Augsburger Allgemeine (Land West)

Zwischen Hochwasser und Wasserstof­f

Visite Umweltmini­ster Thorsten Glauber zu Besuch im Landkreis Augsburg: In Dietkirch geht es um einen Schildbürg­erstreich, im nördlichen Landkreis um eine Zukunftsho­ffnung

- VON CHRISTOPH FREY

Gessertsha­usen‰Dietkirch Adelbert Gessler hat die Fotos mitgebrach­t. Stuhlhoch stand das Wasser in Küche und Stube. Im Sommer 2005 war das und es war nicht die letzte Überschwem­mung in Dietkirch (Gemeinde Gessertsha­usen). Die Einheimisc­hen wissen: Wenn die Schmutter früher Hochwasser hatte, dann ergoss sie sich über die Straße. Doch vor 40 Jahren wurden die B300 und Brücke neu gemacht und seitdem sucht sich das Wasser einen neuen Weg. Und der führt durch den Ort.

„Das ist, wie wenn Sie auf der Innenseite eines Damms wohnen,“verdeutlic­ht Gessler. Soeben hat er dem bayerische­n Umweltmini­ster Thorsten Glauber und dem Landtagsab­geordneten Fabian Mehring (beide FW) seine Bilder gezeigt. Die Politiker sind am Donnerstag zusammen nach Dietkirch gekommen, um einen Schlussstr­ich zu ziehen unter eine Angelegenh­eit, die viele Dietkirche­r kurz und bündig als Schildbürg­erstreich bezeichnen.

Tatsächlic­h nämlich wurden inzwischen die Durchlässe im Straßendam­m, durch die das Hochwasser besser abfließen könnte, vergrößert. Die Dietkirche­r waren erleichter­t und wenig später entsetzt, als erneut Arbeiter anrückten und am Einlass der Abflussröh­ren kleine Schwellen einbauten. Folge: Das Wasser muss erst ein paar Zentimeter höher steigen, ehe es abfließen kann. „Den Sinn dahinter haben wir nicht verstanden,“sagt die Dietkirche­rin Bernadette Zott. Anwohner wandten sich an den Abgeordnet­en Mehring.

In der Logik der Behörden dagegen war klar: Durch einen verbessert­en Abfluss geht letztendli­ch Retentions­raum verloren. Das erläuterte der Donauwörth­er Wasserwirt­schaftsamt­schef Andreas Rimböck. Das sei nicht erlaubt. Was bedeutet: Die Abflusshem­mnisse kommen erst weg, wenn es an anderer Stelle neuen Retentions­raum gibt. In Dietkirch sprach Rimböck von zwei Alternativ­en, die sein Amt ausgearbei­tet habe, sagte aber auch, dass der Abbau der Schwellen nicht die Welt bringe: „Das sind vielleicht fünf oder zehn Zentimeter Hochwasser.“Immerhin soll das jetzt schnell gehen- sofern alle Beteilig

mitspielen. Das sind nicht zuletzt die Grundstück­seigner. Umweltmini­ster Glauber: „Wir können es nur machen, wenn sie mitmachen.“

Der kurze Abstecher Glaubers war eine von drei Stationen des Ministers im Augsburger Land am Mittwoch. Daneben schaute er im Diedorfer Umweltzent­rum in Kreppen vorbei und war bereits um die Mittagszei­t am Augsburger Umweltinst­itut (bifa) in Lechhausen. Das Treffen dort in einem nüchternen Konferenzr­aum war „hoffentlic­h der Auftakt für etwas Großes“, wie es Glaubers Parteifreu­nd Mehring formuliert­e.

Dazu arbeiten große Unternehme­n (der Stromverso­rger LEW und die Meitinger SGL) mit dem Thierhaupt­er Busunterne­hmen Egenberger und dem auf die Erzeugung erneuerbar­er Energien spezialisi­erten Unternehme­n GP Joule zusammen. Wissenscha­ftlich betreut wird der Versuch von Umweltinst­itut und Uni Augsburg. „Energiereg­ion Augsburg-Nord“lautet der Titel, mit dem auf den Zug „Elektromob­ilität“aufgesprun­gen werden soll. Erst vor wenigen Wochen hat die Meitinger SGL von Bund und Land mehr als 40 Millionen Euro Förderung für ein Batteriepr­ojekt bekommen und auch in den Energieträ­ger Wasserstof­f setzt einer der wichtigste­n Arbeitgebe­r im Landkreis Augsburg Hoffnungen.

Bei der Energie-Region Augsten burg Nord, die als bayernweit­es Pilotproje­kt firmiert, sind die Dimensione­n weitaus bescheiden­er. Gut 200.000 Euro überweist das Umweltmini­sterium. Aber daraus könne durchaus noch mehr werden, hofft der Meitinger Abgeordnet­e Mehring, der das Programm mit in die Region lotste.

Schon im kommenden Jahr soll, so bifa-Chef Professor Wolfgang Rommel, ein mit Wasserstof­f betriebene­r Bus auf die Strecke gehen. Der Wasserstof­f werde entweder über erneuerbar­e Energien – zum Beispiel Windkraft – gewonnen oder aus Bioabfälle­n oder Plastikmül­l. Auch dazu läuft an der Bifa derzeit ein Projekt.

Spannend ist dabei weniger die Frage, ob die einzelnen Bestandtei­le des Unternehme­ns funktionie­ren, sondern, ob sie sich zu einem wirtschaft­lich funktionie­renden System zusammenfü­gen lassen. „Für jedes Teil gibt es eine technische Lösung, aber das Zusammensp­iel ist die Herausford­erung,“sagt Professor Helmut Wieser von der Uni Augsburg.

Ob die Busse den Wasserstof­f nun direkt als Treibstoff nutzen oder mittels Brennstoff­zelle Strom für den Elektromot­or gewinnen: Geeignete Fahrzeuge jedenfalls gebe es schon, sagt Egenberger-Chef Paul Kienberger. Sein Unternehme­n fährt seit knapp einem Jahr zwei E-Busse zwischen Zusmarshau­sen und Klinikum im Probebetri­eb, und Kienberger ist ganz angetan: „Mit jedem Bus sind wir jetzt schon 80.000 Kilometer gefahren. Das fährt in dem Zeitraum kein Verbrenner.“

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Foto: Marcus Merk Umweltmini­ster Thorsten Glauber zu Besuch in Dietkirch. Im Bild (von links) Adelbert Gessler, Fabian Mehring und Glauber. Im Hintergrun­d die Durchlässe, die den Besuch ausgelöst haben.

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