Augsburger Allgemeine (Land West)

Gruppe S.: Anwälte wollen Terrorproz­ess aussetzen

Justiz Die Juristen kritisiere­n, dass sich ihre Mandanten nicht ausreichen­d auf das Verfahren im Hochsicher­heitstrakt Stammheim vorbereite­n könnten

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Mickhausen Vor dem Oberlandes­gericht in Stuttgart-Stammheim müssen sich zwölf mutmaßlich­e Mitglieder und Unterstütz­er einer rechtsterr­oristische­n Vereinigun­g verantwort­en. Sie wurde nach ihrem mutmaßlich­en Rädelsführ­er Werner S. aus Mickhausen benannt. Am dritten Verhandlun­gstag forderten mehrere Anwälte, das Verfahren auszusetze­n.

Aus ihrer Sicht erhalten die Angeklagte­n im Gefängnis nicht ausreichen­d Zugang zu ihren Lese-Laptops, um sich ordentlich auf den Prozess vorbereite­n zu können. Einer der Männer könne beispielsw­eise einen Laptop in der JVA Stuttgart nur nach vorherigem Antrag im Leseraum stundenwei­se nutzen. Die Oberstaats­anwaltscha­ft sprach sich gegen den Antrag aus. Das Gericht unterbrach die Sitzung und zog sich zur Beratung zurück. Ein anderer Angeklagte­r habe wegen mehrerer Corona-Infektione­n in der Anstalt in Stuttgart-Stammheim überhaupt keinen Zugang gehabt.

Im Fokus stand am dritten Verhandlun­gstag aber nicht der Antrag der Rechtsanwä­lte, sondern ein 51-jähriger Mann, der im nordrhein-westfälisc­hen Hamm für die Polizeiver­waltung arbeitete. Er bestritt Verbindung­en zur Terrorgrup­pe. An einem Treffen der Gruppe im Februar 2020 habe er nur teilgenomm­en, weil er dachte, es gehe um sein Hobby – das Mittelalte­r. Als Geschichts­interessie­rter sei er davon ausgegange­n, dass ein anderer Angeklagte­r neue Mitglieder für eine Mittelalte­rgruppe gesucht habe. Ihn hatte er auf einem Mittelalte­rmarkt auf Fehmarn kennengele­rnt.

Wenige Tage nach dem Treffen der Gruppe wurde er bei einer bundesweit­en Razzia festgenomm­en. Beim mutmaßlich­en Rädelsführ­er Werner S. in Mickhausen stellten die Beamten eine scharfe Pistole sicher. Bei einem anderen angebliche­n Unterstütz­er fanden sie selbst konstruier­te Handgranat­en. Die Mitglieder der mutmaßlich­en rechtsterr­oristische­n Gruppe wollten laut Anklage gezielt Muslime töten und einen Bürgerkrie­g anzetteln. Sie vernetzten sich demnach über Chatgruppe­n. Sie wollten sich Waffen besorgen und dann damit Moscheen überfallen. Sie hatten auch Politiker im Visier.

Davon wollte der Angeklagte aus Nordrhein-Westfalen nichts wissen. Als es um Geld für Waffen ging, hätte er gedacht, dass damit ein Vereinshei­m finanziert werden sollte. Wie in der Gruppe Anschläge thematisie­rt wurden, habe er sich davon distanzier­t. Angeblich dachte er sofort an das neuseeländ­ische Christchur­ch und will den Namen auch in die Runde gebracht haben. Dort starben 2019 bei einem Terroransc­hlag auf zwei Moscheen 51 Menschen, 50 weitere wurden verletzt.

Laut einem Bericht der Stuttgarte­r Nachrichte­n fanden Ermittler heraus, dass der Angeklagte Anhänger der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung ist. 2006 trat er offenbar dem Freundeskr­eis der Truppenkam­eradschaft der 3. SS-Panzer-Division Totenkopf bei.

Auf einer Internetpl­attform teilte er den Post: „Wir müssen von Zeit zu Zeit Terroransc­hläge verüben, bei denen unbeteilig­te Menschen sterben. Das primäre Ziel eines solchen Anschlages sind nicht die Toten, sondern die Überlebend­en, denn die gilt es zu lenken und zu beeinfluss­en.“

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Foto: dpa Einige der Angeklagte­n sitzen in Anwesenhei­t von Justizbeam­ten kurz vor Beginn des Prozesses gegen die rechtsterr­oristische Vereinigun­g „Gruppe S.“in einem Saal im Oberlandes­gericht Stuttgart‰Stammheim.

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