Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie die „Post“zwei Unglücksfälle überdauerte
Seit 1900 war das Gasthaus Zur Post in Hammel im Besitz der Familie Reitmayer. Diese hat früher Ausflügler, Tanzwütige und Faschingsfreunde bewirtet.
Ob urige Brauwirtschaft oder edles Café: In der Serie „Wirtshausgeschichte(n)“lassen wir die Historie ehemaliger Lokale im Augsburger Land wieder aufleben.
Das Gasthaus Zur Post im Neusässer Ortsteil Hammel gehörte zu den beliebtesten Lokalen in der Region Augsburg. Was aus dem Wirtshaus geworden ist, berichtet ein Nachfahre der einstigen Eigentümerfamilie.
Noch zu seinen Lebzeiten zwischen den beiden Weltkriegen hat Anton Reitmayer das Gasthaus um einen prächtigen Anbau ergänzt: den Saalbau Hammel – ein Ort, an dem jeden Samstag Tanzgesellschaften mit bis zu 350 Leuten zusammentrafen. Dort spielten Livebands wie die Pfeiffer oder die Silver Stars. Das Gasthaus war ein beliebtes Ausflugsziel. Jedes Wochenende seien Hunderte von Radlfahrern nach Neusäß gekommen, weiß Maximilian BartelZwack, ein Nachkomme der ehemaligen Wirtshausbetreiber.
Anton Reitmayer stand einst in Diensten der Gutsherren von Stetten. Für seine besondere Beflissenheit im Umgang mit den 20 bis 30 Pferden konnte er von den Gutsherren das Anwesen kaufen. Er gründete zusammen mit seiner Ehefrau Josefa das Gasthaus Zur Post und war ab dann selbstständig tätig. Das Gasthaus lief gut, bis am Ende des Ersten Weltkrieges ein Unglück geschah: Er manövrierte ein mit Bierfässern schwer beladenes Pferdefuhrwerk bei
Hainhofen. Es kippte offenbar um: Am Berghang überrollten ihn die Bierfässer. Nach einigen Wochen erlag er seinen schweren Verletzungen.
Der Betrieb im Gasthaus lief weiter – dank Anton Reitmayers tatkräftiger Ehefrau Josefa und Sohn Markus. Die beiden führten das Gasthaus, bis ein weiterer Unglücksfall die Familie traf: Ende des Zweiten Weltkrieges fiel Markus Reitmayer 1945 bei Tomaszow im heutigen Polen. Seine Schwester Johanna Reitmayer trat nun zusammen mit ihrem Ehemann August Zwack an seine Stelle. Zwack
war Taubstummenlehrer und später Vertriebsleiter bei Faber-Castell. Die Gastwirtschaft lief nebenher. Der Verlust eines Beines schützte August Zwack davor, im
Zweiten Weltkrieg dienen zu müssen, wie Maximilian Bartel-Zwack erzählt. Er ist der Sohn von August Zwack und Johanna Reitmayer.
Im Fasching war das Gasthaus Zur Post ein großer Anziehungspunkt.
Insbesondere für Kinder. Fast jeden Tag habe es Kinderbälle gegeben, berichtet Maximilian Bartel-Zwack. Er habe Limonade ausgeschenkt oder Eis verkauft und im Sommer im Biergarten geholfen. 1957 verkaufte die Familie das Gasthaus – wenige Jahre nachdem August Zwack verstorben war. Nach dem Krieg seien wegen der vielen Autos immer weniger Ausflügler gekommen, erklärt Maximilian Bartel-Zwack. Die Alpen hätte das Augsburger Land als gefragtes Tagesausflugsziel abgelöst.
Nach dem Verkauf habe eine
Brauerei aus der Ulmer Gegend eine der ersten Diskotheken in den früheren Gasthausgebäuden eröffnet: Casino Hammel hieß der Club. Später wurde an einen Bauherren verkauft. Drei Bäume aus dem ehemaligen Biergarten erinnern heute noch an damals.
Drei Bäume aus dem Biergarten stehen noch.
Kennen auch Sie ehemalige Lokale im Landkreis, die heute nicht mehr bewirtschaftet sind? Teilen Sie Ihre Erinnerungen und Fotos mit der Redaktion per E-Mail an redaktion.landbote@augsburger-allgemeine.de oder redaktion@schwabmuenchner-allgemeine.de.