Augsburger Allgemeine (Land West)
Ärger um CoronaDemos in Zusmarshausen
Pandemie Etwa 100 Leute demonstrieren in Zusmarshausen gegen die Corona-Regeln. Bürgermeister Uhl warnt vor Rechtsextremen in den Reihen. Eltern reagieren empört
Zusmarshausen „Impfung ist Mord“steht auf dem Schild einer Demonstrantin. „Schämt euch, ihr Kinderquäler“auf einem anderen. So geht es nun schon seit einigen Wochen. Jeden Dienstag treffen sich Demonstranten auf dem Parkplatz der Realschule in Zusmarshausen, um ihre Meinung zu den Corona-Maßnahmen kundzutun. Etwa 100 waren es dieses Mal. Gemeinsam wollen sie ein Zeichen setzen gegen die aktuellen Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Nach Informationen des Bürgermeisters sollen Reichsbürger unter den Demonstranten sein. Der Organisator der Demo sagt: „Wir sind einfach nur Kritiker, wir leugnen Corona nicht.“Er gehört nach eigenen Angaben zur Bürgerinitiative „Altenmünster steht auf“. Dass auch Corona-Leugner mitlaufen könnten, hält er für möglich. Wofür oder wogegen die Demonstranten konkret marschieren, ist auf den ersten Blick jedenfalls nicht erkennbar.
Im Gespräch wird klar, wie weit die Forderungen auseinandergehen. Der Zusmarshauser Harald Gerbing sagt, er sei „gegen die Maskierung für Kinder“. Dass die in der Schule eine Maske tragen müssen, führe zu psychologischen Problemen. Die verantwortlichen Politiker nennt er „Lebensdiebe“oder „Kinderquäler“. Eine andere Demonstrantin spricht sich gegen alle Corona-Maßnahmen aus. Sie ist überzeugt, das Virus gebe es bereits seit den 60erJahren. Und: „Ein Virus tötet keine Menschen.“Wie sie sich die vollen Intensivstationen im ganzen Land erklärt? „Die Menschen sterben an einer Lungenentzündung“, behauptet die Frau, die nach eigenen Angaben Krankenschwester ist – zurzeit allerdings freigestellt.
Wolfgang Gefeller hat die Demonstration auf die Beine gestellt. Er sagt, es gehe ihm vor allem darum, die Kinder zu schützen vor der Maskenpflicht und der Testpflicht an Schulen. Seiner Ansicht nach würden Kinder kaum zum Infektionsgeschehen beitragen. Schützen wolle er zudem die älteren Leute in Pflegeheimen. Hier seien seit Beginn der Kontaktbeschränkungen beispielsweise Menschen gestorben, ohne dass sie von Angehörigen noch einmal besucht werden konnten. Wolfgang Gefeller demonstriert auch gegen den Lockdown, und zwar egal in welcher Form. Er fragt sich, ob die mehr als 82.000 Toten in Deutschland nun an oder mit Corona gestorben seien, und bezweifelt, dass im Moment tatsächlich eine Pandemie um sich greife. Gefeller
er wolle sich in seiner Umgebung gegen eine Spaltung der Gesellschaft einsetzen. Unter den Demonstranten sind auch Eltern, die sich Sorgen darüber machen, wie ihre Kinder mit der Testpflicht in der Schule zurechtkommen und ob dem Nachwuchs das Maskentragen gesundheitlich schaden könnte.
Einige von diesen Eltern waren offenbar empört, als sich der Zusmarshauser Bürgermeister Bernhard Uhl vor Kurzem öffentlich von den Demonstrationen distanzierte. Im Marktboten, dem Info-Blatt der Marktgemeinde, schrieb er den Satz: „Obwohl sich Proteste gegen die Beschränkungen in der Coronasagt, wurden Entzündungen der Lungen bläschen gefunden oder Mikrothromben in den feinen Blutgefäßen der Lun ge. Todesursachen waren auch Throm bosen, Thrombembolien.
● Virus seit den 60erJahren aktiv? Coronaviren wurden in den 60er Jahren entdeckt. Das SarsCoV2 ge hört zu diesen Coronaviren. Es wurde wohl erstmals Ende 2019 in China beim Menschen erkannt. Einige Forscher vermuten, dass es schon in den 60er Jahren unter Fledermäusen kursierte. Die Weltgesundheitsorganisation warn te Anfang 2020 vor dem Virus und einer „gesundheitlichen Notlage mit in ternationaler Tragweite“. (AZ)
Pandemie bundesweit durch diffuse Teilnehmer*innen charakterisieren, sind die Gruppen mit legitimen Anliegen nicht mehr von Rechtspopulist*innen und Anhänger*innen von Verschwörungsideologien unterscheidbar.“
Bernhard Uhl erklärt dazu, er habe vorab Informationen erhalten, dass es sich in Zusmarshausen um eine Kundgebung mit Reichsbürgern handele. Mit jenem Satz habe er zum Ausdruck bringen wollen, dass die Teilnehmer genau aufpassen und sich nicht durch das Thema Corona leiten lassen sollten. Bernhard Uhl sagt, er würde es als Bürger von einem Bürgermeister erwarten, dass er über solche Tatsachen informiere.
Aufgebrachte Demonstrationsteilnehmer veröffentlichten in der folgenden Ausgabe des Marktboten eine Anzeige, in der sie dem Bürgermeister vorwarfen, die demonstrierenden Eltern diffamiert zu haben. „Wer gibt Ihnen das Recht, Menschen, die sich um ihre Zukunft und die ihrer Kinder sorgen, in die rechte Ecke zu schieben?“, heißt es in der Anzeige. Diese Menschen hätten keine öffentliche Stimme. Den Bürgermeister hätten nach der Veröffentlichung viele weitere Zuschriften von verärgerten Demonstranten erreicht, wie er berichtet. Einen Zusammenhang mit der Debatte über die gerade erst erhöhten Kita-Gebühren schließt er aus. Er sei grundsätzlich und in kleinerer Runde gesprächsbereit. Ein Leugnen der Pandemie sei seiner Ansicht nach keine Lösung. Er habe bei den Demonstrationen noch keine alternativen Lösungsvorschläge gehört.
Am Dienstagabend hält ein großer Teil der Gruppe zunächst kaum Abstand und trägt auch keine Maske. Erst als die Demo offiziell beginnt, ändert sich das – eine Auflage, die von der Polizei kontrolliert wird. Dann marschiert die Gruppe los in Richtung Rathaus. Vor Ort sind auch Beobachter, so wie die beiden Zusmarshauser Dieter Haugg und Heidi Weiß. „Ich will mir eine eigene Meinung bilden“, sagt Dieter Haugg. Heidi Weiß sagt, sie wolle sehen, ob unter den Demonstranten tatsächlich Rechtsextreme sind. Sie findet: „Das sind hier alles ganz normale Leute.“
Tatsächlich ist der prominenteste unter den Demonstranten wohl ein vom Verfassungsschutz beobachteter ehemaliger Polizist. Der Münchener Karl Hilz ist schon bei etlichen Demos der Querdenker-Bewegung aufgetreten. Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks begründet der Verfassungsschutz die Beobachtung folgendermaßen: „Hilz versucht, mit seinem Aktivismus eine systematische Störung der Funktionsfähigkeit des Staates herbeizuführen.“In Zusmarshausen nannte der Mann das Coronavirus eine „milde verlaufende Grippe“. Außerdem behauptete er, die Bundesregierung würde durch die Corona-Maßnahmen eine Diktatur einführen.