Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum der „Adler“nicht mehr zu retten war
Neben Viehhandel und Metzgerei betrieb Julian Königsdorfer das Gasthaus in Rettenbergen. Der charismatische Wirt begeisterte seine Gäste mit Aktionen.
Früher war Rettenbergen im Augsburger Land ein beliebtes Ausflugsziel. Wer kein Auto hatte, der konnte das Wirtshaus Adler bequem seit dem Jahr 1973 mit dem Bus erreichen. So mancher Ausflügler fuhr mit dem Fahrrad die „Tour de Julian“, also den Weg zu Gastwirt Julian Königsdorfer. Das Lokal hatte bei seinen Gästen auch den Namen „Beim Julian“. Der war ein echtes Original, erzählt seine Schwiegertochter Ursula Königsdorfer. Sie erinnert sich an frische Sülzwurst, Ziehharmonika und die Wirtsfamilie. Denn die Gaststätte war zwei Generationen lang in Händen der Familie Königsdorfer.
Wann genau die Wirtschaft entstanden ist, weiß Ursula Königsdorfer nicht mehr. Das Gasthaus Adler sei neben dem Viehhandel und der Metzgerei ein weiteres Geschäftsstandbein gewesen. Wilma Baltrusch, die Lebensgefährtin von Julian Königsdorfer, habe die Wirtschaft in den 50er-Jahren geführt. Königsdorfer erklärt, was das Flair des Adlers ausgemacht hat: „Rettenbergen war damals ein wunderschönes Ausflugsziel direkt vor dem Wald.“Die Leute wären zur Brotzeit in den Biergarten mit der alten Linde gekommen, weiß Königsdorfer. Sie sagt: „Das war eine alte, rustikale Bauerngaststätte
mit Ölofen. Julian Königsdorfer sei ein begnadeter Metzger gewesen, der noch selber Wurst hergestellt habe. „Am Mittwoch und Donnerstag, wenn es den frischen Schweinskäs’ gab, haben die sich zum Teil fast die Stöcke drübergezogen, wer als Erster was bekommt“, sagt seine Schwiegertochter. Auch das Naturell ihres Schwiegervaters habe seinen Teil zum Erfolg der Gaststätte beigetragen: „Der war gesellig und hat Quetsch’n (Ziehharmonika) gespielt.“
Laut den Aufzeichnungen des ehemaligen Bürgermeisters von Rettenbergen, Karl Schmidt, erfolgte Ende der 60er-Jahre ein Ausbau der Küche mit Sofa und Stühlen. Am Ofen hätten bisweilen bis zu acht Mann und mehr zusammengesessen, schreibt er in seinen Erinnerungen. Der Wirt Julian Königsdorfer habe für den Bernhardinerhund Barry außerdem den Suppentopf mit Knochen auf den Boden geleert.
In den 80er- und 90er-Jahren fanden viele Faschingsbälle, Hochzeiten und Tauffeiern im Adler statt. Die Feuerwehr Rettenbergen hat bis 1987 „die Löschübungen im Gasthaus zum Adler getätigt und Durst gelöscht“, schreibt der ehemalige Bürgermeister. Nach dem Tod von Julian Königsdorfer übernahm sein Sohn Gottfried zusammen mit seiner Frau Ursula das Lokal bis 2007. Dann musste Gottfried
Königsdorfer den Adler wegen gesundheitlichen Problemen aufgeben: „Er war schwer krank, hatte einen Schlaganfall“und sei 2015 verstorben, sagt Ursula Königsdorfer.
Dass das Gasthaus Adler heute nicht mehr existiert, hat mehrere Gründe. „Ich bin ja von Hirblingen her gewesen“, sagt Königsdörfer. Sie habe deshalb nach dem Tod ihres Mannes das Hirblinger Gasthaus Heimgarten übernommen. Das Grundstück, auf dem das Gasthaus Adler stand, habe ihr Sohn Michael geerbt. Der Zustand des Lokals sei schlecht gewesen, auch das habe eine Rolle bei der Aufgabe des Geschäfts gespielt, wie Königsdorfer sagt: „Das war ein Altbau, mit maroden Leitungen und ohne richtige Heizung.“Heute steht dort ein Mehrfamilienhaus.
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