Augsburger Allgemeine (Land West)
Bayerischer Revoluzzer im Schottenrock
Hans Söllner lässt es im Spectrum wieder gewaltig krachen. Auf einen Politiker schießt er sich besonders ein.
Vom Staatsschutz ist niemand zu sehen. Zumindest sieht man an diesem Abend im Spectrum keine Männer oder Frauen in dunklen Anzügen und dunklen Sonnenbrillen. Dabei war es früher nicht unüblich, dass Hans Söllner bei seinen Auftritten beobachtet wurde. Seit Jahrzehnten legt sich dieser „wuide Hund“jetzt mit der Obrigkeit, der CSU (speziell mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder), der Polizei und dem gesamten Machtapparat der Bundesrepublik an und ist keine Spur leiser geworden. Schließlich sein steter Kampf für die Freigabe von Cannabis. Und wo Söllner draufsteht, ist immer noch Söllner drin. Ein neues Feindbild hat er aufgrund der Corona-Krise auch im Gepäck: Gesundheitsminister Karl Lauterbach.
Der oberste Pandemiekämpfer der Republik ist auch ein Grund, warum Söllner die Bühne mit einem etwas merkwürdigen Outfit betritt. Der bayerische Revoluzzer ist mit einem karierten Schottenrock bekleidet. Die Erklärung von Söllner ist einfach: „Ich spiel jetzt mit Rock, weil ich die Hose gar nicht so schnell runterbringe, wie die mich am Arsch lecken können.“Ihm gehe es schließlich „auf den Sack“, dass Lauterbach von jedem am liebsten einen Urin und Speicheltest nehmen würde, und Söllner vermutet: „Lauterbach ist auf Crystal Meth.“
Am Anfang der Coronakrise haute Söllner verbal auf den Putz. Da fielen Worte wie Stasi oder Denunzianten und „Man darf keine Vergleiche ziehen zum Dritten Reich. Aber das passiert gerade“. Das war selbst seiner Plattenfirma Trikont zu viel, die sich von diesen Aussagen distanzierte. Von seiner Zugkraft hat Söllner aber kaum was eingebüßt. Die Kartenanfragen für sein Konzert waren groß, deshalb spielte Söllner im Spectrum nun an zwei Abenden hintereinander.
Und es war wie immer politisch, unterhaltsam, oft witzig und natürlich auch musikalisch. Für Letzteres lässt sich Söllner mit seiner vierköpfigen Begleitband aber reichlich Zeit. Der mittlerweile 66-Jährige gibt auch lächelnd zu, dass seine
Konzerte eher Seminaren gleichen. Schließlich muss er vieles loswerden. Zum Beispiel, dass der Staat ihn genötigt habe, mit seinen 66 Jahren um 21 Uhr daheim zu sein.
Dann geht es jedoch immer mehr in die Vollen, den musikalischen Auftakt bestreitet er mit „Hey, wos is“. Und Söllner ist richtig gut, wenn er mit seiner rauen Stimme singt: „Hey Türke, setz dich her, wir scheißen auf das braune Pack.“Das Publikum ist wie immer gemischt. Das geht vom 16-jährigen Schüler bis zur 70-jährigen Rentnerin. Protestler, Feierabend-Revoluzzerinnen, Gaudi-Burschen. Auch dafür lieben die rund 400 Fans „ihren Hanse“: Weil er viel von Freiheit singt. In den 1980er Jahren habe er sich viel freier gefühlt – „bis Steve Jobs und Red Bull kamen“. Textsicher singt das Publikum bei „Freiheit (Oba, i moch ma Sorgen um Di“) mit. Gerichtet ist das Lied an diesem Abend – und wen wundert’s? – an Karl Lauterbach.
Auch wenn es an diesem Abend vielleicht ein bisschen viel Lauterbach ist, Söllner & Bayaman Sissdem bringen viel Stimmung in die Bude. Eine Stimmung, die Nachdenklichkeit voraussetzt. Zudem kann Söllner auch ganz anders. Das Thema
Liebe und verliebt sein nimmt einen breiten Raum ein. Mit dem Song „Frühling“kommt dann durchaus auch seine poetische Seite zum Tragen. Söllner wirkt in sich tief versunken: „I glab bloss, dass koane Tränen, koane Tränen für mi gibt.“Wie schlechte Stimmung aussieht, kann sich Söllner auch gut vorstellen. „Er geht vom Konzert homm und sogt dann dahomm zu seiner Freindin, der Söllner, des Oarschloch hot ned amoi an ,Marihuanabam‘ gspuit.“
So weit kam es natürlich nicht. Am Ende ließ es Söllner und seine Crew gewaltig krachen. Auf das Rasenmäher-Lied folgte natürlich unweigerlich der Marihuanabam. Ein Fest für alle Söllner-Fans. Der Saal brodelte, die Wände vibrierten. „Mei Voda hot an Marihuanabam. Seitdem is der Typ wieder total normal. Mei Voda raucht jedn Tog an Eimer vull Shit, und i als braver Sohn, i rauch natürlich mit!“Zwei Stunden volles Programm. Ein kurzes Winken noch, dann verschwindet Söllner noch vor seiner Band hinter die Kulissen. Das Publikum tobt vor Freude. Die lieben ihren Hanse. Da passt kein Blatt dazwischen. Und schon gar nicht Corona oder Karl Lauterbach.