Augsburger Allgemeine (Land West)
Das fliegende Nachthemd aus der Altstadt
Leben Eine Augsburgerin hängt immer morgens ihr Nachthemd zum Lüften raus vor das Fenster. Das geht jahrelang gut. Doch eines Tages macht das gute Stück die Flatter
Lilo Peschke-Danielczyk ist eine Frau mit Humor. Weil die Augsburgerin findet, dass es in dieser Zeit der Corona-Pandemie leider wenig zu lachen gibt, ruft sie in unserer Redaktion an. Sie will erzählen, was ihr passiert ist. Es ist die Geschichte vom fliegenden Nachthemd.
Jeder Mensch hat seine AlltagsRituale, auch Lilo Peschke-Danielczyk. Jeden Morgen, wenn sich die 82-Jährige für den Tag fertig gemacht hat, greift sie zu ihrem Nachthemd. Nicht nur Menschen müssen regelmäßig an die frische Luft, sondern auch ihr getragenes Gewand, findet die Seniorin. „Damit der Nachtgeruch rausgeht“, sagt sie und ergänzt: „Ich will es halt gelüftet haben.“
Sie lebt in einem Haus in der Altstadt. Ihre Wohnung befindet sich im dritten Stock, einen Balkon hat sie nicht. Dafür eine Querstange vor einem ihrer Fenster. Und an diese
Stange hängt Lilo Peschke-Danielczyk jeden Morgen ihr getragenes Nachthemd an einem Kleiderbügel raus an die Luft. Sofern es nicht regnet. Das ging viele Jahre gut.
Normalerweise befestigt die Augsburgerin das Gewand mit Klammern am Kleiderbügel. Am Freitag aber nicht. „Ich hatte es eilig, war unter Zeitdruck. Außerdem war das Wetter so schön.“Da komme kein Wind auf, habe sie sich gedacht. Falsch gedacht. Als Lilo Peschke-Danielczyk später nach Hause zurückkehrt, gilt ihr erster Gedanke der Baumwolle: „Ich muss nach meinem Nachthemd schauen.“Am Fenster blickt sie jedoch ins Leere. Da baumelt nichts mehr an der Stange.
Kleiderbügel und Nachthemd haben die Flatter gemacht. Jetzt hängen beide in der Hängebuche gegenüber ab. Hoch oben in der Baumkrone hat sich der Kleiderbügel mit dem Nachtgewand schön in den Ästen verhakt. „Ich dachte, mich trifft der Schlag“, erzählt die Augsburgerin und lacht. Für sie jedenfalls ist da nichts zu holen. Der Baum ist zu weit weg vom Fenster.
Ab da schaut Lilo Peschke-Danielzcyk jeden Morgen aus dem Fenster zu ihrem Nachthemd im Baum. Es ist ein gutes von der Marke Calida, hochwertiger Stoff, hell mit Streifen. „Hole doch einen Angler“, rät ihre Tochter. Ruf die Feuerwehr, lautet ein anderer Vorschlag. „Ich kann doch nicht die 112 rufen. Das ist doch kein Notfall“, meint Lilo Peschke-Danielczyk. Schließlich besitzt sie noch weitere Nachthemden. Sie gelangt an eine interne Nummer der Berufsfeuerwehr, wählt sie.
Der freundliche Mann am anderen Ende der Leitung gibt den Tipp, einen Baumpfleger zu kontaktieren. Aber sie solle sich vorab nach den Kosten erkundigen. Nicht dass es ihr so gehe, wie mit manchen Schlüsseldiensten. Die Augsburgerin jedenfalls will ihr Nachthemd in dieser misslichen Situation nicht hängen lassen. „Das sieht nicht gut aus, außerdem tut mir der Baum leid.“Wie jede schöne Geschichte nimmt auch die vom fliegenden Nachthemd ein glückliches Ende.
Die Hausmeister vom benachbarten Hospital-Stift St. Margaret werden auf die Situation aufmerksam. Die Retter des Nachtgewands besorgen lange Stöcke und fischen es aus dem Baum. Lilo Peschke-Danielczyk muss sehr über den textilen Ungehorsam und die ganze Aktion lachen. „Ein Nachthemd hängt im Baum, man glaubt es kaum.“Vor allem aber wollte sie unserer Redaktion von ihrem Missgeschick erzählen. „Damit Sie auch über etwas Lustiges berichten können.“