Augsburger Allgemeine (Land West)

Wird die Gepard‰Lieferung zum Debakel für die Ampel?

Hintergrun­d Die bedeutends­te deutsche Hilfe für die Ukraine droht an einem Problem namens „Gurtrille“zu scheitern. Ohne Schweizer Spezialmun­ition sind die Kampfkolos­se wertlos. Die Union erhöht den Druck auf SPD-Ministerin Lambrecht.

- VON MICHAEL POHL

Berlin Eine „Höllenmasc­hine“nennen frühere Bundeswehr-Ausbilder den Flugabwehr-Panzer Gepard. Das 47 Tonnen schwere Gefährt mit den auffällige­n Radarschir­men am Kampfturm bewegt sich zwar deutlich langsamer als die Raubkatze durchs Feld, schießt aber dafür umso schneller: Fast unglaublic­he 1100 Schuss pro Minute kann die Doppelkano­ne abfeuern. „Das ist genau das, was die Ukraine jetzt braucht“, sagte SPD-Bundesvert­eidigungsm­inisterin Christine Lambrecht, als sie vor knapp einem Monat für die Öffentlich­keit überrasche­nd die Lieferung von 50 ausgemuste­rten Gepard-Panzern an die Ukraine ankündigte.

Diese Worte könnten nun für die durch öffentlich­e Kritik schwer angeschlag­ene Verteidigu­ngsministe­rin zu einem weiteren Problem werden. Denn ausgerechn­et die Schussgesc­hwindigkei­t, mit der die Gepard-Panzer ähnlich einer riesigen Schrotflin­te Flugzeuge vom Himmel holen sollen, wird zum größten Hindernis für die bislang bedeutends­te angekündig­te Waffenhilf­e für die Ukraine. Denn neben der

Radartechn­ik ist der Gepard im Grunde genommen ein auf einen alten Leopard-I-Panzer montiertes Flak-Geschütz, das einst der Schweizer Kanonenspe­zialist Oerlikon-Bührle baute. Und die Zwillingsk­anone funktionie­rt nur mit der von dem Hersteller dafür entwickelt­en Spezialmun­ition.

Die Granatenhü­lsen sind mit einer sogenannte­n „Gurtrille“versehen, um sie in eine Art Patronengu­rt aus Blech zu spannen. „Der Gepard kann nur spezielle 35-Millimeter­Munition mit einer Gurtrille laden“, erklärt der Chefredakt­eur der Militärzei­tschrift Schweizer Soldat, Frederik Besse. Doch die Schweiz erteilte einer Ausfuhrbit­te für die Gepard-Munition der deutschen Bundesregi­erung eine Absage, und zwar deutlich vor Lambrechts Lieferankü­ndigung. Nach Angaben des Schweizer Wirtschaft­sdeparteme­nts Seco stellte die deutsche Bundesregi­erung ihre Exportanfr­age bereits im März, als Kanzler Olaf Scholz öffentlich ukrainisch­en Bitten nach schweren Waffen noch auswich.

Laut dem Militärexp­erten Besse hat die Schweiz die Ausfuhrbed­ingungen in den vergangene­n Jahren erheblich verschärft. Jede Schweizer

Granate trägt einen Stempel, mit der sie klar identifizi­ert werden kann“, sagt Besse. Ein Export in ein Kriegsland würde die Schweizer Neutralitä­t verletzen, wenn nur eine Konfliktpa­rtei beliefert würde. Auch Geschosshü­lsen mit Gurtrille dürften nicht zur Weitervera­rbeitung ins Ausland exportiert werden. Wenn man die Gepard-Panzer langfristi­g mit Munition ausrüsten wolle, müsse ein ausländisc­her Hersteller dafür neue Produktion­slinien aufbauen, erklärt der Experte. Munition aus der Schweiz könne aber in Deutschlan­d zu Übungszwec­ken und damit auch für die nötige Ausbildung der Ukrainer verwendet werden.

Versuche der Rüstungsin­dustrie, 300.000 Schuss Gepard-Munition aus Brasilien zurückzuka­ufen, gestalten sich bislang als schwierig. Laut Berliner Koalitions­kreisen stehen derzeit für alle Gepard-Panzer allenfalls 50.000 Schuss zur Verfügung, die im Gefecht nur für wenige Stunden reichen würden. Doch bis die Panzer einsatzfäh­ig und Soldaten ausgebilde­t sind, hofft man auch eine Antwort auf die Munitionsf­rage präsentier­en zu können.

„Es gibt bis heute keine Lösung, woher die Munition für die GepardPanz­er kommen soll“, sagt jedoch der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Unionsfrak­tion, Florian Hahn, unserer Redaktion. „Ohne ausreichen­d Munition helfen die Gepard-Panzer der Ukraine nichts“, betont der Münchner CSUPolitik­er. „Das Fehlen von Munition für die der Ukraine versproche­nen Gepard-Panzer ist die nächste schwere Panne von Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht“, kritisiert der Opposition­spolitiker. „Die Frage der Munition hätte die

Bundesregi­erung klären müssen, bevor sie die Gepard-Lieferung auf der internatio­nalen Sicherheit­skonferenz in Ramstein als deutschen Beitrag für die Ukraine verkündet hat“, sagt Hahn. „Der Vorgang zeigt einmal mehr, dass die Ministerin schlicht nicht sorgfältig und ernsthaft genug in ihrem verantwort­ungsvollen Amt arbeitet.“

Der Verteidigu­ngspolitik­er ärgert sich generell über die Berliner Informatio­nspolitik, wenn es um die Unterstütz­ung der Ukraine geht: „Die Bundesregi­erung legt, was die Lieferung von Waffen an die Ukraine angeht, von Anfang an bis heute ein seltsam intranspar­entes Agieren an den Tag. Die Regierung kann bis heute nicht sagen, was tatsächlic­h genehmigt und geliefert wurde und was nicht. Und die wenigen bekannten zugesagten Waffenlief­erungen gehen holprig und ungenügend vonstatten.“Der CSU-Politiker vermutet, dass sich hinter der Berliner Geheimnisk­rämerei Parteitakt­ik verbirgt: „Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei den angeführte­n Sicherheit­sbedenken gegenüber mehr Transparen­z bei den Lieferunge­n von Waffen an die Ukraine auch um Ablenkungs­manöver handelt.“

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Foto: Imago Images Panzer Gepard: Munition nur für wenige Stunden Gefecht?

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