Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Werkzeug aus Meitingen

Fundstück des Monats Landwirtsc­haft war im Mittelalte­r überlebens­wichtig. Doch die Geräte waren auch Folterinst­rumente

- VON MARCO KEITEL

Meitingen Um ihre Unschuld zu beweisen, musste sie über glühende, eiserne Pflugschar­en laufen. Die junge Frau akzeptiert­e diese Folter, sie wollte beweisen, dass sie ihren Mann nicht betrogen hat. Wie durch ein Wunder blieb sie unverletzt. So beschreibt die Legende ein Gottesurte­il für Kunigunde von Luxemburg, die im 10. Jahrhunder­t Kaiser Heinrich II., den ehemaligen Herzog von Bayern, geheiratet hatte.

Auch bei unserem Fundstück des

Monats handelt es sich um eine Pflugschar.

Ob das Werkzeug, das Mitglieder des Arbeitskre­ises für Vor- und Frühgeschi­chte 2018 in Meitingen gefunden haben, ein Folterinst­rument war, ist nicht überliefer­t. Fest steht: Die Pflugschar aus dem heutigen Landkreis Augsburg ist noch älter als die glühenden Eisen, über die Kunigunde der Legende nach gehen

Fundstück des Monats musste. Sie stammt aus der Spätantike oder dem frühen Mittelalte­r, wohl aus einer Zeit zwischen dem fünften und dem achten Jahrhunder­t. Die Archäologe­n haben sie in den Resten eines Grubenhaus­es gefunden, also in einer ehemaligen Hütte, die in den Boden eingetieft war. Grubenhäus­er waren in der Regel recht klein und nur zum Arbeiten gedacht, nicht zum Wohnen. Die Bodenfeuch­tigkeit in den tiefen Hütten begünstigt­e die Verarbeitu­ng von Leinen. In der frühmittel­alterliche­n Siedlung in Meitingen gab es mehr als 50 Grubenhäus­er. Die Wohnhäuser standen in der Nähe und waren nicht in die Erde abgesenkt. Pflüge hatten zu dem Zeitpunkt, als ein Meitinger das Exemplar in der Grubenhaus­siedlung anfertigte, schon Jahrtausen­de der Verbesseru­ng hinter sich: „Der Pflug hat seit der Steinzeit eine lange Entwicklun­g gemacht – zunächst war es nur ein einfacher Holzhaken“, erklärt Gisela Mahnkopf, Kreisheima­tpflegerin für Archäologi­e. Der Holzhaken wurde vor Tausenden von Jahren noch per Hand durch den Boden gezogen. Dann wurde Landwirtsc­haft immer bedeutende­r, für das Überleben der Menschen war eine gute Ernte unheimlich wichtig. „Es mussten immer größere Flächen bewirtscha­ftet werden“, sagt die Kreisheima­tpflegerin.

In der Meitinger Siedlung, zur Zeit der Spätantike oder des Frühmittel­alters, war das Pflügen mit Zugtieren bereits üblich. Wahrschein­lich seien ein oder zwei Ochsen vor die hölzerne Vorrichtun­g gespannt worden, an deren Unterseite die Pflugschar befestigt war, erklärt Mahnkopf.

Die Pflugschar selbst war nicht mehr aus Holz, sondern aus einem wesentlich robusteren Material: Eisen. Damit konnte der Boden tiefer aufgerisse­n werden, die Erde besser gelockert. Mit 15 Zentimeter­n Höhe und 10 Zentimeter­n Breite ist das Werkzeug kaum größer als ein modernes Smartphone. Ihre leicht asymmetris­che Form mit relativ langen Schaftlapp­en brachte den Arbeitskre­is Archäologi­e auf den Herstellun­gszeitraum der Pflugschar zwischen Spätantike und Frühmittel­alter.

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 ?? Foto: G. Mahnkopf ?? Fundstück des Monats ist diese Pflug‰ schar aus Meitingen.
Dieses und andere Stücke sind im Online‰Museum Omfala des Arbeitskre­ises für Vor‰ und Frühgeschi­chte zu sehen. Es kann kostenlos im Internet unter omfala.de angesehen werden.
Foto: G. Mahnkopf Fundstück des Monats ist diese Pflug‰ schar aus Meitingen. Dieses und andere Stücke sind im Online‰Museum Omfala des Arbeitskre­ises für Vor‰ und Frühgeschi­chte zu sehen. Es kann kostenlos im Internet unter omfala.de angesehen werden.

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