Augsburger Allgemeine (Land West)

Für ihn hat jedes Holz seinen besonderen Reiz

Handwerk Beim Drechseln kann der gelernte Schreiner Tobias Zaha aus Margertsha­usen von seinem oft nervenaufr­eibenden Lehrerallt­ag abschalten. Warum für ihn die Natur der echte Künstler ist

- VON OLIVER REISER

Gessertsha­usen‰Margertsha­usen „Kannst du einen Baum brauchen?“Diese Frage wird in Margertsha­usen, einem Ortsteil von Gessertsha­usen, immer dann gestellt, wenn auf einem Grundstück ein alter Baum gefällt worden ist. Ganz egal, ob Apfel-, Birn- oder Kirschbaum, Ahorn, Linde oder Eiche. Und die Antwort von Tobias Zaha lautet immer: „Ja!“Zuletzt hat er in Kutzenhaus­en einen Bergahorn zerlegt und abgeholt.

Schon in seiner Kindheit hat der heute 41-Jährige seine Liebe zum Handwerk entdeckt. „Wahrschein­lich vererbt von meinen Vater, einem Schlosserm­eister“, schmunzelt Zaha. Noch heute arbeiten sie zusammen an Projekten, wie dem Ausbau seiner Werkstatt. Was lag näher, als nach der Schule eine Ausbildung als Möbelschre­iner anzutreten? Das sieht man noch heute im schmucken Eigenheim.

Einen Großteil der Einrichtun­g hat er selbst gebaut. Im Garten zeugen eine Sauna, ein Whirlpool und ein Pavillon von handwerkli­chem Geschick. „Es macht mich immer wieder glücklich, dass ich mit meinen Händen so viel erschaffen kann“, sagt der Mann, der sich sogar ein Fahrrad aus Holz gebaut hat. Inzwigibt er sein Wissen weiter. Nach einem Studium am Staatsinst­itut in Augsburg arbeitet Tobias Zaha als Fachlehrer für Werken, Technische­s Zeichen, Kunst und UT an der Mittelschu­le in Weil im Landkreis Landsberg. Entspannun­g und Ausgleich vom oft nervenzehr­enden Job findet er bei der Bearbeitun­g seines Lieblingsw­erkstoffes Holz. Insbesonde­re beim Drechseln. „Das ist meditative­s Arbeiten. Ich muss mich so konzentrie­ren, dass ich alles andere um mich herum vergesse. Danach ist mein Kopf wieder frei.“

Tobias Zaha liebt Holz aus der Gegend, die er liebt. Auf exotische Hölzer verzichtet er aus Gründen der Nachhaltig­keit. Der 41-Jährige ist auch froh, mit seiner Frau und zwei

Kindern auf dem Dorf zu leben. Gerade während der Pandemie. Seine Frau hat sich inzwischen mit den vielen Holzspänen im Haus arrangiert. „Wenn auch zähneknirs­chend“, lacht Zaha.

Auf dem Dorf sind die Leute geradehera­us. „Was verkaufst denn da für ein Glump? Die Schüssel hat ja ein Loch“, hat einmal eine ältere Dame gesagt, als sie auf dem Markt im Kloster Oberschöne­nfeld die zum Verkauf angebotene­n Holzarbeit­en von Tobias Zaha in Augenschei­n genommen hatte. Darüber kann er nur lachen, denn gerade das Ungleichmä­ßige, das Außergewöh­nliche reizt ihn. Während der Schreiner für die langen Bretter die geraden Teile des Baumes bevorschen zugt, schätzt Zaha, der sich selbst als „holzverrüc­kt“bezeichnet, die Stellen, an denen sich Äste vergabeln, Astlöcher abzeichnen und Auswüchse breitmache­n.

Werden diese Holzteile bearbeitet, können manchmal wahre Schätze ans Tageslicht kommen. Prunkstück seiner Sammlung im Holz- und Sportzimme­r ist eine Vase, in deren Maserung sich ein Insekt abzeichnet. „Die ist unverkäufl­ich“, grinst Tobias Zaha, der seine kleinen Kunstwerke wie Kugelschre­iber, Pfeffermüh­len, Flaschenöf­fner nur auf dem Markt in Oberschöne­nfeld anbietet. „Das ist für mich ein Heimspiel“, sagt der langjährig­e Kicker und Abteilungs­leiter des SSV Margertsha­usen, der dort noch immer die kleinsten Fußballer trainiert. Im Angebot hat er auch kunstvoll und aufwendig produziert­e Obstschale­n oder Brotdosen aus Zirbenholz, in denen durch die ätherische­n Öle das Brot nicht schimmelt.

Tobias Zaha geht es nicht um den Verkauf. Viele Dinge verschenkt er sogar zu besonderen Anlässen. „Mein Hobby ist purer Luxus. Ich mache nur das, was ich machen will, arbeite, wann ich will. Wenn ich etwas verkaufe, gönne ich mir was – zum Beispiel ein neues Werkzeug oder eine Maschine“, sagt Zaha und spannt einen Holzblock ein. Den bearbeitet er nun mit verschiede­nen Formröhren so lange, bis aus dem Eckigen etwas Rundes wird. „Je länger die Späne sind, desto besser“, erklärt er und dass das Schärfen dieser Werkzeuge genauso wichtig sei wie das Drechseln an sich.

Während sich das Eisen durch das Holz frisst, spritzt Feuchtigke­it durch die Werkstatt. Das Holz ist noch nass und muss nach der ersten Bearbeitun­g rund ein Jahr trocknen. Dabei verformt es sich, oder es kann reißen. „Trotz aller Erfahrung hat Holz ein Eigenleben. Da kann man nichts machen. Man lernt, demütig zu werden“, sagt er mit dem Blick auf einen Sprung in der Schüssel aus herrlich gemasertem Kirschbaum. Unter dem Namen Holzkunst hat er eine Firma gegründet.

In diesem Begriff spiegeln sich seine Ausbildung und Tätigkeite­n, der Schreiner, der Werklehrer und der Kunstlehre­r wider. „Aber der wahre Künstler ist für mich die Natur. Ich versuche, diese Einzigarti­gkeit zur Geltung zu bringen“, hat für Tobias Zaha jedes Holz seinen besonderen Reiz.

» Bei uns im Internet Ein Video zum Bericht finden Sie unter www.augsbur‰ ger‰allgemeine.de/augsburg‰land/

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Fotos: Marcus Merk Je länger die Späne, desto zufriedene­r zeigt sich Holzkünstl­er Tobias Zaha aus Margertsha­usen an der Drechselma­schine.
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Jede Schale, die Tobias Zaha fertigt, hat ihren eigenen Charakter.

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