Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie „Jedermann stirbt!“
Das Laientheater bringt eine Neudichtung des bekannten Stoffs von Ferdinand Schmalz auf die Bühne. Die Schauspielgruppe Neusäß besticht durch präzises Handwerk.
Mit außergewöhnlichen Theaterstücken hat die Schauspielgruppe Neusäß in den vergangenen 35 Jahren ihre Zuschauer stets gefangen genommen und überzeugt. Zum 35-jährigen Bestehen hat sich die Schauspielgruppe Neusäß mit dem Stück „Jedermann stirbt“in Neudichtung des österreichischen Dramatikers Ferdinand Schmalz, wieder für ein besonderes Stück entschieden. Schmalz hat Hugo von Hofmannsthals Spiel vom Sterben des reichen Mannes für das 21. Jahrhundert neu geschrieben und das Ensemble der Neusässer Schauspielgruppe hat das Spiel um das menschliche Schicksal der Sterblichkeit mit viel Engagement umgesetzt.
Chorische Belehrungen „der teuflisch guten Gesellschaft“tönen moralisierend mitten aus dem dunklen Zuschauerraum und bieten einen besonderen Beginn des Mysterienspiels. Auf der Bühne schließlich befindet man sich dann in einem blühenden Garten, geschmückt für eine ausschweifende
Party, um Jedermanns Erfolge zu feiern. Bernhard Vogt gibt einen überheblichen Jedermann, der sich trotz aller Predigten seiner Mutter (Barbara Osswald) und seiner Frau (Astrid Mittelstedt), die das Gefühl hat, ihren Mann nicht mehr zu kennen, nicht von seinem Denken abbringen lässt.
Die Spaßgesellschaft feiert ausschweifend bei Champagner, Jedermanns verschuldete Vettern (dicker Vetter: Sebastian Bayerl, dünner Vetter: Werner Härle), gieren anbiedernd nach seinen großen Scheinen. Als er später, als es ans Sterben geht, in seiner grenzenlosen Verzweiflung allerdings bereit ist, sich die Gesellschaft seiner Vettern mit Unsummen zu sichern, ist abrupt Schluss damit. Überhaupt ist auf diesem sonderbaren Fest in aller Opulenz nicht alles Gold, was glänzt. Denn es ist ein Fest, bei dem Jedermann vom armen Nachbarn Gott (Michael Gebler) und dem Tod, in diesem Stück eine Sensenfrau (Tanja Easaw), heimgesucht wird und vom Mammon eine Predigt vom „fickenden Geld“, gehalten bekommt.
Wahre Worte lässt der Autor die
„Guten Werke“, überzeugend dargestellt von Theresia Hartmann, die in diesem Stück als „Lady Charity“erscheint, sprechen. Als Jedermann eine böse Vorahnung beschleicht, versucht seine Buhlschaft, die für ihn alle weltlichen Freuden und Verlockungen darstellt, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Er tanzt mit ihr und fühlt sich jung. In dieser Rolle zog Lisa Rettinger alle Register ihres schauspielerischen Könnens und verführte
Jedermann gekonnt mit einem lasziven Tango. Jedermann wird aber dennoch mit dem Tod konfrontiert. Er ringt mit dem Sterben und der Frage, was von einem Leben übrig bleibt, das nur auf Erfolg und Finanzmacht ausgerichtet ist.
Jedermann muss den Weg allen Irdischen gehen, wenn auch ohne große Hoffnung auf das Himmelreich. Die schauspielerische Leistung aller war wie gewohnt auf hohem Niveau, die sprachlich herausfordernden Texte, teils mit Wortwitz, teils böse und bitter wurden mit großer Präsenz vorgetragen. Bernhard Vogt glänzte als reicher Kotzbrocken und auch Wolfgang H. Ritter in der Rolle des Mammons mit goldfarbenem Hemd und mondäner Sonnenbrille, überzeugte. Mit gutem Gespür für das Stück, aber auch für das Ensemble, hat Regisseurin Helga Schuster das Spiel umgesetzt und mit launigen Ideen angereichert, darunter einem großen Schwimmtier in Form eines rosafarbenen Flamingos, mit dem der Swimmingpool des Anwesens verdeutlicht wurde oder die witzigen, schwarz-weiß karierten Socken der Sensenfrau. Eine rundum sehenswerte Aufführung.
Bis Ende April sind eine Reihe weiterer Aufführungen in der Aula der Grundschule St. Ägidius in Alt-Neusäß geplant. Karten gibt es bei Bücher Max in der Georg-Odemer-Straße und an der Abendkasse für die Aufführungen an den Wochenenden zwischen dem 23. März und dem 21. April, samstags um 19.30 Uhr und sonntags um 17 Uhr. Infos unter 0176/47831459.