Augsburger Allgemeine (Land West)
Zwischen Hochwasser und Wasserstoff
Visite Umweltminister Thorsten Glauber zu Besuch im Landkreis Augsburg: In Dietkirch geht es um einen Schildbürgerstreich, im nördlichen Landkreis um eine Zukunftshoffnung
GessertshausenDietkirch Adelbert Gessler hat die Fotos mitgebracht. Stuhlhoch stand das Wasser in Küche und Stube. Im Sommer 2005 war das und es war nicht die letzte Überschwemmung in Dietkirch (Gemeinde Gessertshausen). Die Einheimischen wissen: Wenn die Schmutter früher Hochwasser hatte, dann ergoss sie sich über die Straße. Doch vor 40 Jahren wurden die B300 und Brücke neu gemacht und seitdem sucht sich das Wasser einen neuen Weg. Und der führt durch den Ort.
„Das ist, wie wenn Sie auf der Innenseite eines Damms wohnen,“verdeutlicht Gessler. Soeben hat er dem bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber und dem Landtagsabgeordneten Fabian Mehring (beide FW) seine Bilder gezeigt. Die Politiker sind am Donnerstag zusammen nach Dietkirch gekommen, um einen Schlussstrich zu ziehen unter eine Angelegenheit, die viele Dietkircher kurz und bündig als Schildbürgerstreich bezeichnen.
Tatsächlich nämlich wurden inzwischen die Durchlässe im Straßendamm, durch die das Hochwasser besser abfließen könnte, vergrößert. Die Dietkircher waren erleichtert und wenig später entsetzt, als erneut Arbeiter anrückten und am Einlass der Abflussröhren kleine Schwellen einbauten. Folge: Das Wasser muss erst ein paar Zentimeter höher steigen, ehe es abfließen kann. „Den Sinn dahinter haben wir nicht verstanden,“sagt die Dietkircherin Bernadette Zott. Anwohner wandten sich an den Abgeordneten Mehring.
In der Logik der Behörden dagegen war klar: Durch einen verbesserten Abfluss geht letztendlich Retentionsraum verloren. Das erläuterte der Donauwörther Wasserwirtschaftsamtschef Andreas Rimböck. Das sei nicht erlaubt. Was bedeutet: Die Abflusshemmnisse kommen erst weg, wenn es an anderer Stelle neuen Retentionsraum gibt. In Dietkirch sprach Rimböck von zwei Alternativen, die sein Amt ausgearbeitet habe, sagte aber auch, dass der Abbau der Schwellen nicht die Welt bringe: „Das sind vielleicht fünf oder zehn Zentimeter Hochwasser.“Immerhin soll das jetzt schnell gehen- sofern alle Beteilig
mitspielen. Das sind nicht zuletzt die Grundstückseigner. Umweltminister Glauber: „Wir können es nur machen, wenn sie mitmachen.“
Der kurze Abstecher Glaubers war eine von drei Stationen des Ministers im Augsburger Land am Mittwoch. Daneben schaute er im Diedorfer Umweltzentrum in Kreppen vorbei und war bereits um die Mittagszeit am Augsburger Umweltinstitut (bifa) in Lechhausen. Das Treffen dort in einem nüchternen Konferenzraum war „hoffentlich der Auftakt für etwas Großes“, wie es Glaubers Parteifreund Mehring formulierte.
Dazu arbeiten große Unternehmen (der Stromversorger LEW und die Meitinger SGL) mit dem Thierhaupter Busunternehmen Egenberger und dem auf die Erzeugung erneuerbarer Energien spezialisierten Unternehmen GP Joule zusammen. Wissenschaftlich betreut wird der Versuch von Umweltinstitut und Uni Augsburg. „Energieregion Augsburg-Nord“lautet der Titel, mit dem auf den Zug „Elektromobilität“aufgesprungen werden soll. Erst vor wenigen Wochen hat die Meitinger SGL von Bund und Land mehr als 40 Millionen Euro Förderung für ein Batterieprojekt bekommen und auch in den Energieträger Wasserstoff setzt einer der wichtigsten Arbeitgeber im Landkreis Augsburg Hoffnungen.
Bei der Energie-Region Augsten burg Nord, die als bayernweites Pilotprojekt firmiert, sind die Dimensionen weitaus bescheidener. Gut 200.000 Euro überweist das Umweltministerium. Aber daraus könne durchaus noch mehr werden, hofft der Meitinger Abgeordnete Mehring, der das Programm mit in die Region lotste.
Schon im kommenden Jahr soll, so bifa-Chef Professor Wolfgang Rommel, ein mit Wasserstoff betriebener Bus auf die Strecke gehen. Der Wasserstoff werde entweder über erneuerbare Energien – zum Beispiel Windkraft – gewonnen oder aus Bioabfällen oder Plastikmüll. Auch dazu läuft an der Bifa derzeit ein Projekt.
Spannend ist dabei weniger die Frage, ob die einzelnen Bestandteile des Unternehmens funktionieren, sondern, ob sie sich zu einem wirtschaftlich funktionierenden System zusammenfügen lassen. „Für jedes Teil gibt es eine technische Lösung, aber das Zusammenspiel ist die Herausforderung,“sagt Professor Helmut Wieser von der Uni Augsburg.
Ob die Busse den Wasserstoff nun direkt als Treibstoff nutzen oder mittels Brennstoffzelle Strom für den Elektromotor gewinnen: Geeignete Fahrzeuge jedenfalls gebe es schon, sagt Egenberger-Chef Paul Kienberger. Sein Unternehmen fährt seit knapp einem Jahr zwei E-Busse zwischen Zusmarshausen und Klinikum im Probebetrieb, und Kienberger ist ganz angetan: „Mit jedem Bus sind wir jetzt schon 80.000 Kilometer gefahren. Das fährt in dem Zeitraum kein Verbrenner.“