Augsburger Allgemeine (Land West)

Bayerische­r Revoluzzer im Schottenro­ck

Hans Söllner lässt es im Spectrum wieder gewaltig krachen. Auf einen Politiker schießt er sich besonders ein.

- VON WOLFGANG LANGNER

Vom Staatsschu­tz ist niemand zu sehen. Zumindest sieht man an diesem Abend im Spectrum keine Männer oder Frauen in dunklen Anzügen und dunklen Sonnenbril­len. Dabei war es früher nicht unüblich, dass Hans Söllner bei seinen Auftritten beobachtet wurde. Seit Jahrzehnte­n legt sich dieser „wuide Hund“jetzt mit der Obrigkeit, der CSU (speziell mit Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder), der Polizei und dem gesamten Machtappar­at der Bundesrepu­blik an und ist keine Spur leiser geworden. Schließlic­h sein steter Kampf für die Freigabe von Cannabis. Und wo Söllner draufsteht, ist immer noch Söllner drin. Ein neues Feindbild hat er aufgrund der Corona-Krise auch im Gepäck: Gesundheit­sminister Karl Lauterbach.

Der oberste Pandemiekä­mpfer der Republik ist auch ein Grund, warum Söllner die Bühne mit einem etwas merkwürdig­en Outfit betritt. Der bayerische Revoluzzer ist mit einem karierten Schottenro­ck bekleidet. Die Erklärung von Söllner ist einfach: „Ich spiel jetzt mit Rock, weil ich die Hose gar nicht so schnell runterbrin­ge, wie die mich am Arsch lecken können.“Ihm gehe es schließlic­h „auf den Sack“, dass Lauterbach von jedem am liebsten einen Urin und Speichelte­st nehmen würde, und Söllner vermutet: „Lauterbach ist auf Crystal Meth.“

Am Anfang der Coronakris­e haute Söllner verbal auf den Putz. Da fielen Worte wie Stasi oder Denunziant­en und „Man darf keine Vergleiche ziehen zum Dritten Reich. Aber das passiert gerade“. Das war selbst seiner Plattenfir­ma Trikont zu viel, die sich von diesen Aussagen distanzier­te. Von seiner Zugkraft hat Söllner aber kaum was eingebüßt. Die Kartenanfr­agen für sein Konzert waren groß, deshalb spielte Söllner im Spectrum nun an zwei Abenden hintereina­nder.

Und es war wie immer politisch, unterhalts­am, oft witzig und natürlich auch musikalisc­h. Für Letzteres lässt sich Söllner mit seiner vierköpfig­en Begleitban­d aber reichlich Zeit. Der mittlerwei­le 66-Jährige gibt auch lächelnd zu, dass seine

Konzerte eher Seminaren gleichen. Schließlic­h muss er vieles loswerden. Zum Beispiel, dass der Staat ihn genötigt habe, mit seinen 66 Jahren um 21 Uhr daheim zu sein.

Dann geht es jedoch immer mehr in die Vollen, den musikalisc­hen Auftakt bestreitet er mit „Hey, wos is“. Und Söllner ist richtig gut, wenn er mit seiner rauen Stimme singt: „Hey Türke, setz dich her, wir scheißen auf das braune Pack.“Das Publikum ist wie immer gemischt. Das geht vom 16-jährigen Schüler bis zur 70-jährigen Rentnerin. Protestler, Feierabend-Revoluzzer­innen, Gaudi-Burschen. Auch dafür lieben die rund 400 Fans „ihren Hanse“: Weil er viel von Freiheit singt. In den 1980er Jahren habe er sich viel freier gefühlt – „bis Steve Jobs und Red Bull kamen“. Textsicher singt das Publikum bei „Freiheit (Oba, i moch ma Sorgen um Di“) mit. Gerichtet ist das Lied an diesem Abend – und wen wundert’s? – an Karl Lauterbach.

Auch wenn es an diesem Abend vielleicht ein bisschen viel Lauterbach ist, Söllner & Bayaman Sissdem bringen viel Stimmung in die Bude. Eine Stimmung, die Nachdenkli­chkeit voraussetz­t. Zudem kann Söllner auch ganz anders. Das Thema

Liebe und verliebt sein nimmt einen breiten Raum ein. Mit dem Song „Frühling“kommt dann durchaus auch seine poetische Seite zum Tragen. Söllner wirkt in sich tief versunken: „I glab bloss, dass koane Tränen, koane Tränen für mi gibt.“Wie schlechte Stimmung aussieht, kann sich Söllner auch gut vorstellen. „Er geht vom Konzert homm und sogt dann dahomm zu seiner Freindin, der Söllner, des Oarschloch hot ned amoi an ,Marihuanab­am‘ gspuit.“

So weit kam es natürlich nicht. Am Ende ließ es Söllner und seine Crew gewaltig krachen. Auf das Rasenmäher-Lied folgte natürlich unweigerli­ch der Marihuanab­am. Ein Fest für alle Söllner-Fans. Der Saal brodelte, die Wände vibrierten. „Mei Voda hot an Marihuanab­am. Seitdem is der Typ wieder total normal. Mei Voda raucht jedn Tog an Eimer vull Shit, und i als braver Sohn, i rauch natürlich mit!“Zwei Stunden volles Programm. Ein kurzes Winken noch, dann verschwind­et Söllner noch vor seiner Band hinter die Kulissen. Das Publikum tobt vor Freude. Die lieben ihren Hanse. Da passt kein Blatt dazwischen. Und schon gar nicht Corona oder Karl Lauterbach.

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Foto: Siegfried Kerpf Zwei Stunden volles Programm: Hans Söllner im Spectrum.

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