Augsburger Allgemeine (Land West)
„Wir waren eine verschworene Einheit“
Interview Mit einem 1:1 in Trier machte der FC Augsburg am 3. Mai 2006 den Aufstieg in die 2. Bundesliga perfekt. Torsten Traub stand in allen 34 Punktspielen in der Startelf. Ein Gespräch über seine Enttäuschung, weil es danach nicht mehr gut lief, Walth
Hallo Herr Traub, Sie können sich sicherlich vorstellen, warum ich anrufe. Es geht um den 3. Mai 2006.
Torsten Traub: Ja, klar. Mit dem 1:1 bei Eintracht Trier stand der Aufstieg in die 2. Bundesliga fest. Die Rückkehr nach 23 Jahren. Danach sind die Dämme gebrochen. Trainer Rainer Hörgl hat zwar gesagt, Jungs, es sind noch fünf Spiele, feiern ist nicht erlaubt. Aber die Mannschaft hat die Wochen danach schon genutzt, um das zu genießen.
Sie kamen vor der Aufstiegssaison von Zweitliga-Absteiger Rot-Weiß Erfurt. Traub: Das erste Mal habe ich mich mit Manager Jan Schindelmeiser irgendwann im April 2005 an einer Autobahnraststätte an der A9 getroffen. Da hatte der FCA noch Aufstiegschancen. Danach bestand weiter Kontakt. Aufgrund eines Dopingfalles und dem daraus resultierendem Punkteabzug bin ich mit Erfurt abgestiegen. Der FCA hatte das letzte Saisonspiel zu Hause gegen Jahn Regensburg leider verloren. Als man sich davon erholt hatte, hieß es: Jetzt erst recht. Und dieses Anpacken hat mich dann überzeugt. Allerdings war Jan Schindelmeiser schon nicht mehr Manager. Den Vertrag habe ich mit Max Krapf als Manager und Walther Seinsch festgezurrt.
Seinsch war der starke Mann des FCA. Was hat Sie besonders beeindruckt?
Traub: Walther Seinsch hatte eine tolle Vorstellung und Vision. Er hatte uns Spieler an einem Abend alle zum Essen eingeladen und hat uns seine Philosophie und die des Vereins erklärt. Ich war damals ja schon einer der erfahrenen Spieler und wir haben uns intensiv ausgetauscht. Diesen engen Kontakt zum Präsidenten hatte ich bis dahin noch nie so erlebt.
Ihr erstes Jahr in Augsburg hätte nicht besser laufen können. Der FCA dominierte die Liga und machte dann in Trier den Aufstieg perfekt. Wie gelang dies nach dem Regensburg-Trauma? Traub: Wir waren damals eine verschworene Einheit. Es gab eine klare Hierarchie auf dem Platz und wir verstanden uns auch privat super. Wir hatten gestandene Spieler mit Zdenko Miletic im Tor, dann gab es Sören Dreßler, Carsten Hutwelker, Mark Römer, einen Elton da Costa und Markus Knackmuß, um nur ein paar zu nennen. Das machte den Unterschied.
Sie waren einer der Führungsspieler. Sie haben in dieser Saison keine Minute in den 34 Punktspielen versäumt. Traub: Das stimmt nicht ganz. Ich stand in jedem Spiel in der Startelf, aber in der Hinrunde musste ich beim 4:0-Sieg in Regensburg so in der 70. Minute mit einer Platzwunde ausgewechselt werden. Ich wollte unbedingt weiterspielen, aber wir hatten keinen Tacker dabei, um die Wunde zu schließen. Darum musste ich draußen bleiben.
Im Aufstiegsjahr unverzichtbar, spielten Sie in der 2. Liga für Trainer Rainer Hörgl keine Rolle mehr. Insgesamt standen Sie nur etwas mehr als 20 Minuten auf dem Platz – und das in 34 Punktspielen. Was ist damals passiert? Traub: Das war damals sehr enttäuschend. Im Nachhinein und mit ein wenig Erfahrung sowie Gesprächen mit Rainer Hörgl, die wir führten, als wir später in Erfurt zusammengearbeitet haben, konnte ich die Entscheidung nachvollziehen. Der FCA hatte nach dem Aufstieg die Mannschaft in der Breite und auch in der Qualität verstärkt. Da kamen ein Roland Benschneider, ein Timo Wenzel, ein Lars Müller oder ein Ingo Hertzsch. Darum war ich plötzlich als Verteidiger nicht mehr erste Wahl. Ich wollte zur Winterpause wechseln, aber ich durfte nicht, weil Rainer Hörgl mich als wichtigen Faktor innerhalb der Mannschaft sah. Als Teamplayer, der immer mit dabei war, der in jedem Training Vollgas gab und den er bedenkenlos einwechseln konnte, wenn es notwendig war.
Aber Sie wollten doch spielen?
Traub: Genau. Darum habe ich mich im Winter reamateurisieren lassen, um in der 2. Mannschaft zu spielen, wenn es möglich war. Da habe ich oft am Samstag gespielt und bin dann mit dem Zug oder mit dem Auto am anderen Tag den Profis nachgereist. Der Trainer in der U23 war damals Thomas Tuchel.
Hat man da schon gemerkt, dass er ein großer Trainer werden kann?
Traub: Er war schon damals sehr detailversessen und sehr ehrgeizig. Er hat sich wahnsinnig viele Gedanken gemacht. Es hat enorm viel Spaß gemacht, auch weil er sich für die Mannschaft total eingesetzt hat.
Rainer Hörgl hat Sie nach Ihrem Karriereende im Februar 2010 als Teamkoordinator zum Drittligisten Rot-Weiß Erfurt geholt. Dort war er Trainer. Warum haben Sie noch einmal mit ihm zusammengearbeitet? Traub: Er war damals Manager und Trainer in Personalunion. Er hat mich angerufen und gesagt, er braucht jemand, der ihm den Rücken in administrativen Dingen freihält und vertrauen kann. Ich konnte mein Fernstudium als Sportökonom in Erfurt noch beenden. Das war eine ideale Kombination. Und über die Zeit in Augsburg haben wir uns ausgesprochen.
Rainer Hörgl verließ nach einem Jahr Erfurt. Sie sind geblieben.
Traub: Ich hatte dort ja in der 2. Liga gespielt und Erfurt ist inzwischen für mich und meine Frau Simone zur zweiten Heimat geworden. Ich war dann bis 2017 sportlicher Leiter bei RW.
Traub: Rolf Rombach war zwölf Jahre Präsident von RW Erfurt. Als er wenige Wochen zuvor aus seinem Amt gedrängt worden war, war klar, dass es schwierig werden würde. Die Tabelle lügt nicht. Der sportlichen Kritik musste ich mich stellen. Der Insolvenzverwalter hat dann keinen guten Job gemacht. Erfurt spielt jetzt in der Oberliga und hat immer noch mit der Insolvenz zu kämpfen.
Haben Sie auch Fehler gemacht? Traub: Wenn man im Sport nicht erfolgreich ist, hat man sicherlich nicht alles richtig gemacht. Man muss sehen, unter welchen Bedingungen wir damals gearbeitet haben. Wir haben mit wenigen Mitteln den Verein lange in der 3. Liga gehalten und ein Nachwuchsleistungszentrum, zertifiziert mit zwei Sternen, aufgebaut.
Sie sind im Fußball-Geschäft geblieben und arbeiten in Erfurt an einigen interessanten Projekten mit. Sie sind Geschäftsführer der Berateragentur Ballsportfabrik. Sie vermitteln nicht nur Spieler, sondern vor allem Trainer, Athletiktrainer, Physiotherapeuten, Torwarttrainer, also das Staff. Traub: Ich habe in meiner Karriere als Spieler und Funktionär gemerkt, dass der Bereich Funktionsteam immer spezieller wird und es dort einen großen Bedarf gibt, aber keine spezielle Agentur, die sich darum kümmert. Zudem fehlt es vielen Vereinen am richtigen Netzwerk. Wir sind jetzt seit zwei Jahren tätig, wachsen und sind bisher trotz der Corona-Pandemie zuversichtlich.
Haben Sie schon einen Kandidaten für die Bundesliga in Ihrer Agentur? Traub: So weit sind wir noch nicht, aber wir beraten ein paar wirklich interessante Klienten mit viel Potenzial.
Sie sind aber auch Geschäftsführer der Soccer Academy Arnstadt GmbH. Traub: Richtig. Wir bauen hier in der Nähe von Erfurt seit Anfang des Jahres eine internationale FußballAkademie auf. Da wollen wir neue Wege gehen, um außerhalb der Nachwuchsleistungszentren Talente aus Deutschland und aus aller Welt die Möglichkeit zu geben, in Deutschland mit dem Fußball in Kontakt zu kommen. Wir wollen für junge Fußballer zwischen 16 bis 21 Jahren Unterkunft, Schule und Sport unter einem Dach anbieten. Der SV Arnstadt stellt dafür die Infrastruktur zur Verfügung. Schulisch arbeiten wir mit einer internationalen Schule in Köln zusammen und wollen nach dem amerikanischen Hybrid-System eine Mischung von Präsenz- und OnlineUnterricht anbieten. Die Jungs werden hier in Arnstadt in einem Internat leben und können einen international anerkannten Schulabschluss machen. Die Lehrer werden digital zugeschaltet. Das ist ein unglaublich spannendes Projekt. Wir wollen damit im August starten.
Könnten Sie sich noch vorstellen, in den Profi-Fußball zurückzukehren? Traub: Aktuell nicht. Da bewegt man sich zu sehr in Vereins- und Verbandsstrukturen. Das will ich derzeit nicht. Deswegen bauen wir die Akademie auch auf privater Basis auf. Da kann man viel freier arbeiten. Interview: Robert Götz
Torsten Traub, 45, (geb. in Holzel fingen bei Reutlingen). Er absol vierte 109 Zweit ligaSpiele für den SSV Reutlin gen, St. Pauli, RW Erfurt und den FCA (5). Zudem stand er bei 244 Regionalliga
Spielen (34 für den FCA) auf dem Platz.