Augsburger Allgemeine (Land West)
„Wir arbeiten rein virtuell“
Interview Philipp Wenger leitet die Eventagentur Go-Event! in Neusäß. Wie sein Unternehmen gut durch eine Krise mit Kontaktbeschränkungen kommt
Neusäß Seit über einem Jahr steht die Veranstaltungsbranche still. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Philipp Wenger, Gründer und Geschäftsleiter von Go-Event! aus Neusäß, wie sein Unternehmen auf die Krise reagiert hat, wie Corona die Branche verändert und warum er optimistisch bleibt.
Herr Wenger, im letzten Gespräch mit unserer Zeitung haben Sie betont, dass Sie nur „selten schlecht gelaunt“sind. Stimmt das noch?
Philipp Wenger: Ja, das ist immer noch so, obwohl wir im März letzten Jahres die erste Branche waren, die geschlossen wurde und wahrscheinlich auch die letzte Branche sind, die wieder aufmachen darf. Es war ein anspruchsvolles Jahr, aber trotzdem habe ich meist gute Laune.
Wie haben Sie denn auf die Pandemie und Lockdown im vergangenen Jahr reagiert?
Wenger: Zuerst bin ich in eine kurze Schockstarre verfallen, da das klassische Geschäftsmodell von uns als Eventagentur und Dienstleister von heute auf morgen in sich zusammengebrochen ist. Eigentlich waren wir mit Eventplanung, Verleih, Catering und unserer Erlebnis-Abteilung ja
aufgestellt. Wenn es in einer unserer Sparten nicht so gut lief, fing das eine andere auf. Dass das alles auf einmal wegfällt, hätte sich niemand vorstellen können.
Trotzdem ist Go-Event! sehr aktiv. Was hat Sie aus der Schockstarre geholt?
Wenger: Mir war gleich klar, dass uns Corona längere Zeit beschäftigen wird. Einen sehr frühen Anstoß hat uns ein großer Kunde gegeben. Anfang März saßen wir noch zusammen und planten ein klassisches analoges Meeting in Österreich. Kurz danach war alles anders und die Grenzen wurden geschlossen. Der Kunde hat uns aber schnell klar gemacht, dass er sein Event trotzdem durchführen will. Erst wollte er aus seinem analogen Event einfach ein digitales machen, dann aber sollten wir eine Veranstaltung planen, die nur virtuell möglich ist. Ohne diesen Kunden würden wir jetzt anders dastehen, da wir wahrscheinlich diesen innovativen Ansatz erst viel später entwickelt hätten.
Wie geht es Ihrer Firma heute? Wenger: Wir kamen mit Corona schnell zu der Erkenntnis: Man kann analoge Events nicht einfach in digitale übertragen. Ganz neue Herausforderungen kamen auf uns zu:
Neue Kontakt- und Interaktionsmöglichkeiten, aber auch die Einschränkungen eines internationalen Events, bei dem die Teilnehmer in verschiedenen Zeitzonen leben. Außerdem mussten wir uns mit Fragen der Zugänglichkeit beschäftigen.
Was bieten Sie Ihren Kunden jetzt konkret an?
Wenger: Im Moment arbeiten wir rein virtuell. Dafür haben wir zum Beispiel selbst ein Streamingstudio in Neusäß und betreiben zwei weitere in Zusammenarbeit mit der Messe Augsburg. Außerdem haben wir Streamingboxen für Unternehmen eingerichtet, damit jederzeit hochwertige Übertragungen stattfinden können. Für die Organisation digitaler Events haben wir unsere eigene Software entwickelt. Ein weiteres klassisches Corona-Produkt ist die Produktion von Videos für Unternehmen.
Wie sieht die Zukunft der Eventbranche aus?
Wenger: Wir befinden uns in einer spannenden Phase. Die Veranstaltungsbranche wird sich nach der Krise verändern. Auf der einen Seite wird es wieder Events geben, die eine Daseinsberechtigung im Analogen haben. Live ist nicht ersetzbar. Ein Beispiel sind Teambuildingbreit
Maßnahmen, die virtuell nicht lange Spaß machen. Auf der anderen Seite wird es weiterhin Events geben, die digital stattfinden. Ich sehe zum Beispiel keinen Grund mehr, für eine globale Konferenz um die Welt zu fliegen. Wir haben in unserer Software schon die Möglichkeit eingebaut, sich bei der Registrierung für live oder digital zu entscheiden. Hinzu kommt, dass digitale Inhalte, wie zum Beispiel die Präsentation von einem Vortrag auch für Teilnehmer vor Ort einen Mehrwert haben können. Unsere Hauptaufgabe ist es, die digitale und die analoge Welt zusammenzubringen.
Wie lautet also Ihr Fazit nach über einem Jahr Corona-Pandemie? Wenger: Sorge macht mir das Krisenmanagement in Deutschland. Die Unklarheit und das ewige Hin und Her sind für uns ein Problem. Was gestern erlaubt war, kann heute schon wieder verboten sein. Ich könnte mittlerweile zum Beispiel einen eigenen Mitarbeiter abstellen, der laufend die Inzidenzwerte überprüft und anschließend mit Kundenaufträgen abgleicht. Positiv stimmt mich, dass es bisher nach jeder Krise einen Aufschwung gab. Man muss optimistisch bleiben. Und wie wahrscheinlich jeder freue ich mich auf ein bisschen Normalität.