Augsburger Allgemeine (Land West)
Gruppe S.: Anwälte wollen Terrorprozess aussetzen
Justiz Die Juristen kritisieren, dass sich ihre Mandanten nicht ausreichend auf das Verfahren im Hochsicherheitstrakt Stammheim vorbereiten könnten
Mickhausen Vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim müssen sich zwölf mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer rechtsterroristischen Vereinigung verantworten. Sie wurde nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. aus Mickhausen benannt. Am dritten Verhandlungstag forderten mehrere Anwälte, das Verfahren auszusetzen.
Aus ihrer Sicht erhalten die Angeklagten im Gefängnis nicht ausreichend Zugang zu ihren Lese-Laptops, um sich ordentlich auf den Prozess vorbereiten zu können. Einer der Männer könne beispielsweise einen Laptop in der JVA Stuttgart nur nach vorherigem Antrag im Leseraum stundenweise nutzen. Die Oberstaatsanwaltschaft sprach sich gegen den Antrag aus. Das Gericht unterbrach die Sitzung und zog sich zur Beratung zurück. Ein anderer Angeklagter habe wegen mehrerer Corona-Infektionen in der Anstalt in Stuttgart-Stammheim überhaupt keinen Zugang gehabt.
Im Fokus stand am dritten Verhandlungstag aber nicht der Antrag der Rechtsanwälte, sondern ein 51-jähriger Mann, der im nordrhein-westfälischen Hamm für die Polizeiverwaltung arbeitete. Er bestritt Verbindungen zur Terrorgruppe. An einem Treffen der Gruppe im Februar 2020 habe er nur teilgenommen, weil er dachte, es gehe um sein Hobby – das Mittelalter. Als Geschichtsinteressierter sei er davon ausgegangen, dass ein anderer Angeklagter neue Mitglieder für eine Mittelaltergruppe gesucht habe. Ihn hatte er auf einem Mittelaltermarkt auf Fehmarn kennengelernt.
Wenige Tage nach dem Treffen der Gruppe wurde er bei einer bundesweiten Razzia festgenommen. Beim mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. in Mickhausen stellten die Beamten eine scharfe Pistole sicher. Bei einem anderen angeblichen Unterstützer fanden sie selbst konstruierte Handgranaten. Die Mitglieder der mutmaßlichen rechtsterroristischen Gruppe wollten laut Anklage gezielt Muslime töten und einen Bürgerkrieg anzetteln. Sie vernetzten sich demnach über Chatgruppen. Sie wollten sich Waffen besorgen und dann damit Moscheen überfallen. Sie hatten auch Politiker im Visier.
Davon wollte der Angeklagte aus Nordrhein-Westfalen nichts wissen. Als es um Geld für Waffen ging, hätte er gedacht, dass damit ein Vereinsheim finanziert werden sollte. Wie in der Gruppe Anschläge thematisiert wurden, habe er sich davon distanziert. Angeblich dachte er sofort an das neuseeländische Christchurch und will den Namen auch in die Runde gebracht haben. Dort starben 2019 bei einem Terroranschlag auf zwei Moscheen 51 Menschen, 50 weitere wurden verletzt.
Laut einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten fanden Ermittler heraus, dass der Angeklagte Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung ist. 2006 trat er offenbar dem Freundeskreis der Truppenkameradschaft der 3. SS-Panzer-Division Totenkopf bei.
Auf einer Internetplattform teilte er den Post: „Wir müssen von Zeit zu Zeit Terroranschläge verüben, bei denen unbeteiligte Menschen sterben. Das primäre Ziel eines solchen Anschlages sind nicht die Toten, sondern die Überlebenden, denn die gilt es zu lenken und zu beeinflussen.“