Augsburger Allgemeine (Land West)
Wettschulden in Höhe von 170 Kilometer
Wer hat sich nicht schon mal zu einer wagemutigen Wette hinreißen lassen? Wegen des guten Bauchgefühls oder aus persönlicher Überzeugung? Wie etwa jener Kollege, der seit zehn Jahren darauf setzt, dass der FC Augsburg absteigt und der FC Bayern NICHT Meister wird. Am Ende jeder Saison zahlt er unverdrossen seinen Wetteinsatz von 50 Euro – ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Wettschulden sind ja bekanntlich Ehrenschulden. Auf keinen Fall darf man zeigen, wie sehr die verlorene Wette wurmt. Was dem zockenden Laien vor Augen führt, dass jeder Wetteinsatz sorgfältig überdacht werden muss. Er sollte sich unbedingt im erträglichen Rahmen bewegen. Zu viel Risiko hat manchen Zocker schon gewaltig in die Bredouille gebracht.
Im Falle von Oliver Mintzlaff dürfen wir beruhigt davon ausgehen, dass der Vorstandschef von RB Leipzig ganz genau wusste, auf was er sich bei seiner Wette eingelassen hat. Weil sein Verein tatsächlich den Sprung ins Pokalfinale geschafft hat, muss der drahtige 45-Jährige nun seine Wettschuld einlösen und mit dem Rennrad die 170 Kilometer von Leipzig bis zum Finalspielort nach Berlin fahren. Ein Wetteinsatz, der manch anderen Bundesliga-Vorstandschef sicher an die körperliche Grenze gebracht hätte. Der ehemalige Langstreckenund Crossläufer Mintzlaff wird die Strecke dagegen auf einer Pobacke abfahren.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass der Fußball-Boss seine Wette ausgerechnet mit dem Geschäftsführer eines großen Fahrrad-Unternehmens getätigt hat. Und weil Wettschulden nun mal Ehrenschulden sind, werden Unternehmer und Fußball-Boss am Finaltag medienwirksam durch die Republik radeln. Immerhin sind sie für einen guten Zweck unterwegs. Jeder gefahrene Kilometer beschert sozial benachteiligten Kindern Fußbälle und Fahrräder.
Umso interessanter wäre es nun, zu erfahren, wie Mintzlaffs Wetteinsatz fürs Pokalfinale lautet. Wenn seine Roten Bullen auf so wieder erstarkte Dortmunder treffen, dass die Schwarz-Gelben in der Gunst der Buchmacher tatsächlich einen Hauch vorne liegen. Es dürfte doch Ehrensache für den Leipziger Vorstandschef sein, noch einmal auf sein Team zu setzen. Und falls es mit einem Pokalsieg nichts wird, scheut sich Mintzlaff sicher nicht, die 170 Kilometer wieder zurückzustrampeln.