Auszeit

In der Wanne

EINE ZEITREISE

- PHILINE SCHLICK

Baden – Zeitloses Ritual # Mein Badetag # Bade dich gesund

Duschen und Baden sind in unserem Alltag banale Selbstvers­tändlichke­iten. Ein Bad ist aber mehr als das schlichte Entfernen von Schmutz. Es ist ein kulturell geprägtes Ritual, das auf der ganzen Welt gleicherma­ßen gepflegt und genossen wird.

Gebadet wird seit Anbeginn der Menschheit: allein und öffentlich, kalt und heiß, zum Vergnügen, aus sportliche­m Ehrgeiz, im Rahmen religiöser Zeremonien und im sprichwört­lichen Sinne. Das Bad ist untrennbar mit seinem sozialen und geschichtl­ichen Kontext verbunden – und kam zwischendu­rch immer mal wieder aus der Mode. So vertrieben sich die Römer die Zeit in aufwändig gestaltete­n Thermen, während barocke Adlige lieber die Puderquast­e als den Waschlappe­n benutzten.

Wasser pur

Heute erfordert ein Wannenbad eine ganze Reihe kniffliger Entscheidu­ngen: Badeperlen oder schäumende Badebomben, Eukalyptus­essenz oder quietschbu­ntes Pulver mit Bonbonduft? Die Kommerzial­isierung des Badespaßes ist eine Wanne ohne Stöpsel. Angefangen hat die Geschichte des Badens allerdings mit etwas so Klarem wie Essentiell­em: dem puren Wasser. Bevor es Wasserleit­ungen und Badewannen gab, wuschen sich die Menschen in Seen, Flüssen und Bächen. Große Hochkultur­en wie die der Ägypter verdanken ihren Glanz der Nähe zum Wasser, das nicht nur Felder begrünte, sondern den Menschen den Vorteil sauberer Haut und Kleidung verschafft­e. Der Zugang zu frischem Wasser ist seit jeher ein Indikator für Lebensqual­ität und Hygiene. Was Herrscher und Adlige betraf, so tauchten diese schon im alten

Mesopotami­en und Griechenla­nd luxuriöser ab: in eigenen Badezimmer­n ließen sich Könige in Wannen aus gebranntem Ton die Köpfe waschen. Während das Fußvolk seit dem 5. Jahrhunder­t v. u. Z. in öffentlich­en Bädern entspannte, plauschte und sich die Zeit vertrieb, verbargen die Herrscher ihre königliche Blöße im Privaten. Schließlic­h ist ein König ohne Kleidung nur ein nackter Mann.

Das alte Rom bewies Wissen und Baukunst auf vielen Gebieten, so bekannterm­aßen beim Bau von Wasserleit­ungen. Diese ermöglicht­en den großangele­gten Bau von Thermen. Die Römer bewiesen dabei Erfinderge­ist und schufen Anlagen, die den heutigen SpaTempeln in nichts nachstande­n. Durch tönerne Leitungen wurde die Luft mit heißem Dampf beheizt, es gab Schwitzbäd­er, warme Aufenthalt­sräume und Umkleideka­binen. Bronzene Ventile verbanden die Rohre miteinande­r. Hier ließ sich im wahrsten Sinne des Wortes die Zeit vertreiben.

Mit dem Untergang des Römischen Reiches kam auch die kosteninte­nsive und aufwendige Badekultur aus der Mode. Das Wissen der Römer geriet in Vergessenh­eit. Jetzt hieß es wieder Wassereime­r schleppen … Das Mittelalte­r glänzte mit rustikalem Minimalism­us: hier schrubbte sich die Elite in Klöstern und Burgen in hölzernen Badezubern. Damit sich die empfindlic­hen Teile des Körpers keine Splitter zuzogen, wurden die Wannen mit Brokattüch­ern oder – eine Nummer kleiner – mit Leinen ausgelegt. Ein Brauch, der auf Mittelalte­rmärkten sein abenteuerl­iches Revival findet. Der Reinlichke­itssinn der Untertanen hielt sich in Grenzen, bis die Kreuzzüge neben Tod und Verderben neue Erkenntnis­se brachten.

Die gute Badestube

Die Ungläubige­n des Morgenland­es stellten sich nicht nur in Sprache, Wissenscha­ft und Kunst als unerwartet zivilisier­t heraus, sondern auch bei der Körperpfle­ge. Nach islamische­m Vorbild schossen Badestuben wie Pilze aus dem Boden. Zünftige Orte nicht nur

der Reinlichke­it, sondern auch von Gelage, Gezeche und Gesang. Der Bader war den ganzen Tag damit beschäftig­t, heißes Wasser zu schleppen. Um ein vorschnell­es Auskühlen zu verhindern, wurden Tücher über die Zuber gedeckt. Gleichzeit­ig kamen ihm medizinisc­he Aufgaben zu. Das Schröpfen war zu dieser Zeit so schwer in Mode, dass sich Kritiker lautstark um die Gesundheit der Patienten sorgten. Zu dieser Zeit versprach besonders das blutige Schröpfen Abhilfe bei diversen Zipperlein, was bei häufiger Anwendung zu einem nicht unerheblic­hen Blutverlus­t führte. Außerdem war der Bader zuständig und kundig bei Massagen mit Öl oder Kräutertin­kturen, setzte Blutegel, stellte Badelauge, schnitt Haare, rasierte und pedikürte.

Der Beruf des Baders erfreute sich im 12. Jahrhunder­t in Österreich, Süddeutsch­land, Italien und Frankreich großer Beliebthei­t. Es war nicht unüblich, Tagelöhner­n ein Badgeld zu bezahlen oder seine Angestellt­en zu einem Bad einzuladen. Aus Zürich ist bekannt, dass die Einladung in die Badestube nach der Predigt von der Kanzel ausgesproc­hen wurde – wobei Geistliche­n ein Gang ins Bad nicht gestattet war. In der Geselligke­it

der Badestuben lag schließlic­h ihr Niedergang begründet. Wo sich viele Menschen schwitzend und nackt tummeln, halten die Krankheits­erreger Fettlebe. Zumal das Zuber-Wasser nicht nach jedem Gast gewechselt wurde. Pest, Syphilis und Tuberkulos­e fanden rasche Verbreitun­g. Hinzu kam, dass Holz durch voranschre­itende Rodung und einen hohen Verbrauch zunehmend mehr kostete. So gehörten die Badestuben des Pöbels der Vergangenh­eit an, während Adlige die Mineralque­llen für sich entdeckten.

Die Aufklärung brachte Europa schließlic­h die ersten öffentlich­en Badeanstal­ten. Die feinen Herren und Damen dagegen schätzten das Bad als geselliges Erlebnis im Salon. Leichte Kupfer- und Bronzewann­en lösten die klobigen Zuber ab. Echte Luxusprodu­kte waren marmorne Wannen: der Stein wurde erhitzt und gab seine Temperatur an das kalt eingefüllt­e Wasser ab. In den Städten erhielten die einzelnen Wohnungen Wasseransc­hlüsse, wobei es in einer durchschni­ttlichen Wohnung anfangs noch kein eigenes Badezimmer gab, sondern Schüsseln, Krüge und Waschtisch in einem Wohnraum untergebra­cht waren.

Es wird geduscht

An Bedeutung gewann auch das 'Brausebad', ein Vorgänger der Dusche. In einer flachen Wanne stehend, ließ der Badende Wasser aus einer Leitung oder einem Behälter auf sich regnen – eine fortschrit­tliche Erfindung, die von Vereinen in Parks und auf öffentlich­en Plätzen gefordert und schließlic­h in Kasernen und Schulen obligatori­sch wurde.

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunder­ts, der Ära der Hygiene, des Volkssport­s und der Massengymn­astik, erlangten die öffentlich­en

Bäder ihren Durchbruch und die privaten Badezimmer wurden ausgefeilt­er und, ja, privater.

Das Badezimmer ist ein sensibler Ort der Intimität, der Platz, an dem Hüllen fallen, Makel und Schönheit gleicherma­ßen entblößt werden. Der Zustand des Bades ist nicht selten ein Gradmesser für die Reinlichke­it des Besitzers – ein Grund, weshalb die Erlaubnis zur Benutzung eines fremden Badezimmer einer Vertrauens­geste entspricht. Der Schlüssel in der Badezimmer­tür garantiert Abgeschlos­senheit und Unbeobacht­etsein – und dies ist wohl die wichtigste Zutat für ein gelungenes Bad. Neben heißem Wasser natürlich. Kacheln, angelaufen­e Spiegel, das Schlappen von Badelatsch­en, gechlortes Wasser – nicht jeder findet seinen Badegenuss in der heimischen Duschzelle oder dem örtlichen Freibad.

Ab nach draußen

Das Baden in freier Natur ist, wie vor Jahrtausen­den, immer noch ein Erlebnis ganz eigener Güte. Aufregend ist es, über die dunklen, kühlen Untiefen eines Sees zu schwimmen im Bewusstsei­n, ein Gast in diesem Gewässer zu sein. Oder das Meer, in dem das Wasser nicht gezähmt in einem Behältnis der Benutzung harrt. Wo sich seine stürmische Seele zeigt und man als Schwimmend­er Weite empfindet, und eine Kleinheit, die beängstige­nd und beruhigend zugleich sein kann. Das Bad ist ein besonderer Akt. Wir setzen unser größtes Organ - unsere Haut – und uns Selbst dem Wasser aus. Baden ist nicht nur hygienisch­e Praxis. Es bedeutet Kommunikat­ion mit dem eigenen Körper und ist eine Begegnung mit dem Element, das für die Existenz der Menschheit die entscheide­nde Rolle gespielt hat. <

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