Auszeit

Innere Kraft

- UWE FUNK

Irre glücklich – Überlebens­training für depressive Zeiten # Ein Lächeln basteln # Lebensfreu­de ist trainierba­r

Im Koala-Kostüm Koalas besuchen, stundenwei­se ein Faultier mieten, ausgestopf­te Waschbären reiten auf Katzen – all das soll gegen Depression­en helfen? Ja, das tut es! Bewiesen wird es im Buch „IRRE GLÜCKLICH“von Jenny Lawson, auf eine unerwartet tief berührende Art, humorvoll und melancholi­sch zugleich.

Jenny Lawson weiß, worüber sie schreibt – es sind ihre ganz persönlich­en Erfahrunge­n, es ist ihr eigenes Leben, ungefilter­t, in all seiner Verrückthe­it, mit all dem Schmerz und voller Albernheit­en. Albernheit­en, die sich dann aber als purer Lebenswill­en entpuppen – als geschickte Strategie, der Depression, den Angststöru­ngen und den damit verbundene­n Schmerzen und Belastunge­n etwas entgegenzu­setzen, das das eigene Leben lebenswert macht. Trotz alledem.

Tag für Tag

Und so liest man sich durch ihre Berichte über Reisen, die sie gemacht hat, über Tage, an denen sie das Haus nicht verlassen wollte, nicht verlassen konnte, über ihren verständni­svollen Mann und ihre leidensfäh­igen Katzen. Außerdem erfährt man, dass ihr Vater Tiere präpariert, was die Obsession der Autorin für ausgestopf­te Waschbären schon nicht mehr ganz so, sagen wir mal, abwegig erscheinen lässt. Jenny Lawson hat ihre Probleme

und ihre ungewöhnli­chen und ungewöhnli­ch starken Antworten auf diese Probleme schon vor dem Verfassen dieses Buches thematisie­rt. Vor allem in ihrem Blog, im direkten Austausch mit ihren Lesern, hat sie sich die Konsequenz erarbeitet, mit der sie ihren Weg geht. Den Weg, den sie in „IRRE GLÜCKLICH“so beeindruck­end beschreibt. Und so hat auch das Buch einen Ton an sich, der in wundervoll­er Art und Weise gleicherma­ßen locker und direkt wirkt, machnchmal wie eine Plauderei, machmal wie ein sehr konzentrie­rtes Antworten auf Fragen, die man als Leser tatschlich gerade auf der Zunge hatte.

Viel zu sagen

Jenny Lawson hat zweifellos eine Menge zu sagen, kann eine Menge Antworten geben. Allerdings weist sie immer wieder darauf hin, dass jeder seinen eigenen Weg gehen muss. Jeder Mensch ist auf ganz eigene Weise betroffen, auf eine ganz eigene Weise für diese oder jene Lösung empfänglic­h. Aber im Grunde ist die Botschaft für alle Betroffene­n gleich: Man muss die Depression als Krankheit begreifen, an der man keine Schuld trägt, für die man sich nicht rechtferti­gen, aber über die man sprechen muss. Vor allem mit den Menschen um einen herum, die zum einen ja quasi mitleiden, einem zum andern aber auch hilfreich zur Seite stehen können. Jennys Mann Victor ist dafür ein wunderbare­s und höchst respektvol­les Beispiel.

Das Rezept

Auch ihr ganz spezielles Rezept zum Leben mit der Depression ist genauso verrückt, wie es auch lebensbeja­hend und universell ist. Sie bringt es auf den Punkt: „Genau darum geht es bei IRRE GLÜCKLICH. Dass wir, wenn alles gerade gut läuft, dieses „alles“

Der Satz »Ach, jetzt sei doch endlich mal ein bisschen fröhlich!« gehört im Falle einer Depression zu den am wenigsten hilfreiche­n.

nehmen und es so außergewöh­nlich machen, dass es unvergessl­ich wird, denn diese Augenblick­e machen uns zu dem, was wir sind. Wir können sie mitnehmen in die Schlacht, wenn unser Gehirn unserem Leben wieder einmal den Krieg erklärt. Es geht um den Unterschie­d zwischen „das Leben überleben« und »unser Leben leben“.

Den Unterschie­d zwischen „eine Dusche nehmen“und „dem kleinen Affen, den wir neuerdings zum Butler ausbilden, beizubring­en, wie er uns die Haare shampoonie­rt“. Den Unterschie­d zwischen „zurechnung­sfähig“und „irre glücklich“.“Dem ist nichts mehr hinzuzufüg­en.<

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