Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein neues Zuhause – und ein Traummann
Seit zwei Jahren ist Krieg in der Ukraine, viele Betroffene sind im Augsburger Land untergekommen. Unter Millionen Geflüchteten ist eine junge Mutter, die sich wünscht: „Meine Kinder sollen wieder lächeln können.“
In den frühen Morgenstunden des 24. Februar 2022 erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin der Ukraine den Krieg. Kurz darauf folgten die ersten Bomben- und Raketeneinschläge, dieser entsetzliche und menschenverachtende Krieg wütet bis heute, dem zweiten Jahrestag. Millionen von Menschen flüchteten aus ihrer Heimat, um ihr Leben und das ihrer Kinder zu retten. Allein im Landkreis Augsburg sind 2450 Kriegsflüchtlinge (Stand vom 16.2.2024) aus der Ukraine registriert, davon leben 580 in Unterkünften für Geflüchtete. In Stadtbergen sind es 190. Die meisten von ihnen lebten bei Gastfamilien, haben aber bereits eine eigene Wohnung gefunden – oder sogar noch mehr. So fand eine Alleinerziehende aus der Ukraine in Stadtbergen nicht nur freundschaftlichen Anschluss, sondern sogar den Traummann.
Eine der Ukrainerinnen, die in Stadtbergen leben, ist Mariia Melitopol (45) mit ihrer Tochter Marina (15), die nach fünf Tagen Flucht mit ihren Yorkshire-Terrier Nicki zuerst am Berliner Hauptbahnhof ankam. Die Englischlehrerin und studierte Chemikerin stammt aus Zaporizhzka/Saporischschja, Bomben fielen und die Einwohner wurden durch die Russen vertrieben. „Uns blieben nur unsere Unterlagen, etwas Kleidung und die Information, dass in Bayern die Chancen für einen Neuanfang gut sind“, berichtet Mariia.
Die alleinerziehende Mutter war zunächst mit ihrer Tochter im Ankerzentrum in Augsburg untergebracht, der Hund musste ins Tierheim. „Wir besuchten ihn täglich, es zerriss uns fast das Herz. Dann erfuhren wir, dass in Stadtbergen die Flüchtlingshilfe einen so guten Ruf hat, hervorragende Arbeit leistet und wir willkommen sind“, zeigt sie sich äußerst dankbar.
Mit Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer gelang es ihr einen Minijob im Stetten-Institut als
Englischlehrerin für ukrainische Schüler zu bekommen und sie lernte parallel intensiv Deutsch. „Mariia ist heute das beste Beispiel einer erfolgreich gelungenen Integration“, betont Siegrid Hunger vom Stadtberger Sozialamt.
Die Ukrainerin fand eine Wohnung in der Bismarckstraße, Tochter Marina (anerkannte Leistungssportlerin im Turnen in der Sportgymnastik) besucht die Heinrichvon-Buz-Realschule, Hundedame Nicki ist auch wieder da. Mariia arbeitet mittlerweile als Produktionshelfern bei einer Augsburger Zeitarbeitsfirma.
„Ich möchte dem Staat nicht zur Last fallen, Miete und Lebensunterhalt selbst verdienen, um damit ein Stück Unabhängigkeit zu erreichen“, sagt sie zufrieden. „Auch privat hat sich was geändert, ich habe hier in Stadtbergen meinen Traummann gefunden“, verrät sie strahlend.
Die alleinerziehende Mutter Oksana Sadkova (27 Jahre) war mit ihren Kindern Yehar (vier), Emiliia (zwei) und ihrer Schwägerin Svitlana Ihnatenko (50) aus Dnipro geflohen. „Wir hatten nur Kleidung und Nahrung für die Kinder, nicht mal einen Kinderwagen dabei. Wir fanden bei unserem in Augsburg lebenden Cousin Mykola erst einmal völlig erschöpft einen ersten Unterschlupf“, erzählt Oksana, eine gelernte Tierarzthelferin. Die beiden Kinder traumatisiert, wachten monatelang in der Nacht weinend auf und konnten nur bei Beleuchtung einschlafen. „Zum Glück hat sich das gebessert, ich wünsche mir für sie eine glückliche, unbeschwerte Kindheit und vor allem, dass sie wieder lächeln können.“
Ohne die Hilfe ihrer Schwägerin Svitlana, einst Buchhalterin und Profi-Volleyball-Leistungssportlerin, wäre die Flucht aus der Ukraine mit den Kleinkindern nicht möglich gewesen. Mittlerweile haben die beiden Frauen eine Wohnung im Stadtberger Fryar-Circle gefunden, lernen deutsch und möchten sich weiterbilden. Die Rückkehr in die Heimat Ukraine ist für sie fast ausgeschlossen: „Alles, was wir hatten und wir uns aufgebaut haben, gibt es nicht mehr, wir haben dort keine Perspektiven“, sagen sie traurig.
Ein Zeichen für den Frieden setzt die Evangelisch-Lutherische Kirche Bayern am Samstag, 24. Februar, dem zweiten Jahrestag des Krieges. So findet um 18 Uhr in der Gnadenkirche in Adelsried ein Friedensgebet statt. Religionspädagoge Felix Henkelmann und Jugendliche aus der Gemeinde laden Menschen aller Konfessionen dazu ein, an diesem Abend für einen Moment Stille zu werden und in einer kurzen Andacht für den Frieden in der Ukraine und der ganzen Welt zu beten.