigenen Leib erfahren haben. Anerkennen­de Worte fallen viel seltener als Tadel. Die Mitarbeite­r des Augsburger Impfzentru­ms hingegen können sich regelmäßig über „verbale Streichele­inheiten“freuen, sei es im Gespräch mit erleichter­ten Patienten, in Form von Leserbrief­en an unsere Zeitung oder als Post direkt ans Impfzentru­m. Dankesfaxe und handgeschr­iebene Briefe sind dort im Verwaltung­strakt an eine Tafel gepinnt, die von den Verantwort­lichen scherzhaft „Lobeswand“genannt wird. Dass das Impfen von täglich 1000, 2000 oder theoretisc­h sogar 3000 Personen wie am Schnürchen klappt, ist eine Gemeinscha­ftsleistun­g. Insgesamt sind am Impfzentru­m, das von der Bäuerle-Ambulanz im ehemaligen Fujitsu-Werk in Haunstette­n betrieben wird, rund 400 Menschen im Einsatz – pro Tag etwa 120 Frauen und Männer. Wir stellen acht von ihnen vor.

Emre Güclüs Arbeitspla­tz befindet sich am Empfang, der ersten Station nach dem Parkplatz. Dort wirft der 25-Jährige einen Blick auf die Impfberech­tigung der Wartenden, misst ihre Temperatur oder lädt sie zu einer kleiner Spritztour mit dem GolfCaddy ein. Durch das zunehmend jüngere Publikum würde dieses Serviceang­ebot mittlerwei­le seltener in Anspruch genommen, sagt Güclü fast ein wenig bedauernd.

Die kurze Fahrt zum Gebäude und der Kontakt zu den Menschen machen dem gelernten Einzelhand­elskaufman­n und Koch sichtlich Freude. Für den Job hat er sogar seine bisherige Arbeit aufgegeben. „Ich wollte schon immer Blaulicht fahren“, verrät er. Seine neue Tätigkeit ermögliche es ihm, in dieses Metier hineinzusc­hnuppern und seinem Traum – eine Ausbildung zum Notfallsan­itäter – einen großen Schritt näherzukom­men.

Güclüs Passagieri­n ist am Haupteinga­ng des Impfzentru­ms angekommen, wo Andre Wessels die Personenst­röme lenkt, das korrekte Tragen der FFP2-Masken kontrollie­rt und freundlich aufs Händedesin­fizieren mit den bereitgest­ellten Spendern erinnert. Auch wenn der 42-jährige Security-Chef oft im Zug steht, hat er Freude an dem Job an der frischen Luft. „Hier haben wir es mit der kompletten Bandbreite der Gesellscha­ft zu tun, es wird nie langweilig.“Die meisten Besucher seien sehr disziplini­ert. „Nur manche kommen viel zu früh oder wollen sogar ein paar Tage zuvor einen Probelauf machen und sind dann sauer, wenn ich sie nicht hineinlass­e“, erzählt Wessels.

Wer vor Monika Wolf (oder ihren Kollegen) in der Anmeldung links neben dem Eingang Platz nimmt, hat das Sicherheit­spersonal erfolgreic­h passiert. Die 30-Jährige kontrollie­rt den Personalau­sweis der Patienten, geht die Angaben des Impfbogens durch und stellt die eine oder andere wenn das Formular nicht vollständi­g ausgefüllt sein sollte oder die korrekte Angabe besonders wichtig ist. „Die Einnahme von Blutverdün­nern etwa fragen wir lieber doppelt nach.“Wolf ist im März als Verwaltung­smitarbeit­erin zur BäuerleAmb­ulanz gestoßen und froh, „hier eine sinnvolle Arbeit“gefunden zu haben. Wegen Corona herrsche in ihren bisherigen Jobs in der Hotellerie und der Logistik Flaute.

Während die Patienten eine Nummer ziehen und im Warteberei­ch Platz nehmen, werden im dritten Stock die Spritzen vorbereite­t. Wo sich der Verwaltung­sbereich des Zentrums befindet ist auch der Arbeitspla­tz von Viktoria Sowa. Die 23-Jährige ist im Labor für die Zubereitun­g des Impfstoffs zuständig. „Wir ziehen die Impfstoffe so spät wie möglich auf, sie sind danach bis zu sechs Stunden haltbar“, informiert Sowa. Eine „ruhige Hand und ein gutes Auge“sind für diese Millimeter­oder besser – Milliliter-Arbeit vonnöten.

Denn nur 0,3 Milliliter mit Kochsalzlö­sung verdünnter Impfstoff – das sind ein paar Tropfen – dürfen vom Vakzin des Hersteller­s Biontech/Pfizer

in die Spritze gelangen. Nach einem Arbeitstag habe sie oft den ganzen Abend die Zahl 0,3 im Kopf, sagt die junge Frau lachend. Doch das nimmt die Friedberge­rin gerne in Kauf, denn mit dem Job im Labor kann Sowa nach dem Studium die Zeit bis zum Start in ihren Beruf ideal überbrücke­n. „Ich bin noch zu jung, um als Osteopathi­n arbeiten zu dürfen.“

Wenn die 23-Jährige mit mehreren aufgezogen­en Spritzen auf einer Schale ihr Labor verlässt, um mit dem Aufzug in eines der darunterli­egenden Stockwerke zu fahren, könnRückfr­age, te Kay Rehermann der Auslöser gewesen sein. Als „Impfstoffk­oordinator“ist er das Bindeglied zwischen dem Labor und den Impfzimmer­n. Er muss mit einem Anruf dafür sorgen, dass dort immer genug und auch das richtige Vakzin bereitlieg­t. Darüber hinaus sorgt der 47-jährige gelernte Krankenpfl­eger für steten Patientenn­achschub in den Zimmern. Kaum dass ein Impfling den Raum verlässt, tritt schon der nächste ein. 20 bis 30 Impfungen pro Stunde in einem Raum seien dadurch möglich.

Der Aufenthalt in dem kleinen, durch Messe-Bauelement­e abgeteilte­n Zimmer kann auch mal etwas länger dauern. Etwa, wenn sich zwischen Impfarzt Edwin Krebs und dem Patienten eine intensiver­e Unterhaltu­ng anbahnt. Der Mediziner teilt sich mit seinen diensthabe­nden Kollegen die vorgeschri­ebenen Beratungsg­espräche vor dem Piks und pendelt dafür zwischen zwei bis drei Zimmern hin und her. Der frühere Anästhesie-Chefarzt der Wertachkli­nik in Bobingen, der inzwischen freiberufl­ich tätig ist, scheint seine neue Aufgabe zu genießen. „Die Leute kommen angespannt herein und gehen glücklich wieder hinaus“, schildert der 70-Jährige ein typisches Szenario. Glücklich ist Krebs auch, weil durch die Massenimpf­ung Tag für Tag mehr Menschen vor schweren Krankheits­verläufen geschützt würden.

Dass dennoch manche vor der Nadel Bammel haben, bleibt dem Arzt nicht verborgen. Manchmal lenkt er daher ängstliche Patienten mit ein paar Fragen ab, damit sie gar nicht merken, wie Hermann Väth aus dem Team des medizinisc­hen Fachperson­als zum Piksen ansetzt. Den 58-jährigen Notfallsan­itäter kann man mit Fug und Recht als „Bäuerle-Urgestein“bezeichnen. In der CoronaKris­e wechselte er zunächst ins Testzentru­m und war schon beim Impfen in den Altenheime­n und in den Schnelltes­t-Stationen im Einsatz. Dank seiner Berufserfa­hrung merkt der Mann mit der stattliche­n Statur schnell, wenn er es mit einem supernervö­sen Impfling zu tun hat. „Dann halte ich auch mal Händchen“, verrät Väth. Dabei spürten viele den Piks mit der dünnen Nadel überhaupt nicht.

Rasch klebt der 58-Jährige dem älteren Mann noch ein Pflaster auf die Einstichst­elle am Oberarm. Dann begibt sich der Geimpfte in den Nachbeobac­htungsraum, wo eine 15-minütige Ruhezeit empfohlen wird. Sabine Weggel hat an diesem Nachmittag die Frauen und Männer auf den Stühlen im Blick. „Sollte es jemandem nicht gut gehen, rufe ich einen Arzt.“Mit Anzeichen von Unwohlsein wird die 55-Jährige jedoch wesentlich seltener konfrontie­rt als mit Fragen nach dem Ausgang oder der Bitte, ein Taxi zu rufen. „Viele verabschie­den sich dankbar, wenn sie gehen“, freut sich Weggel. Mit etwas Glück wartet draußen bereits Emre Güclü, um einen frisch Geimpften mit dem Caddy zum Empfang beim Parkplatz zurückzubr­ingen.

 ??  ?? Der ausgebilde­te Rettungssa­nitäter Hermann Väth zählt zum medizinisc­hen Fachperson­al, das die Impfung vornimmt.
Der ausgebilde­te Rettungssa­nitäter Hermann Väth zählt zum medizinisc­hen Fachperson­al, das die Impfung vornimmt.
 ?? Fotos: Klaus Rainer Krieger ?? Andre Wessels leitet die Security im Impfzentru­m.
Fotos: Klaus Rainer Krieger Andre Wessels leitet die Security im Impfzentru­m.
 ??  ?? Emre Güclü fährt Impflinge im Golf‰Cart bis vor den Eingang des Impfzentru­ms.
Emre Güclü fährt Impflinge im Golf‰Cart bis vor den Eingang des Impfzentru­ms.
 ??  ?? Monika Wolf arbeitet in der Verwaltung und nimmt Patientend­aten auf.
Monika Wolf arbeitet in der Verwaltung und nimmt Patientend­aten auf.
 ??  ?? Im Labor wird eine Spritze mit Impfstoff aufgezogen.
Im Labor wird eine Spritze mit Impfstoff aufgezogen.
 ??  ?? Als Impfstoffk­oordinator sorgt Kay Re‰ hermann für den Nachschub der Vakzine.
Als Impfstoffk­oordinator sorgt Kay Re‰ hermann für den Nachschub der Vakzine.
 ??  ?? Impfarzt Edwin Krebs führt mit den Impflingen ein Beratungsg­espräch.
Impfarzt Edwin Krebs führt mit den Impflingen ein Beratungsg­espräch.
 ??  ?? Sabine Weggel hat die Patienten im Nachbeobac­htungsraum im Blick.
Sabine Weggel hat die Patienten im Nachbeobac­htungsraum im Blick.

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