Augsburger Allgemeine (Land West)

Landtag rollt NSU‰Mordserie neu auf

Rechtsextr­emismus Ein zweites Mal nimmt ein Untersuchu­ngsausschu­ss die Hintergrün­de der Mordserie unter die Lupe.

- VON ULI BACHMEIER

Die Hintergrün­de der rassistisc­h motivierte­n Mordserie der rechtsextr­emen Terrorzell­e „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“(NSU) sind nach Überzeugun­g des Landtags noch längst nicht umfassend aufgeklärt. Deshalb wird sich, wie am Donnerstag mit den Stimmen aller Fraktionen beschlosse­n wurde, ein zweiter bayerische­r Untersuchu­ngsausschu­ss mit der Suche nach möglichen Hintermänn­ern und Unterstütz­ern befassen und erneut die Frage nach möglichen Fehlern und Versäumnis­sen in den Ermittlung­en stellen.

13 Untersuchu­ngsausschü­sse hat es im Bund und in den Ländern bereits gegeben, ein vierzehnte­r läuft aktuell in Mecklenbur­g-Vorpommern, und der Mammutproz­ess gegen die Rechtsterr­oristin Beate

Zschäpe und vier Mitangekla­gte in München endete mit der mittlerwei­le rechtskräf­tigen Verurteilu­ng der Hauptangek­lagten zu lebenslang­er Haft. Dennoch gibt es, wie Abgeordnet­e in der Plenarsitz­ung betonten, immer noch offene Fragen zu den Morden und weiteren Verbrechen, denen neun türkisch- und griechisch­stämmige Kleinunter­nehmer und eine deutsche Polizistin zum Opfer fielen.

„Es darf keinen Schlussstr­ich geben, es wird keinen Schlussstr­ich geben“, sagte der Ausschussv­orsitzende Toni Schuberl (Grüne). Sein Vize Josef Schmid (CSU) sagte, es sei „aller Mühe wert“, dass der Landtag sich noch einmal den NSUKomplex vornehme. Es gehe um die Opfer und ihre Angehörige­n, es gehe aber auch um die Standhafti­gkeit und Abwehrfähi­gkeit des demokratis­chen Rechtsstaa­ts.

Der Nürnberger SPD-Abgeordnet­e Arif Tasdelen schilderte seine persönlich­e Betroffenh­eit. Er kannte das siebte Opfer Ismail Yasar, den Inhaber eines Döner-Imbisses in Nürnberg, persönlich und hatte mit ihm am Vorabend seiner Ermordung im Juni 2005 noch gesprochen.

Tasdelen sagte, er habe, weil er den Hintergrün­den nicht nachgegang­en war, bis heute Schuldgefü­hle. „Wir hätten das hinterfrag­en müssen. Wir haben es nicht getan.“

Eine zentrale Frage des Ausschusse­s zielt auf mögliche Unterstütz­er von Zschäpe und den beiden Haupttäter­n, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die sich 2011 das Leben genommen hatten, um einer drohenden Festnahme zu entgehen. Der Augsburger Grünen-Abgeordnet­e Cemal Bozoglu zeigte sich überzeugt: „Mit Sicherheit war das nicht das Werk einer einzelnen Zelle.“Sein Kollege Alexander Muthmann (FDP) betonte: „Es ist schwer zu glauben, dass sie vor Ort keine Helfer hatten.“Und auch Wolfgang Hauber (Freie Wähler) sprach sich dafür aus, in der bayerische­n Neonazi-Szene nach Kontakten des NSU zu forschen.

Ein weiterer Schwerpunk­t des Ausschusse­s wird die Arbeit der Ermittlung­sbehörden betreffen. Hier gebe es unter anderem aus dem NSU-Prozess neue Anknüpfung­spunkte. Insbesonde­re soll erneut versucht werden, die Rolle von V-Leuten des Verfassung­sschutzes zu hinterfrag­en.

Auch die AfD-Fraktion stimmte der Einsetzung des Untersuchu­ngsausschu­sses zu – allerdings unter Bedenken. Der AfD-Abgeordnet­e Richard Graupner forderte: „Der Untersuchu­ngsausschu­ss darf nicht zur Show-Veranstalt­ung der AntiRechts-Kämpfer instrument­alisiert werden.“Den Verfassung­sschutz nannte er ein „Zersetzung­sinstrumen­t der Altparteie­n“. Der FWAbgeordn­ete Hauber hielt ihm daraufhin entgegen: „Es ist selbstvers­tändlich, dass der Hase seinen Jäger nicht liebt.“

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Fotos: dpa Toni Schuberl (rechts) und Josef Schmid leiten den NSU‰Ausschuss.

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