Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie die „Post“zwei Unglücksfä­lle überdauert­e

Seit 1900 war das Gasthaus Zur Post in Hammel im Besitz der Familie Reitmayer. Diese hat früher Ausflügler, Tanzwütige und Faschingsf­reunde bewirtet.

- Von Kristina Orth

Ob urige Brauwirtsc­haft oder edles Café: In der Serie „Wirtshausg­eschichte(n)“lassen wir die Historie ehemaliger Lokale im Augsburger Land wieder aufleben.

Das Gasthaus Zur Post im Neusässer Ortsteil Hammel gehörte zu den beliebtest­en Lokalen in der Region Augsburg. Was aus dem Wirtshaus geworden ist, berichtet ein Nachfahre der einstigen Eigentümer­familie.

Noch zu seinen Lebzeiten zwischen den beiden Weltkriege­n hat Anton Reitmayer das Gasthaus um einen prächtigen Anbau ergänzt: den Saalbau Hammel – ein Ort, an dem jeden Samstag Tanzgesell­schaften mit bis zu 350 Leuten zusammentr­afen. Dort spielten Livebands wie die Pfeiffer oder die Silver Stars. Das Gasthaus war ein beliebtes Ausflugszi­el. Jedes Wochenende seien Hunderte von Radlfahrer­n nach Neusäß gekommen, weiß Maximilian BartelZwac­k, ein Nachkomme der ehemaligen Wirtshausb­etreiber.

Anton Reitmayer stand einst in Diensten der Gutsherren von Stetten. Für seine besondere Beflissenh­eit im Umgang mit den 20 bis 30 Pferden konnte er von den Gutsherren das Anwesen kaufen. Er gründete zusammen mit seiner Ehefrau Josefa das Gasthaus Zur Post und war ab dann selbststän­dig tätig. Das Gasthaus lief gut, bis am Ende des Ersten Weltkriege­s ein Unglück geschah: Er manövriert­e ein mit Bierfässer­n schwer beladenes Pferdefuhr­werk bei

Hainhofen. Es kippte offenbar um: Am Berghang überrollte­n ihn die Bierfässer. Nach einigen Wochen erlag er seinen schweren Verletzung­en.

Der Betrieb im Gasthaus lief weiter – dank Anton Reitmayers tatkräftig­er Ehefrau Josefa und Sohn Markus. Die beiden führten das Gasthaus, bis ein weiterer Unglücksfa­ll die Familie traf: Ende des Zweiten Weltkriege­s fiel Markus Reitmayer 1945 bei Tomaszow im heutigen Polen. Seine Schwester Johanna Reitmayer trat nun zusammen mit ihrem Ehemann August Zwack an seine Stelle. Zwack

war Taubstumme­nlehrer und später Vertriebsl­eiter bei Faber-Castell. Die Gastwirtsc­haft lief nebenher. Der Verlust eines Beines schützte August Zwack davor, im

Zweiten Weltkrieg dienen zu müssen, wie Maximilian Bartel-Zwack erzählt. Er ist der Sohn von August Zwack und Johanna Reitmayer.

Im Fasching war das Gasthaus Zur Post ein großer Anziehungs­punkt.

Insbesonde­re für Kinder. Fast jeden Tag habe es Kinderbäll­e gegeben, berichtet Maximilian Bartel-Zwack. Er habe Limonade ausgeschen­kt oder Eis verkauft und im Sommer im Biergarten geholfen. 1957 verkaufte die Familie das Gasthaus – wenige Jahre nachdem August Zwack verstorben war. Nach dem Krieg seien wegen der vielen Autos immer weniger Ausflügler gekommen, erklärt Maximilian Bartel-Zwack. Die Alpen hätte das Augsburger Land als gefragtes Tagesausfl­ugsziel abgelöst.

Nach dem Verkauf habe eine

Brauerei aus der Ulmer Gegend eine der ersten Diskotheke­n in den früheren Gasthausge­bäuden eröffnet: Casino Hammel hieß der Club. Später wurde an einen Bauherren verkauft. Drei Bäume aus dem ehemaligen Biergarten erinnern heute noch an damals.

Drei Bäume aus dem Biergarten stehen noch.

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Foto: Repro Andreas Seitz So sah früher das Gasthaus Zur Post bei Hammel, einem Ortsteil von Neusäß, aus. Die Post hatte eine besonders idyllische Lage am Waldrand.
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Foto: Kristina Orth Hier stand früher das Gasthaus Zur Post. Mittlerwei­le steht dort eine geräumige Wohnanlage.
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Foto: Bartel-Zwack Der Begründer des Gasthauses Zur Post Anton Reitmayer. Hier in seiner Jagdtracht.

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